Verengte Blutgefässe: Basler und Genfer Forscher entwickeln Nanocontainer

Elektronenmikroskopie erlaubt die Abbildung der 100 bis 200 Nanometer grossen, linsenförmigen Nanocontainer. Das Modell links oben zeigt den reduzierten Ordnungsgrad am Äquator der Linse.<br>

Diese Nanogefässe können Medikamente transportieren und sie an den Verengungen gezielt freisetzen. Damit lassen sich die Nebenwirkungen der bisherigen Behandlungen weitgehend vermeiden. Die Resultate wurden in der Fachzeitschrift «Nature Nanotechnology» online veröffentlicht

Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die durch Arteriosklerose verursacht werden, sind heute weltweit die häufigste Todesursache. In der Schweiz sterben jedes Jahr über 20’000 Menschen daran, was 37% aller Todesfälle entspricht. Bereits im jungen Erwachsenenalter entwickeln sich in den Blutgefässen Ablagerungen. Die entstehenden Verengungen werden in der Regel mit Medikamenten wie Nitroglycerin geweitet. Da sich diese aber auf das ganze Blutsystem auswirken, treten bei den heutigen Therapien massive Nebenwirkungen wie der Abfall des Blutdrucks auf.

Mit den in Genf und Basel neu entwickelten Nanocontainern lässt sich die bisherige Behandlung von Grund auf umgestalten: Die intravenöse Injektion eines gefässerweiternden Medikaments beeinflusst nun lediglich die betroffenen Verengungen und nicht auch die übrigen Arterien und Venen. Damit wird das Absinken des Blutdrucks weitgehend verhindert, was während und nach einem Herzinfarkt gezielt zur angestrebten erhöhten Durchblutung des betroffenen Gefässes führt.

Moleküle umgebaut: Linse statt Kugel

Für ihre Entwicklung nutzen die Wissenschaflter die sogenannten Scherkräfte im Blutstrom aus, die an den Verengungen deutlich höher als in gesunden Blutgefässen sind. Ihre Nanocontainer bewegen sich frei durch den normalen Blutstrom, wobei sie sich durch die erhöhte Scherkraft an den verengten Stellen öffnen und ihren Inhalt, das Medikament, lokal freisetzen. Dafür änderten die Forscher die Zusammensetzung von natürlich vorkommenden Molekülen (Phospholipiden), indem sie die Ester-Bindungen durch Amide ersetzten. Die Moleküle werden danach hydratisiert und erhitzt, sodass sich eine «flüssige» Kugel aus Tausenden von ihnen bildet. Beim Abkühlen dieser Kugeln lassen sich Linsen erzeugen. Der verringerte Ordnungsgrad der Moleküle am Linsenäquator führt zu Sollbruchstellen, was die scherkraftinduzierte Medikamentenfreisetzung ermöglicht.

Die Wissenschaftler, ein interdisziplinäres Team aus Medizinern, Physikern und Chemikern, hatten ein Herz-Kreislauf-System mit einer gesunden und einer verengten Arterie modelliert. Die neuartigen Nanocontainer wurden in dieses System injiziert und Proben genommen. Es zeigte sich, dass die Konzentration des Wirkstoffs an verengten Stellen signifikant höher war als in normalen Gefässen. Damit lassen sich die Effizienz und die lokale Dosis der Medikamente beträchtlich steigern. Dieser richtungsweisende Beitrag zur Nanomedizin eröffnet neue Behandlungsstrategien für die zahlreichen Herz-Kreislauf-Patienten.

Originalbeitrag

Margaret N. Holme, Illya A. Fedotenko, Daniel Abegg, Jasmin Althaus, Lucille Babel, France Favarger, Renate Reiter, Radu Tanasescu, Pierre-Léonard Zaffalon, André Ziegler, Bert Müller, Till Saxer and Andreas Zumbuehl
Shear-stress sensitive lenticular vesicles for targeted drug delivery
«Nature Nanotechnology» (published online 10 June 2012) | doi 10.1038/NNANO.2012.84

Weitere Auskünfte

– Prof. Dr. Bert Müller, Biomaterials Science Center der Universität Basel, Tel. +41 (0)61 265 96 60, E-Mail: bert.mueller@unibas.ch
– Dr. Till Saxer, Kardiologie, Universitätsspitäler Genf, Tel. +41 (0)79 677 11 91, E-Mail: till.saxer@hcuge.ch

– Dr. Andreas Zumbuehl, Departement für Organische Chemie, Universität Genf, Tel. +41 (0)22 379 67 19, E-Mail: andreas.zumbuehl@unige.ch

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Christoph Dieffenbacher Universität Basel

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