Das deutsche Forschungssystem braucht die Leibniz-Institute
Der Wissenschaftsrat beendet seine Evaluation der Einrichtungen der „Blauen Liste“ und zieht nach fünf Jahren eine anerkennende Bilanz
Bonn. Die Institute der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz sind aus der jetzt beendeten Bewertung der „Blaue-Liste-Institute“ durch den Wissenschaftsrat gestärkt hervorgegangen und haben an Reputation und Selbstbewusstsein gewonnen. In den letzten fünf Jahren hat sich jedes der ehemals über 80 Leibniz-Institute einer strengen unabhängigen Qualitätsbewertung seiner Arbeit unterzogen. Der Wissenschaftsrat hat am 21.11.2000 eine Zusammenfassung seiner dabei gewonnenen Ergebnisse vorgelegt und übergreifende Fragen zur Funktion der Leibniz-Institute und der Leibniz-Gemeinschaft im deutschen Forschungssystem beantwortet. So bekräftigt die „Systemevaluation der Blauen Liste“ den festen Platz der Leibniz-Institute im deutschen Forschungssystem. „Die Blaue-Liste-Einrichtungen werden im deutschen Forschungssystem gebraucht“, schreibt der Wissenschaftsrat. Leibniz-Präsident Frank Pobell sagte in einer ersten Stellungnahme: „Die Leibniz-Gemeinschaft fühlt sich gut verstanden und gerecht beurteilt.“
Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören 78 außeruniversitäre Forschungs- und Serviceeinrichtungen für die Forschung. Das Spektrum der Leibniz-Institute ist breit und reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Sozial- und Raumwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften und Museen mit angeschlossener Forschungsabteilung. Die Institute arbeiten nachfrageorientiert und interdisziplinär. Sie sind von überregionaler Bedeutung, betreiben Vorhaben im gesamtstaatlichen Interesse und werden deshalb von Bund und Ländern gemeinsam nach dem Modell der „Blauen Liste“ gefördert. Bis auf eine Einrichtung haben sich alle Blaue-Liste-Institute in der 1995 gegründeten Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz zusammengeschlossen.
Der Wissenschaftsrat hatte zu prüfen, ob diese Blaue-Liste-Finanzierung sinnvoll ist. Erst unlängst hatte der Bundesrechnungshof die gemeinsame Bund-Länder-Förderung als umständlich und ineffizient kritisiert. Die Autoren des Abschlussberichts sind anderer Ansicht: Die Qualität der wissenschaftlichen Leistungen rechtfertige den „Koordinierungsaufwand“ zwischen Bund und Ländern bei der Förderung der Leibniz-Institute. Der Wissenschaftsrat empfiehlt, die gemeinsame Förderung weiter fortzuführen. Frank Pobell: „Eine erfreuliche Empfehlung.“
Die externe Qualitätsbewertung der einzelnen Institute hatte weitreichende Konsequenzen, zu denen sogar Institutsschließungen gehören. Sie ist in der deutschen Wissenschaft bisher ohne Beispiel. Die Evaluation soll nach den Vorstellungen der Leibniz-Gemeinschaft und des Wissenschaftsrates auch in Zukunft in regelmäßigen Abständen stattfinden und den Kern eines umfassenden Qualitätsmanagements für die Forschung bilden. Der Wissenschaftsrat empfiehlt Bund und Ländern, den unabhängigen Senat der Leibniz-Gemeinschaft mit der Qualitätsbewertung der Leibniz-Institute zu betrauen. „Der Senat steht bereit, die Aufgabe zu übernehmen“, sagt Frank Pobell. Diese Empfehlung des Wissenschaftsrates sei für die Weiterentwicklung der Leibniz-Gemeinschaft von besonderer Tragweite.
Nach den Vorstellungen des Leibniz-Senats sollen die Einzelevaluationen in der Regel alle acht Jahre stattfinden, sich am bewährten Verfahren des Wissenschaftsrates orientieren, im Detail aber flexibler werden. „Die Leibniz-Gemeinschaft ist auf dem richtigen Weg“, stellt Frank Pobell fest. Die erstmalige Schaffung eines integrierten, umfassenden und kontinuierlichen Systems des Qualitätsmanagements für öffentlich geförderte Forschungseinrichtungen sei eine einzigartige Leistung der Leibniz-Gemeinschaft. Das Qualitätsmanagement hat auch eine betriebswirtschaftliche Seite. „Wir werden Kosten-/Leistungsrechnung und Programmbudgets bis Ende 2002 in allen Leibniz-Einrichtungen einführen“, erklärt Frank Pobell.
Der Wissenschaftsrat lobt die innere Entwicklung der Gemeinschaft in den vergangenen Jahren. Die wissenschaftliche Zusammenarbeit der Leibniz-Institute untereinander in Sektionen und Forschungsverbünden sei gut vorangekommen. Auch die Kooperation mit Hochschulen und anderen außeruniversitären Partnern könne sich sehen lassen. Beides solle weiter gepflegt und ausgebaut werden. Eine Trägerorganisation soll die Leibniz-Gemeinschaft aber nicht werden. „Das wollen wir auch gar nicht“, stellt Frank Pobell fest. „Die Leibniz-Gemeinschaft ist und bleibt ein Verband selbstständiger Institute. Wir müssen allerdings die übergreifenden Strukturen soweit nötig weiter stärken.“
Die Systemevaluation enthält nach den Worten Frank Pobells aber auch kritische Aussagen. So sei die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft noch nicht ausgeprägt genug und auch die Zahl der Patentanmeldungen zu gering. „Wir werden die Empfehlungen des Wissenschaftsrates in den nächsten Wochen gründlich studieren und in den Gremien die nächsten Schritte beraten. Die Systemevaluation ist ein Meilenstein, aber die eigentliche Arbeit geht jetzt erst los.“
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