Charité-Forscher klären das Transportsystem für Selen auf

Ist das Transportsystem gestört, entstehen ernste Krankheiten

Das Halbmetall Selen ist ein lebensnotwendiges Spurenelement, das der menschliche Organismus mit der Nahrung aufnehmen muß. Er braucht Selen, um u.a. die Produktion von „Schutz“-Enzymen (z.B. Glutathion-Peroxydasen) zu ermöglichen, die reaktionsfreudige Sauerstoffverbindungen (sog. freie Radikale) entschärfen, welche die Erbsubstanz schädigen können. Bislang war allerdings unbekannt, wie Selen aus der Nahrung in die einzelnen Körperorgane gelangt. In einem von der Deutschen Krebshilfe geförderten Projekt hat die Forschergruppe aus Biochemikern, Endokrinologen und Neurowissenschaftlern um Dr. Lutz Schomburg und Professor Dr. Josef Köhrle aus dem „Institut für Experimentelle Endokrinologie“ der Charité zusammen mit Kollegen aus Würzburg und Braunschweig festgestellt, daß Selen aus der Nahrung in der Leber in ein Protein, das Selenprotein P, eingebaut wird, und in dieser Form auf dem Blutweg zu den anderen Organen transportiert wird.

Die Wissenschaftler, die ihre Erkenntnisse in dem Fachblatt „Biochemical Journal“ ([2003] Band 370 Seite 397-402) publizieren konnten, haben dies an Mäusen erkannt, denen sie das Gen für das Selenprotein P entfernt hatten, sodaß die Mäuse das Protein nicht bilden konnten. Das führte zu verschiedenen Funktionsausfällen, und bei einigen Tieren sogar zum verfrühten Tod.

Wenn dieses „Selen-Transporter“ Protein fehlt, so reichert sich Selen aus der Nahrung zwar in der Leber an, wird von dort aus aber nicht weiterbefördert. Ist das Gen für dieses Transporter Protein zwar intakt, mangelt es jedoch an Selen aus der Nahrung, so werden überall im Körper zu wenig selenhaltige Schutzenzyme gebildet. Das allein könnte schon genügen, daß freie Radikale ungebremst die Erbsubstanz dauerhaft schädigten und Krebs auslösten, meinen die Forscher. Die Konzentration von Selenprotein P läßt sich deshalb wahrscheinlich auch als Marker für Tumorerkrankungen nutzen: Zu geringe Konzentrationen könnten die Krebsentwicklung begünstigen. Daß das Spurenelement Selen für den Körper insgesamt immer nur in „Spuren“ nötig und verträglich ist, weiß man schon sehr lange: Zuviel davon führt zur Vergiftung, die schon Marco Polo im 13. Jahrhundert auf seiner Reise nach China bei seinen Pferden feststellte, die extrem selenreiches Gras gefressen hatten. Sie verloren an Haaren und Gewicht, lahmten und litten an Huferweichung.

Auch zu wenig des Elements schadet: Beim Menschen kann Selenmangel zu Herzmuskel- und Gelenkerkrankungen (Keshan- und Kashin-Beck-Krankheit) führen und neuerdings häufen sich wissenschaftliche Befunde, die nahelegen, daß auch die Entstehung von Krebs (Prostata, Darm und Lunge) begünstigt wird, eine ausreichende Versorgung mit dem Spurenelement hingegen Tumorerkrankungen vermeiden hilft. Derzeit wird in einer Studie in den USA an rund 33.000 Männern überprüft, ob dies für die Häufigkeit von Prostatakrebs zutrifft.

Media Contact

Dr. med. Silvia Schattenfroh idw

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Größte bisher bekannte magnetische Anisotropie eines Moleküls gemessen

An der Berliner Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II ist es gelungen, die größte magnetische Anisotropie eines einzelnen Moleküls zu bestimmen, die jemals experimentell gemessen wurde. Je größer diese Anisotropie ist, desto besser…

Tsunami-Frühwarnsystem im Indischen Ozean

20 Jahre nach der Tsunami-Katastrophe… Dank des unter Federführung des GFZ von 2005 bis 2008 entwickelten Frühwarnsystems GITEWS ist heute nicht nur der Indische Ozean besser auf solche Naturgefahren vorbereitet….

Resistente Bakterien in der Ostsee

Greifswalder Publikation in npj Clean Water. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Instituts für One Health (HIOH) hat die Verbreitung und Eigenschaften von antibiotikaresistenten Bakterien in der Ostsee untersucht. Die Ergebnisse ihrer Arbeit…