Typ-2-Diabetes weltweit auf dem Vormarsch
In den letzten 30 Jahren stieg die Zahl der Erwachsenen, die an Typ-2-Diabetes leiden, um mehr als das Doppelte. Es handelt sich dabei um eine vermeidbare Krankheit, die im direkten Zusammenhang mit Übergewicht steht.
Weltweit hat heute jeder zehnte Erwachsene (347 Millionen Menschen) Diabetes. Fettleibigkeit und Diabetes gelten als Armutskrankheiten in unseren heutigen Wohlstandsgesellschaften. Die schockierenden Statistiken zeigen, was passiert, wenn der Fortschritt dem Einzelnen gegenüber versagt.
Besonders deutlich wird dies am Beispiel der USA, wo sich die Zahl der Übergewichtigen und Diabetiker stetig erhöht. Insgesamt 25,8 Millionen Amerikaner leiden an Diabetes und 79 Millionen Menschen an so genannter Prädiabetes. Vor allem arme und ungebildete Menschen sowie Minderheitengruppen sind davon betroffen.
Aktuell sind in Mississippi – mit einem durchschnittlichen Haushaltseinkommen von 25.000 Euro pro Jahr der ärmste Bundesstaat der USA – mehr als 70 Prozent der Erwachsenen und 44 Prozent der Kinder fettleibig oder übergewichtig. 12 Prozent der Erwachsenen sind an Diabetes erkrankt. Noch vor 15 Jahren betrug der Anteil an Übergewichtigen dort 19,4 Prozent. In keinem anderen Staat der USA lebten damals mehr fettleibige Menschen. Heute beträgt der Anteil in Colorado, dem US-Bundesstaat mit der geringsten Übergewichtsrate, bereits 19,8 Prozent.
Auch Australien weist einen ähnlich verheerenden Trend auf. Im vergangenen Jahr fand die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) heraus, dass sich die Übergewichtsrate in Australien im Vergleich zu anderen Industriestaaten am schnellsten erhöht. Eine Million Australier haben Diabetes und weitere zwei Millionen – vor allem Aboriginals – laufen Gefahr, daran zu erkranken. In den ärmeren Gegenden des Bundesstaates New South Wales hat sich der Anteil an Diabetespatienten in den letzten fünf Jahren um bis zu 40 Prozent erhöht.
Dieser Trend wirkt sich verheerend auf das Gesundheitsbudget und die Produktivität Australiens und der USA aus. Experten sprechen bereits von einer regelrechten Diabetesepidemie, die die wirtschaftlichen Gewinne der letzten Jahre zunichte machen und eine ernste Gefahr für die nationale und internationale Wirtschaft darstellen könnte.
Länder im geopolitischen Einflussbereich der beiden Nationen sind am meisten davon betroffen. Denn während Australien und die USA selbst alle Hände voll zu tun haben, Fettleibigkeit zu bekämpfen, Haushaltskrisen zu meistern und Gesundheitsreformen voranzutreiben, nehmen sie im Kampf gegen Übergewicht und den gesundheitlichen Folgen auch auf den Pazifikinseln, in Asien und auf dem indischen Subkontinent eine Schlüsselrolle ein.
In China litt das Gesundheitswesen unter dem enormen wirtschaftlichen Wachstum. Heute leben dort mehr Diabetiker als in jedem anderen Land. 92 Millionen Chinesen sind an Diabetes erkrankt und weitere 150 Millionen leiden an Prädiabetes. Während in Indien schätzungsweise 50 Millionen Menschen von der Krankheit betroffen sind, hat sich die Diabetesrate in Malaysia in den letzten 20 Jahren um 250 Prozent erhöht und jeder siebte Erwachsene hat Diabetes. In der indonesischen Hauptstadt Jakarta leiden etwa 12 Prozent der Menschen an der chronischen Stoffwechselstörung.
Die verarmten Pazifikstaaten, die von Australien und den USA vielfältige Unterstützung erfahren, weisen die dramatischste Zunahme von Diabeteserkrankungen auf. Auf einigen Inseln leiden mehr als ein Drittel der Bewohner an der Krankheit. Außerdem zählen fünf Golfstaaten zu den zehn Ländern mit der höchsten Diabetesrate weltweit.
Obgleich Asiaten weniger zu Übergewicht neigen, haben die schnelle wirtschaftliche Entwicklung, der Verzehr von mehr Milch- und Fleischprodukten und immer weniger Bewegung auch bei ihnen zu einem größeren Hüftumfang geführt. Bauchfett beeinträchtigt den Stoffwechsel und die Insulinverwertung unseres Körpers. Zwar haben die Einwohner asiatischer Länder im Allgemeinen weniger Körpermasse, dennoch erkranken sie im Vergleich zu den Einwohnern westlicher Länder weitaus häufiger an Diabetes. Außerdem bricht die Krankheit in Asien weitaus früher aus, was sich durch das häufige Auftreten schwangerschaftsbedingter Diabetes und des metabolischen Syndroms (ein Vorbote von Diabetes) bei Kindern zusätzlich bemerkbar macht.
Weltweit wurden im Jahr 2010 für die Behandlung von Diabetes etwa 273 Milliarden Euro aufgebracht, was einem Anteil von 11,6 Prozent an den gesamten Ausgaben für Gesundheit und Pflege entspricht. Obgleich 70 Prozent der Diabetespatienten in ärmeren Ländern leben, wurden mehr als 80 Prozent des Geldes in den reichsten Nationen der Welt ausgegeben. In Indien wurden lediglich 2,03 Milliarden Euro für Diabetesbehandlungen bereitgestellt.
In China werden schätzungsweise 14 Prozent des Gesundheitsbudgets für die Behandlung von Diabetespatienten verwendet. Als Folge der Stoffwechselerkrankung verringert sich die Produktivität des Landes und das Bruttoinlandsprodukt schrumpft um etwa 1,5 Prozent.
In Entwicklungsländern wird aufgund der hohen Behandlungskosten im wesentlichen durch Vorsorge und frühe Intervention die Krankheit langfristig in den Griff zu bekommen sein. Hierfür könnten finanzielle Mittel, die bislang für Industrie und Militär verwendet werden, beispielsweise in den landwirtschaftlichen und gesundheitlichen Sektor umgelenkt werden. Weder Australien noch die USA gehen hier mit gutem Beispiel voran, denn beide Nationen wenden weniger als 3 Prozent ihres gesamten Gesundheitsbudgets für Vorsorge auf.
Die Hände in den Schoß zu legen, ist selbstverständlich keine Option. Denn erst kürzlich betonte das Weltwirtschaftsforum, dass nicht-übertragbare Krankheiten, wie Diabetes, zu den drei größten Gefahren für die weltweite Wirtschaft und somit für die weltweite Stabilität zählen.
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