Europaweites Projekt: Zucker sollen Bakterien jeden Halt nehmen
Die Erreger von Infektionskrankheiten werden in Zukunft vielleicht mit Hilfe von Zuckern bekämpft. Auf dieses Ziel arbeitet das europaweite Forschungsprojekt „Polycarb“ hin. Von deutscher Seite sind Wissenschaftler vom Institut für Molekulare Infektionsbiologie der Uni Würzburg beteiligt. Sie erhalten für ihr Projekt von der Europäischen Union fast 400.000 Euro.
Die Biologen Prof. Dr. Jörg Hacker und Dr. Abdulsalam Khan erforschen, wie sich Bakterien an Oberflächen anheften. Dieses „Fuß fassen“ in anderen Organismen ist in der Regel der erste Schritt einer Infektion, und Bakterien tun ihn zumeist mit besonderen Proteinen: Mit den so genannten Haftfaktoren können sie bestimmte Strukturen (Rezeptoren) auf anderen Zellen erkennen und diese gewissermaßen als Ankerplätze nutzen.
Manche dieser kleinen Häfen sind mit speziellen Zuckermolekülen bestückt. Gerade sie werden sehr häufig von Krankheitserregern angelaufen. Mit diesen ganz speziellen Zuckern sollten sich die Haftfaktoren von Bakterien blockieren lassen. Das würde dazu führen, dass sich die Erreger im Körper nicht festhalten können und auf natürlichem Weg mit dem Urin oder Kot ausgeschieden werden.
Wie Dr. Khan sagt, läuft dieser Vorgang auch in der Natur ab: Bestimmte Durchfall-Erreger haben zum Beispiel bei erwachsenen Schweinen keine Chance, weil deren Darmschleimhaut einen löslichen Rezeptor abgibt, der sich an den Haftfaktoren der Erreger festsetzt. Damit endet der Invasionsversuch der Bakterien auf dem Misthaufen.
Doch bevor eine „Zucker-Therapie“ als Alternative zu Antibiotika realisiert werden kann, müssen die Wechselwirkungen zwischen den Bakterien und ihren zuckerhaltigen Ankerplätzen sehr genau analysiert werden. Die Würzburger Forscher haben sich dabei auf Escherichia-coli-Bakterien spezialisiert, welche die Harnwege infizieren. Die Projektpartner in England arbeiten mit dem Magenbakterium Helicobacter, während man in Finnland Streptokokken erforscht, die Lungenkrankheiten bei Rindern auslösen.
Die Wissenschaftler verfolgen aber noch ein weiteres Ziel: Sie wollen viele verschiedene bakterielle Haftfaktoren oder Teile davon auf Chips anordnen. Damit könnten sie dann untersuchen, welche Zucker mit den Haftfaktoren von Krankheitserregern eine Verbindung eingehen. Andererseits könnten sie die Chips auch mit Zuckern bestücken und hätten dann ein Instrument an der Hand, mit dem sich die Erreger von Infektionen schnell und zuverlässig identifizieren lassen.
Am EU-Forschungsprojekt „Polycarb“ sind neben den Wissenschaftlern vom Institut für Molekulare Infektionsbiologie Arbeitsgruppen aus Finnland, Holland, Dänemark und England beteiligt.
Weitere Informationen: Prof. Dr. Jörg Hacker, T (0931) 31-2575, Fax (0931) 31-2578, E-Mail:
j.hacker@mail.uni-wuerzburg.de
Media Contact
Weitere Informationen:
http://www.uni-wuerzburg.deAlle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie
Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.
Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.
Neueste Beiträge
Größte bisher bekannte magnetische Anisotropie eines Moleküls gemessen
An der Berliner Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II ist es gelungen, die größte magnetische Anisotropie eines einzelnen Moleküls zu bestimmen, die jemals experimentell gemessen wurde. Je größer diese Anisotropie ist, desto besser…
Tsunami-Frühwarnsystem im Indischen Ozean
20 Jahre nach der Tsunami-Katastrophe… Dank des unter Federführung des GFZ von 2005 bis 2008 entwickelten Frühwarnsystems GITEWS ist heute nicht nur der Indische Ozean besser auf solche Naturgefahren vorbereitet….
Resistente Bakterien in der Ostsee
Greifswalder Publikation in npj Clean Water. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Instituts für One Health (HIOH) hat die Verbreitung und Eigenschaften von antibiotikaresistenten Bakterien in der Ostsee untersucht. Die Ergebnisse ihrer Arbeit…