Die Spermien-Lotterie – wie Stichlinge auf sexuelle Konkurrenten reagieren
Um den eigenen Fortpflanzungerfolg zu vergrößern, greifen männliche Stichlinge zu einem ungewöhnlichen Trick: Zoologen der Universität Bonn konnten feststellen, dass die Tiere erheblich mehr Spermien über die Eier des Weibchens ausschütten, wenn sich ein möglicher Konkurrent in der Nähe befindet. Die Ergebnisse der Wissenschaftler sind jetzt im Journal of Behavioral Ecology and Sociobiology erschienen.
Die Anmache verlief zunächst erfolgreich: Erst zeigte er ihr seinen roten Bauch, dann tanzte er vor ihrer Nase hin und her, schließlich folgte sie ihm zu seinem Nest. Dort massierte er mit sanften Stößen seiner Schnauze ihren Schwanzansatz, bis sie ablaichte und davonschwamm. Nun schlüpfte er selbst ins Nest und ejakulierte über dem Laich. Doch was der Stichling-Mann nicht bemerkt hatte: ein Konkurrent, ein sogenannter „Sneaker“ (zu deutsch „Schleicher“), hatte sich verstohlen hinter den beiden hergeschlichen. Sobald das Männchen das Nest verließ, ergriff der Nebenbuhler die Chance beim Schopfe, schwamm ebenfalls über den Laich und besamte ihn mit seinen Spermien. Es gelang ihm, einen Teil der Eier zu befruchten – einige Stichlingskinder würden fortan seine Gene tragen.
„Evolutiv gesehen sind derartige Kuckuckseier für den Nestbesitzer mit hohen Kosten verbunden“, erklärt der Zoologe Dr. Marc Zbinden, der in Bonn zu diesem Thema promoviert hat und nun an der Universität Fribourg forscht. Denn der Nestinhaber muss sich zwei Wochen lang intensiv um den Laich kümmern, ihm sauerstoffreiches Wasser zufächeln und abgestorbene Eier entfernen, bevor sie von Pilzen besiedelt werden – „ein harter Job, der ihn rund zwei Drittel seiner Zeit kostet.“ Den gebürtigen Schweizer interessiert, wie das Männchen seinen Fortpflanzungserfolg bei Anwesenheit eines solchen „Schnorrers“ optimiert. Er konfrontiert es zu diesem Zweck mit einem virtuellen Konkurrenten – einem computeranimierten Stichling, der von Dr. Reto Künzler an der Universität Bern in Zusammenarbeit mit Zbindens Doktorvater Professor Dr. Theo Bakker entwickelt wurde. Vorteil des e-Stichlings: Aussehen, Größe und Verhalten können im Rechner beliebig verändert werden.
Der Zoologe führte einem Stichling-Männchen einen kurzen Film vor, der entweder einen balzendes Computer-Männchen zeigte oder aber eines bei der Brutpflege. „Während der Brutpflege stellen Männchen keine Gefahr für ihre Artgenossen dar“, meint Dr. Zbinden, „dazu haben sie vermutlich gar keine Zeit. Ein Stichling in der Balz ist dagegen ein potenzieller Sneaker.“ Danach setzte er ein Weibchen zu ihm ins Becken und zählte nach der Besamung die Spermien im Nest. Ergebnis: Zeigte der Film den balzenden Stichling, lag die Spermienzahl nachher im Durchschnitt um 75 Prozent höher, als wenn das brutpflegende Männchen zu sehen war. Mehr Spermien bedeuten aber auch eine höhere Befruchtungsquote: „Bei einer Verlosung hat auch derjenige die größten Erfolgsaussichten, der die meisten Lose kauft.“ Dass Stichlingsmännchen mit ihren Spermien normalerweise haushälterisch umgehen, hat wahrscheinlich ökonomische Gründe: Weil sie nur im Herbst Spermien produzieren, können sie es sich bei der Balz nicht leisten, unnötig verschwenderisch zu sein.
Ansprechpartner:
Dr. Marc Zbinden
Telefon: 0041/26300-8857
E-Mail: marc.zbinden@unifr.ch
Professor Dr. Theo Bakker
Institut für Evolutionsbiologie und Zooökologie
Universität Bonn
Telefon: 0228/73-5750
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