Auf dem Weg zum Nano-Chip
Wissenschaftler am Berliner Max-Born-Institut habe erstmals Y-förmige einwandige Kohlenstoff-Nanoröhrchen nachgewiesen. Eine mögliche Alternative für die Elektronik der Zukunft. Weltrekord der Dünnwandigkeit.
BONN/BERLIN. Rund alle 18 Monate verdoppelt sich bislang die Zahl der Transistoren pro Flächeneinheit auf einem Computer-Chip. Die kleinsten Bauelemente sind heute nur mehr ein paar hundert Nanometer groß. Sehr viel kleiner wird es in der Mikroelektronik nicht mehr gehen, weil die weitere Miniaturisierung aufgrund der physikalischen Beschränkung der Herstellungsverfahren an ihre Grenzen gestoßen ist. Die Nanotechnik könnte diese Grenzen überwinden. Auf dem Weg zu einer möglichen Alternative für die Elektronik der Zukunft ist die Wissenschaft jetzt einen entscheidenden Schritt vorangekommen. Forscher des Berliner Max-Born-Instituts für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie (MBI) haben erstmals das komplizierte Wachstum von einwandigen Y-förmigen Nanoröhrchen auf Kohlenstoff-Basis nachgewiesen. Solche Röhrchen könnten besonders für den Einsatz als Schalter, in Transistoren oder als dünnste „Drähte“ zur Vernetzung von Bauteilen von Bedeutung sein, sagt MBI-Forscher Rudolf Ehlich. Dies würde eine weitere Verkleinerung von Schaltkreisen ermöglichen.
Noch vor 15 Jahren hatte die Forschergemeinde geglaubt, in der Welt des Kohlenstoffs sei alles geklärt – und sich gründlich getäuscht. 1985 entdeckten Sir Harold W. Kroto, Richard E. Smalley und Robert F. Curl mit den Fullerenen eine neue Modifikation des Kohlenstoffs – neben Graphit und Diamant. Der staunenden Öffentlichkeit präsentierten sie diese Kohlenstoffmoleküle, die in der Form eines Fußballs aus Sechs- oder Fünfecken aufgebaut sind. Die stabilsten von ihnen enthalten genau 60 Kohlenstoffatome und haben einen Durchmesser von rund einem Nanometer (millionstel Meter). Die drei Forscher erhielten dafür 1996 den Nobelpreis für Chemie. 1991 wies dann der japanische Wissenschaftler Sumio Iijima erstmals die Nanoröhrchen nach. Bei ihnen formieren sich die Kohlenstoffatome als ein Gerüst von Sechsecken zu winzigen langgestreckten Hohlzylindern. Nanoröhren können bis zu 100 Mikrometer (tausendstel Meter) lang werden. Ihre Durchmesser reichen von weniger als einem bis zu weit über 100 Nanometer, je nachdem wie viele der Röhrchen ineinander gesteckt werden. Für die Miniaturisierung in der Mikroelektronik sind besonders die einwandigen Röhrchen, deren Wachstum die MBI-Forscher jetzt mit Hilfe eines Rastertunnelmikroskops nachgewiesen haben, von besonderem Interesse. „Etwa zur gleichen Zeit berichtete eine andere Arbeitsgruppe über die Herstellung mehrwandiger und damit dickerer Röhren“, erklärt Ehlich. Der Weltrekord bezüglich dünner Y-Röhren liegt jedoch bei den Berliner Physikern.
Innerhalb der Nanoröhren bilden Knoten beziehungsweise Verzweigungen „strategische Punkte“. Solche Y-Formen könnten „als Tore in mikroelektronischen Schaltungen dienen“, erläutert Ehlich. Diese Röhren können metallisch leitend oder Halbleiter sein; durch die Einführung von Gitter“defekten“ kann eine halbleitende Röhre nahtlos mit einer metallischen Röhre verbunden sein. Das, was die Wissenschaftler weltweit und anhaltend an den Nanostrukturen auf Kohlenstoffbasis so fasziniert, ist zum einen die fast unbegrenzte „Verfügbarkeit“ des Kohlenstoffs, zum anderen die Wandelbarkeit der Eigenschaften – als Isolator, Halbleiter, Supraleiter oder Elektronen“fänger“. Kohlenstoffröhrchen können auch Wasserstoffmoleküle speichern und werden daher als „Tanks“ für Brennstoffzellen diskutiert. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Röhrchen mit Atomen oder Molekülen – etwa von Pharmazeutika – zu füllen.
Weitere Informationen bei Dr. Rudolf Ehlich, Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie (MBI), Max-Born-Str. 2A, 12489 Berlin, Tel. 030/6392-1213, E-Mail: ehlich@mbi-berlin.de
Das MBI gehört zusammen mit 77 anderen außeruniversitären Forschungs-Einrichtungen zur Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz e.V. (WGL). Das Spektrum der Leibniz-Institute ist breit und reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Sozial- und Raumwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften und Museen mit angeschlossener Forschungsabteilung. Die Institute arbeiten nachfrageorientiert und interdisziplinär. Sie sind von überregionaler Bedeutung, betreiben Vorhaben im gesamtstaatlichen Interesse und werden deshalb von Bund und Ländern gemeinsam gefördert. Näheres unter: http://www.wgl.de.
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