Leben mit dem "schwarzen Tod"
Forschungsprojekt zur Seuchenbekämpfung im Mittelalter an der Universität Münster
Die Pest entvölkerte Mitte des 14. Jahrhunderts ganze Städte Europas und versetzte die Menschen in apokalyptische Angst. Da es gegen den Schwarzen Tod kein wirksames Mittel gab, suchten die Menschen seine Ursache in schlechten Ausdünstungen oder im Zorn Gottes über die menschliche Verderbtheit. Die Seuche prägte das Lebensgefühl der Menschen bis weit in die frühe Neuzeit hinein.
Dr. Kay Peter Jankrift und Prof. Dr. Richard Toellner vom Institut für Theorie und Geschichte der Medizin der Universität Münster haben in Verbindung mit dem Institut für vergleichende Städtegeschichte im Rahmen des Projektes „Formen, Strukturen und Entwicklungen mittelalterlicher Seuchenbekämpfung in regionalen Kontexten“ schriftliche Quellen und archäologische Funde erforscht, die Aufschluss über die Bekämpfung der gefährlichen und ansteckenden Infektionskrankheiten des Mittelalters geben. Das Projekt, das sich auf Westfalen und das Rheinland konzentriert, wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Die beiden Wissenschaftler haben vor allem die Besonderheiten lokaler gesellschaftspolitischer Maßnahmen gegen Epidemien beschrieben. Sie zeigen die individuellen Eigenarten, das Wesen eines möglichen problembezogenen Erfahrungsaustauschs mit benachbarten Städten und die gegenseitige Beeinflussung in der Wahl der angewandten Maßnahmen zu Prophylaxe und Bekämpfung von Seuchen. Einige Faktoren allerdings, die die Verbreitung der Seuche beeinflussten, wie beispielsweise das Klima, unterscheiden sich nicht so grundsätzlich wie dies etwa bei einem Vergleich zwischen Venedig und Lübeck der Fall wäre.
Der Umgang mit der Pest scheint mit der Zeit nahezu ein Bestanteil städtischer Normalität geworden zu sein. Den Reaktionen auf den Schwarzen Tod liegt in allen untersuchten Städten ein ähnliches Handlungsmuster zu Grunde, das durch einige lokale Besonderheiten ergänzt wird. Allerorts finden sich immer wieder Hinweise auf die Flucht von Teilen der Bevölkerung sowie geistlicher und weltlicher Autoritäten. Besonders während des 16. Jahrhunderts häufen sich städtische Verordnungen, die das Verhalten in Seuchenzeiten regeln sollten. Bittprozessionen und -messen zur Abwendung des Unheils lasen sich in steter Regelmäßigkeit belegen. Unterschiede finden sich im medizinischen Umgang mit der Pest. Sie reichen von der gelegentlichen Beschäftigung eines städtischen Arztes in Soest bis zur Einrichtung von Häusern zur Aufnahme Pestkranker wie in Münster.
Maßnahmen zur Verbesserung der hygienischen Bedingungen in einer Stadt wie dem mittelalterlichen Dortmund sowie fortschrittliche Wasserversorgungssysteme in Aachen, Essen und Paderborn haben vermutlich die Häufigkeit des Auftretens von Seuchen beeinflusst. Die hygienischen Verhältnisse in den Städten waren höchst unterschiedlich und unterlagen immer wieder Veränderungen. Offensichtlich trugen auch Massenveranstaltungen wie Jahrmärkte, Messen und Wallfahrten, die viele Menschen anzogen, zur Verbreitung infektiöser Krankheiten bei.
Die Studie berücksichtigt außer der immer wieder neu ausbrechenden Pest auch Krankheiten wie die Lepra und das „Antoniusfeuer“, von denen die erste nach der modernen medizinischen Definition eigentlich keine Seuche, die zweite keine Infektionskrankheit ist. Darüber hinaus untersuchten Jankrift und Toellner auch das erste Auftreten der Syphilis zum Ende des 15. Jahrhunderts sowie den „Englischen Schweiß“ des Jahres 1529.
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