Der Entwicklung von Blutzellen auf der Spur
Einer der grundlegenden Prozesse in der Biologie ist die Umsetzung der in den Genen enthaltenen Bauanleitungen in Proteine, den universalen Baustoffen und Maschinen des Lebens.
Zuerst wird dabei eine Bauanleitung von der Sprache der Gene, der DNA, in die Sprache einer transportablen Botenform, der RNA, übersetzt. Die Boten-RNA transportiert diese Information weiter zu den Proteinfabriken der Zelle, den Ribosomen. Diese setzen die Proteine entsprechend dem RNA-Bauplan aus Einzelbausteinen, den so genannten Aminosäuren, zusammen. Die Übertragung der Information von der Boten-RNA in die spezifische Abfolge der Aminosäure-Bausteine der Proteine bezeichnen Biologen als „Translation“, d.h. Übersetzung. Wie die Translation im Einzelnen kontrolliert wird, war bislang weitgehend unbekannt. Jetzt gelang es Dr. Cornelis F. Calkhoven und Dr. Christine Müller aus der Forschungsgruppe von Dr. Achim Leutz vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch in Zusammenarbeit mit Forschern des Klinischen Forschungsinstituts in Montreal/Kanada einen neuartigen Regulationsmechanismus für diese Übersetzung zu entschlüsseln, der eine entscheidende Rolle bei der Bildung verschiedener Blutzellen spielt. Ihre Arbeit ist jetzt in der angesehenen Fachzeitschrift Genes and Development (Vol. 17, No. 8, April 15, 2003)* erschienen.
Dr. Calkhoven und seine Kollegen erforschen ein Gen, in der Fachsprache kurz scl genannt. Das Gen ist für die Entwicklung der Blutbildung entscheidend. Mäuse, denen dieses Gen fehlt, können kein Blutsystem aufbauen und sind deshalb auch nicht lebensfähig. Beim Menschen können Veränderungen im scl-Gen so genannte T-Zell-Leukämien auslösen.
Obwohl die Bauanleitung des gesamten scl-Gens als Boten-RNA in der Zelle vorliegt, wird nicht immer die vollständige Information für die SCL-Proteinproduktion benötigt, sondern unter bestimmten Umständen auch nur eine Teilinformation verwendet. Das führt zur Entstehung unterschiedlich langer SCL-Proteine. Je nachdem, welche dieser Proteinformen in unreifen Blutzellen überwiegt, entwickeln sich diese zu verschiedenen Blutzellarten: zu Blutplättchen (Megakaryozyten oder Thrombozyten genannt – sie sorgen für die Blutgerinnung) oder zu roten Blutzellen (Erythrozyten – sie transportieren den Sauerstoff im Organismus). Wie die Forscher jetzt zeigen konnten, basiert die Entstehung der Blutplättchen auf der gesamten Bauanweisung des scl-Gens, die Entwicklung der roten Blutzellen auf dem verkürzten Bauplan.
Aber wie wissen die Ribosomen, welches Protein sie produzieren sollen? Das Startsignal für die Produktion geben ihnen bestimmte Proteinfaktoren. Wann welche Blutzellform produziert wird, hängt entscheidend davon ab, wie diese Faktoren gesteuert werden. Die Forscher gehen davon aus, dass die Feinsteuerung dieses molekularen Schalters über bestimmte Signalwege für die Blutbildung von großer Bedeutung ist. Sind diese oder ähnliche Regulationsprozesse fehlgeleitet, kann es möglicherweise zu der Entstehung von Leukämien wie zum Beispiel der akuten myeloischen Leukämie und der Megakaryozytischen Leukämie bei Down Syndrom führen.
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