Wenn verschachtelte Sätze den Leser verwirren

Wenn sich ein Satz in einem Zeitungsartikel über mehrere Zeilen hinzieht, bleibt der Blick des Lesers an bestimmten Wörtern hängen. Schachtelsätze muss das menschliche Gehirn erst mühsam zerlegen, um ihren Sinn zu erfassen.

Was dabei genau passiert, erforscht Vera Demberg im Informatik-Exzellenzcluster der Saar-Uni. Sie hat untersucht, ob die alltägliche Praxis beim Zeitungslesen überhaupt mit den bisherigen Theorien zur Sprachverarbeitung übereinstimmt. Für ihre Forschungsarbeit erhält sie jetzt den mit 10.000 Dollar dotierten Dissertationspreis der US-amerikanischen „Cognitive Science Society“.

Wenn Psychologen und Linguisten erforschen, wie die Sprache im menschlichen Gehirn verarbeitet wird, nehmen sie gerne Beispielsätze, die nur eine bestimmte Art von Satzkonstruktionen beinhalten. Damit ist aber nicht sicher gestellt, ob die daraus entwickelten Theorien zur Sprachverarbeitung auch allgemein zutreffen. Vera Demberg hat sie daher dem Praxistest unterworfen und mit Blickerfassungsdaten der alltäglichen Zeitungslektüre verglichen.

„Bei der Blickerfassung wird untersucht, wie lange das menschliche Auge in einem Text jeweils ein bestimmtes Wort wahrnimmt. Aus der gemessenen Zeit lassen sich Rückschlüsse ziehen, ob der Leser Schwierigkeiten hatte, einzelne Wörter oder Sinnzusammenhängen zu verstehen“, erklärt die Forscherin.

Die Untersuchungsergebnisse glich die Forscherin mit den gängigen Theorien zur Sprachverarbeitung ab und entwickelt daraus ein neues theoretisches Modell. Dieses kann in der Praxis jetzt zum Beispiel dazu dienen, den Schwierigkeitsgrad von Texten festzustellen.

„Für Schüler, die eine Sprache erlernen, könnte man anhand eines solchen Modells Texte auswählen, die ihrem Leistungsstand besser entsprechen“, sagt Vera Demberg. Auch die Kommunikation von Mensch und Maschine könne damit erleichtert werden. So ließen sich damit intelligente Dialogsysteme entwickeln, die in der Lage wären, die Schwierigkeit von Dialogen zu bewerten und sich an das Niveau des Kommunikationspartners anzupassen. „Auch ein Navigationsgerät könnte sich dann unterschiedlich verhalten, je nachdem wie stark der Autofahrer sich gerade auf den Straßenverkehr konzentrieren muss“, erklärt die promovierte Computerlinguistin.

Vera Demberg leitet seit Oktober 2010 eine eigene Forschergruppe im Saarbrücker Exzellenzcluster „Multimodal Computing and Interaction“. Sie beschäftigt sich dort mit Modellen der menschlichen Spracherzeugung und deren Anwendung auf Dialogsysteme. Ihren Forschungsschwerpunkt sieht sie an der Schnittstelle zwischen Computerlinguistik, Informatik und Psycholinguistik.

Hintergrund: Der Dissertationspreis „Cognitive Science Society“
Der Dissertationspreis wird von der amerikanischen „Cognitive Science Society“ und der „Glushko-Samuelson Foundation“ vergeben und zeichnet bis zu fünf Doktorarbeiten jährlich aus. Er wird erstmals im Juli 2011 während der Cognitive Science Konferenz in Boston verliehen. Ausgezeichnet werden bahnbrechende Erkenntnisse im Bereich der Kognitionswissenschaft, die durch ihren interdisziplinären Ansatz zu einem besseren Verständnis von menschlicher Kommunikation und Kognition in intelligenten Systemen führen soll.

Fragen beantwortet:

Dr. Vera Demberg
Tel. 0681/302-70024
vera@mmci.uni-saarland.de
Pressekontakt:
Markus M. Frey
Tel. 0681/302-70164
M.frey@informatik-saarland.de
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Friederike Meyer zu Tittingdorf idw

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