Universelle Regel für Wasserstoff entdeckt

Visualisierung der Defektwellenfunktion eines Wasserstoffatoms, welches mit einem Halbleiter (CdTe) wechselwirkt. Wasserstoff (gelb) bindet mit einem Cd-Atom (grün) und bricht dadurch die Bindung zwischen einem Cd und einem Te-Atom (blau). Die transparenten Kugeln markieren die Positionen der Atome im idealen Gitter. Die rosafarbene Fläche zeigt die berechnete Wellenfunktion. Aufbauend auf solchen Rechnungen gelang es, eine universelle Regel für die Ausrichtung der elektronischen Niveaus des Wasserstoffs aufzustellen. <br> <br>Foto: Fritz-Haber-Institut

Wissenschaftler des Fritz-Haber-Instituts und des Palo Alto Research Center/USA finden allgemeines Gesetz, mit dem man vorhersagen kann, wie Wasserstoff die Eigenschaften von Materialien und Lösungen beeinflusst

Wasserstoff ist das am häufigsten vorkommende Element im Universum. Auf der Erde kennen wir es hauptsächlich als Komponente von Wasser (H2O). Doch auf Grund der geringen Größe seiner Atome wird Wasserstoff häufig auch innerhalb von Materialien eingebaut, wo er ganz wesentlich die Materialeigenschaften beeinflusst. Um neue Materialien entwickeln bzw. vorhandene verbessern zu können, wäre es daher wichtig, wenn man verstehen und sogar voraussagen könnte, wie Wasserstoff sich in unterschiedlichen Materialien oder Lösungen verhält. Jetzt haben Wissenschaftler am Fritz-Haber-Institut in Berlin und am Forschungszentrum in Palo Alto/USA (Palo Alto Research Center PARC) mit Hilfe von aufwändigen Computersimulationen überraschend eine universell gültige Regel entdeckt, nach der man künftig präzise vorhersagen kann, wie Wasserstoff die Eigenschaften von so unterschiedlichen Systemen wie Halbleitern, Isolatoren und Lösungsmitteln beeinflusst (Nature, 5. Juni 2003).

Eine der wichtigsten Eigenschaften von Wasserstoff ist seine Fähigkeit, Elektronen aus einem Material aufnehmen bzw. an das Material abgeben zu können. Dank dieser Eigenschaft wirkt Wasserstoff in vielen Materialien wie ein Schwamm er saugt überschüssige Elektronen oder Löcher (fehlende Elektronen) einfach auf. Dieser Effekt wird in der Halbleiterindustrie extensiv genutzt. Beispielsweise bilden sich selbst unter Reinstraum-Bedingungen Defekte, also Unvollkommenheiten, im Material mit häufig fatalen Folgen für die Effizienz und Lebensdauer von Halbleiterbauelementen. Wasserstoff macht solche Defekte dank seines schwammartigen Charakters unschädlich.

Diese Eigenschaft von Wasserstoff wird jedoch nicht nur in der Halbleiterindustrie genutzt, sondern ist einer der fundamentalsten Prozesse in vielen chemischen und biologischen Reaktionen. Beispiele sind Speichersysteme für Wasserstoff, Brennstoffzellen, Katalysatoren, aber auch die Aktivität von Biomolekülen in Lösungen.

Eine Schlüsselgröße, um dieses Verhalten von Wasserstoff zu beschreiben, ist das so genannte Übergangsniveau (transition energy): Liegt dieses Energieniveau oberhalb des Elektronenreservoirs (chemischen Potentials) der Umgebung, gibt Wasserstoff Elektronen ab, ist es unterhalb, kann Wasserstoff Elektronen aufnehmen. Um dieses Niveau genau zu bestimmen, waren bisher aufwändige Experimente bzw. umfangreiche Rechnungen erforderlich. Eine einfache Regel, die schnelle und unkomplizierte Vorhersagen erlauben würde, gab es nicht.

Chris G. Van de Walle vom Palo Alto Research Center (PARC) im Silicon Valley (Kalifornien) und Jörg Neugebauer vom Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin haben jetzt modernste Hochleistungscomputer genutzt, um diesem Problem auf den Grund zu gehen. Ihre so genannten ab initio aus ersten Prinzipien Simulationen beruhen auf den grundlegenden physikalischen Gesetzen der Quantenmechanik und sind völlig frei von Anpassungsparametern. Ausgerüstet mit diesem äußerst leistungsfähigen theoretischen Werkzeug berechneten sie systematisch die Übergangsniveaus des Wasserstoffs für verschiedenste Materialklassen. Dabei entdeckten sie völlig überraschend, dass diese Niveaus einheitlich ausgerichtet sind sie liegen praktisch auf einer Linie. Diese Ausrichtung ist dabei nicht auf einzelne Materialklassen beschränkt, sondern völlig universell: Sie gilt für so verschiedene Systeme wie Halbleiter, Isolatoren oder sogar für Flüssigkeiten. Zu unserer großen Überraschung stellten wir fest, dass das Übergangsniveau nicht materialabhängig ist, auch wenn der Wasserstoff völlig unterschiedlich in verschiedene Materialien eingebaut wird. Unsere Regel verbindet damit bisher als getrennt betrachtete Gebiete, wie die Materialforschung und die Biochemie des Lebens, sagt Jörg Neugebauer, einer der beteiligten Forscher und Leiter einer Nachwuchsgruppe am Fritz-Haber-Institut.

Dank der Kenntnis dieser universellen Regel ist es in Zukunft viel leichter, dass Verhalten von Wasserstoff in neuartigen bzw. in neu zu entwickelnden Materialsystemen vorauszusagen. Konkrete Anwendungen ergeben sich beispielsweise bei der Entwicklung von ultravioletten Laserdioden, die für die nächste Generation von DVD-Spielern benötigt werden, für die drahtlose Kommunikation, für Wasserstoffspeicher und Brennstoffzellensysteme.

Weitere Informationen erhalten Sie von:

Dr. Jörg Neugebauer
Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft
Berlin-Dahlem
Tel.: 030 8413 – 4826
Fax.: 030 8413 – 4701
E-Mail: neugebauer@fhi-berlin.mpg.de

Media Contact

Dr. Jörg Neugebauer Max-Planck-Gesellschaft

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Sensoren für „Ladezustand“ biologischer Zellen

Ein Team um den Pflanzenbiotechnologen Prof. Dr. Markus Schwarzländer von der Universität Münster und den Biochemiker Prof. Dr. Bruce Morgan von der Universität des Saarlandes hat Biosensoren entwickelt, mit denen…

3D-Tumormodelle für Bauchspeicheldrüsenkrebsforschung an der Universität Halle

Organoide, Innovation und Hoffnung

Transformation der Therapie von Bauchspeicheldrüsenkrebs. Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom) bleibt eine der schwierigsten Krebsarten, die es zu behandeln gilt, was weltweite Bemühungen zur Erforschung neuer therapeutischer Ansätze anspornt. Eine solche bahnbrechende Initiative…

Leuchtende Zellkerne geben Schlüsselgene preis

Bonner Forscher zeigen, wie Gene, die für Krankheiten relevant sind, leichter identifiziert werden können. Die Identifizierung von Genen, die an der Entstehung von Krankheiten beteiligt sind, ist eine der großen…