Bakterien fressen Dioxine

Spezielle Mikroorganismen zersetzen die Dioxine, um Energie zu gewinnen

Das Bakterium Dehalococcoides CBDB1 zersetzt Chlordioxine zu weniger toxischen Stoffen, um aus diesem Prozess Energie zu beziehen. Eine Arbeitsgruppe der TU Berlin unter Leitung von Dr. Lorenz Adrian und Mikrobiologen um Dr. Ute Lechner von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg konnten gemeinsam zeigen, dass Reinkulturen dieser Bakterien auch das hochtoxische Seveso-Gift, 2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin dehalogenieren. Darunter versteht man die Abspaltung von Chlor-Atomen als unschädliches Kochsalz. An den Forschungen beteiligt waren auch Analytiker der Universität Halle-Wittenberg und der Gesellschaft für Arbeitsplatz- und Umweltanalytik (GfA) mbH in Straach.

Dehalococcoides CBDB1 ist zudem in der Lage, problematische Chlorbenzole zu dechlorieren. Nach einem Bericht des Wissenschaftsmagazins nature (Heft 421, Seiten 357-360) steht nun der Weg offen, mit hochchlorierten Benzolen oder Dioxinen belastete Industrieflächen oder Böden zu sanieren. „Allerdings sind dazu noch viele weitere Forschungen notwendig“, sagt Dr. Lorenz Adrian von der TU Berlin. „Erst wenn wir die Lebensweise der Bakterien besser verstehen, wissen wir, ob sich dieser Prozess technisch nutzen lässt.“

Polychlorierte Dioxine gehören wegen ihrer Toxizität und ihrer Beständigkeit in der Umwelt zu den gefährlichsten Umweltgiften. Sie entstehen bei Verbrennungsprozessen wie zum Beispiel in Müllverbrennungsanlagen, Krematorien oder bei Bränden. 2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin geriet 1976 durch einen schrecklichen Brand im italienischen Seveso in die Schlagzeilen. Dort wandelten sich chlorphenolhaltige Substanzen in den Flammen zu Dioxinen um. 1999 wurde in Belgien ein Skandal durch mit Dioxin verseuchtem Tierfutter ausgelöst.

Die verschiedenen Chlordioxine werden in der Umwelt nur extrem langsam abgebaut. Sie sammeln sich im menschlichen Fettgewebe und zum Beispiel in der Muttermilch an. Den Mikrobiologen von der Universität Halle-Wittenberg war es vor drei Jahren gelungen, aus dem Schlamm des Flüsschens Spittelwasser bei Halle und Bitterfeld eine bakterielle Mischkultur anzureichern, die chlorierte Dioxine unter Luftabschluss (anaerob) zersetzt und somit entgiftet. Die Hallenser Gruppe konnte seinerzeit zeigen, dass in dieser Kultur ein Bakterium vorkam, das dem kurz zuvor an der TU Berlin isolierten Dehalococcoides CBDB1 ähnelte. Wie jetzt gezeigt, gewinnt das stark spezialisierte Bakterium CBDB1 seine Lebensenergie aus der Zersetzung von Dioxin.

Nähere Informationen:

Dr. Lorenz Adrian
Technische Universität Berlin
Fakultät III, Fachgebiet Technische Biochemie
Sekretariat GG1, Seestraße 13, 13353 Berlin
Telefon und Fax: 030 – 314-27509
E-Mail: lorenz.adrian@tu-berlin.de

Media Contact

Ramona Ehret idw

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Tropfsteine geben Auskunft über die Dynamik des Klimas in Europa

Geowissenschaftler untersuchen Stalagmiten in rumänischer Höhle, um regionale Niederschlagsmuster zu rekonstruieren. Dynamische Prozesse in der atmosphärischen Zirkulation wie der Nordatlantische Jetstream haben Einfluss auf regionale Veränderungen des Niederschlags. Das zeigen…

Torffreie Blumenerde soll Moore schützen

Herkömmliche Blumenerden und andere Gartensubstrate enthalten meist Torf, der aus Mooren gewonnen wird. Der Torfabbau setzt jedoch große Mengen CO2 frei. Um Moore, die darin vorhandene Artenvielfalt und das Klima…

Erwärmung verschärft Sauerstoffmangel in der westlichen Ostsee

Steigende Wassertemperaturen zehren Erfolge bei der Nährstoffverringerung auf. Überdüngung und steigende Wassertemperaturen setzen der Ostsee immer mehr zu: Sie führen zu einem gefährlichen Sauerstoffmangel in den tieferen Wasserschichten, was viele…