Was zwischen vier Augen passiert: Sprechstundengespräche an der Hochschule, jetzt als Buch
Erstmals wurden Sprechstundengespräche an der Hochschule erforscht. Die Ergebnisse des RUB-Projekts sind jetzt als Buch erschienen – und zeigen neben didaktischen Verbesserungsmöglichkeiten eben auch das Menschlich-Allzumenschliche in der Begegnung unter vier Augen …
„Ich hab nur ne ganz kurze Frage …“: Sprechstunden von Lehrenden für Studierende sind ein elementarer Bestandteil des universitären Lebens – und jetzt auch erstmals erforscht. Gerade in der Prüfungsvorbereitung tritt zutage, wie bedeutsam das Beratungsgespräch für Studierende ist und wie häufig es sich zugleich schwierig gestaltet. Diese besondere Situation wissenschaftlich zu untersuchen und daraus Handlungs- und Interaktionsvorschläge für die Beteiligten abzuleiten, war Ziel des Projekts „Sprechstundengespräche an der Hochschule“, das in der Zeit vom 01.10.1998 bis 31.12.1999 in der RUB durchgeführt wurde. Das NRW-Wissenschaftsministerium (MSWF) förderte es mit 190.000 DM aus dem Hochschulsonderprogramm III. Die Ergebnisse liegen nun vor: Unter dem Titel „Ich hab nur ne ganz kurze Frage – Umgang mit knappen Ressourcen. Sprechstundengespräche an der Hochschule“ (Luchterhand Verlag)) haben Prof. Dr. Wolfgang Boettcher und Dr. Dorothee Meer (Fakultät für Philologie der RUB, Germanistisches Institut, Lehrgebiet für Didaktik der deutschen Sprache) die Erkenntnisse und Resultate des Projekts zusammengetragen.
Schnuppern am Gespräch unter vier Augen
Studentin: „Also brauchte man theoretisch für jede Hausaufgabe immer solche Untersuchungen?“ Hochschulprofessor: „Hausaufgabe is gut „ Individuelle Unterstützung Beratung und Betreuung Studierender finden in der Universität auf vielfältige Art statt, z. B. in Tutorien zum Studienbeginn, in Mentorenprogrammen zur Examensvorbereitung. Hierbei handelt es sich jedoch um Gruppen, während Sprechstunden unter vier Augen ablaufen. Gerade diese „dyadische“ Betreuungsform spielt für Studierende eine zentrale Rolle: Es ist im Laufe des Studiums die einzige Kommunikationsbeziehung, in der sie sich durch Lehrende als Individuen wahrgenommen fühlen und individuelle Unterstützung erhalten; vor allem in den so genannten „Massenfächern“. Daher sind Sprechstunden für Studierende der entscheidende institutionelle Ort, an dem sie ihre studienrelevanten Fragen mit Lehrenden thematisieren können. RUB-typische Orte Entsprechende Orte, die die Forscher als „typisch“ für die verschiedenen Fachbereiche der RUB erachteten, wurden mit Kameras, Mikrophonen und natürlich mit Zustimmung der Beteiligten untersucht: Sprechstunden an den Fakultäten für Philologie, für Geowissenschaften, für Elektrotechnik und Informationstechnik sowie an der Medizinischen Fakultät. Schriftliche Befragungen der Mitglieder dieser Fakultäten (Studierende und Lehrende) und Einzelinterviews flankierten die Mitschnitte der Sprechstunden und ergänzten die Vorgehensweise zu einer quantitativ wie qualitativ ergiebigen Methode. Unterschiede herausgearbeitet Ziel des Projekts war eine solch empirische Untersuchung unter der Vorgabe, Unterschiede herauszuarbeiten: sowohl unterschiedliche Gesprächstypen und -zwecke als auch verschiedene Kontaktformen zwischen Lehrenden und Studierenden in den einzelnen Studienfächern. Das Projekt ermöglicht daher auch einen Vergleich zwischen diversen „Fachkulturen“. Es gibt einen Einblick in die Bandbreite der Möglichkeiten und Abhängigkeiten in Sprechstundengesprächen. Die Autoren zeigen die unterschiedlichen Handlungsspielräume von Lehrenden und Studierenden sowie fakultäts-, status- und geschlechtsspezifische Differenzen auf. Einige didaktische Überlegungen Erste Schlussfolgerungen, die sich aus der Untersuchung ergeben, betreffen vier Aspekte rund um die Sprechstunde, die die Autoren für dringend verbesserungswürdig halten: a) Die Organisation von Kontakten – neben den festen Sprechzeiten der Lehrenden sind individuell vereinbarte Termine unverzichtbar, insbesondere in den Massenfächern; b) Qualifikationsanforderungen – um Lehrende gezielt für die Beratungs- und Gesprächssituation zu schulen und sie auf diesem Gebiet fortzubilden, sollen die Weiterbildungszentren der Universitäten entsprechende Angebote entwickeln; c) Umstrukturierung und Umverteilung von Betreuungsangeboten – um die Sprechzeiten zu entlasten, soll das allgemeine Informationsmaterial für Studierende häufige Sprechstundenthemen abdecken; d) Arbeitsplatzbeschreibung von Hochschullehrern – Sprechstunden sind hier nach wie vor nicht enthalten, daher legen Dozenten Anzahl und Dauer selbst fest, dennoch betrachten sie Sprechstunden oft als eine ärgerliche Anforderung, da sie Zeit verlangen, die anderen Arbeiten abgeht. Vorstudie zum „Handbuch Sprechstunde“ Das Projekt Sprechstundengespräche an der Hochschule bietet die sprachwissenschaftlichen Grundlagen zu weiterführenden hochschuldidaktischen Überlegungen. Das Ministerium hat ein Folgeprojekt bis Ende 2001 finanziert, in dem unter Leitung des Weiterbildungszentrums der RUB (WBZ) Dr. Dorothee Meer und Klaus Hellermann in Kooperation mit Prof. Boettcher Fortbildungsdesigns entwickeln und ausprobieren, um Lehrende im Umgang mit Sprechstunden zu schulen. Abschließend soll aus den gesammelten Erkenntnissen ein „Handbuch Sprechstunde“ entstehen, das sich an Lehrende und Studierende richtet. Titelaufnahme Boettcher, Wolfgang / Meer, Dorothee (Hrsg.): „Ich hab nur ne ganz kurze Frage“ – Umgang mit knappen Ressourcen. Sprechstundengespräche an der Hochschule. Reihe Hochschulwesen – Wissenschaft und Praxis. Neuwied, Kriftel. Luchterhand 2000. ISBN: 3-472-04327-X Weitere Informationen Prof. Dr. Wolfgang Boettcher, Ruhr-Universität Bochum, Fakultät für Philologie, Germanistisches Institut, GB 4/29, Tel.: 0234/32-25835, Fax: 0234/32-14254, eMail: wolfgang.boettcher@ruhr-uni-bochum.de
Dr. Dorothee Meer, GB 3/33, Tel.: 0234/32-22582, Fax: 0234/32-14254, eMail: meerkrafft@t-online.de
FriederikeBergstedt, M.A., Projektstelle „Qualität der Lehre“, UV 3/376, Tel.: 0234/32-22928, eMail: friederike.bergstedt@ruhr-uni-bochum.de
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