Lässige Businessfrauen, liebevolle Väter

Von Rüdiger Kurtz

16 Jahre lang hat Klementine als Waschmittel-Frontfrau in strahlend weißer Latzhose wissbegierigen Hausfrauen gezeigt, wie die Wäsche besonders sauber wird. Die pfiffige Klempnerin musste erst Mitte der 80er Jahre „cooleren“ Werbebotschaften weichen. Heutzutage hätte sie es vermutlich mit dem einen oder anderen Vater zu tun. „Die Entwicklung zur Gleichstellung von Frau und Mann spiegelt sich in aktuellen Werbebildern wider“, lautete die Ausgangsthese, die Marketingexpertin Susanne Stark von der Hochschule Bochum in einem Forschungsprojekt untersucht hat. Gemeinsam mit ihrem Team aus Masterstudierenden wollte sie herausfinden: Ist dem so oder sind wir nach wie vor traditionellen Geschlechterstereotypen ausgesetzt?

„Sicherlich ist das kein neues Thema“, gibt die Bochumer Wirtschaftsdozentin gerne zu, „aber es bleibt ein ewig junges Thema, da sich das Geschlechterbild in der Werbung ständig verändert.“ Schließlich sei es kein Geheimnis, dass die Gleichstellung von Mann und Frau durch Werbung gleichermaßen gestützt und behindert werden könne. So erfolgte nach den prüden 50er und 60er Jahren die „sexuelle Revolution“, nackte Haut in Werbeanzeigen wurde möglich. Umgekehrt unterstützten die Werbebilder die sexuelle Freizügigkeit. In den letzten 50 Jahren ist der Einfluss der Werbung weiter gewachsen. Selbst zügiges Umschalten oder Umblättern schützt kaum noch vor der allgegenwärtigen Werbeindustrie. Etwa 30 Milliarden Euro werden in Deutschland derzeit jährlich in Werbung investiert. Durchschnittlich 48 Sender stehen jedem deutschen Haushalt zur Verfügung, über 900 Zeitschriftentitel sind erhältlich – und der Werbeanteil in Print- und TV-Medien ist beträchtlich.

Gemeinsam mit ihrem Team aus neun Wirtschaftsstudierenden hat Susanne Stark die verschiedenen Kriterien weiblicher und männlicher Personendarstellungen in Werbeanzeigen und Werbespots untersucht. Neben Alter, Körperhaltungen und Mimik wurden auch die Rollenvielfalt oder die dargestellten Situationen analysiert. Gut 1000 Anzeigen sowie 80 Werbespots wertete das Team anhand eines umfangreichen Fragenkatalogs detailliert aus. „Eine Menge Arbeit“, so Dozentin Susanne Stark: „Aber es hat sich gelohnt: Die Ergebnisse bestätigen nicht nur gängige Klischees, sondern bieten auch überraschende Erkenntnisse.“

„Vermehrt“, so die Bochumer Wissenschaftlerin, „werden moderne Rollenmuster in der Werbung übernommen.“ Die Frau ist inzwischen auch als Geschäftsfrau gefragt. Männer übernehmen dafür immer häufiger die Rolle des fürsorglichen Vaters. Der liebevolle Papa tritt fast doppelt so häufig auf wie die mütterliche Frau. Offensichtlich liegt der familiäre Mann im Trend. Bei der Rollenzuteilung gibt es aber auch zahlreiche „Klassiker“: Noch immer sind die Bereiche Banken und Auto in der Tendenz Männerdomänen, während die Textil- und Lebensmittelbranchen ihre Botschaften lieber durch Frauen übermitteln lassen.

Auch bei der altersbezogenen Darstellungen von Frau und Mann hat sich wenig geändert: Sowohl in der Print- als auch in der TV-Werbung sind Frauen bevorzugt jung und werden häufig verführerisch dargestellt – Männer hingegen dürfen gerne auch einmal etwas älter sein und glänzen dann als „Experten“. Im Kleidungsstil hat man sich angenähert: locker kommt besser an als elegant. „Casual“ nennt sich der Trend zu legerer Freizeitkleidung. Fast die Hälfte aller Personen in Anzeigen sind lässig bis sportlich unterwegs.

Das bevorzugte situative Umfeld in der Werbung ist die häusliche Privatsphäre, deutlich vor der Freizeit- und Urlaubswelt. Erstaunlich: Die Arbeitswelt wird passend zum Ergebnis der Rollenkonzepte bei Frauen deutlich mehr gefunden. „Betrachtet man allerdings die Rollenverteilungen zwischen den Geschlechtern hinsichtlich der Eigenschaft, eine Vorbild- oder Leitfunktion zu haben, differenziert sich das Bild“, so Susanne Stark: „Schlüsselfunktionen wie der beratende Experte werden deutlich häufiger von Männern besetzt.“ Die Nachfolger des Herrn Kaiser sind quicklebendig. Die Frau als „schmückendes Beiwerk“ befindet sich zwar auf dem Rückzug, dennoch spielen – insbesondere in TV-Werbespots – nach wie vor überwiegend Männer die Hauptrollen.

Spannendes bieten auch die Untersuchungsergebnisse zur sozio-ökonomischen Statuszugehörigkeit. Frauen in der Werbung besitzen überwiegende einen mittleren Status, nur 17% können einem gehobenen sozialen und wirtschaftlichen Umfeld zugeordnet werden. Bei Männern fällt das Ergebnis differenzierter aus. „Je 40% der Männer konnten wir dem mittleren sowie gehobenen Status zuordnen, immerhin 20% auch einem niedrigen Status“, so Susanne Stark. Der Mann ist auch als „einfacher Arbeiter“ durchaus gefragt und sexy, die Frau als Arbeiterin undenkbar. Und wie sieht es mit den Emotionen aus? „Insbesondere im Printbereich dominieren die alten Rollenstereotypen“, berichtet die Bochumer Wirtschaftsdozentin: „Männer schauen häufig ernst, aggressiv oder nachdenklich, Frauen dagegen sinnlich, beschützend, erwartungsvoll oder verführerisch.“ Verbindendes Element der emotionalen Analyse: Freude und Stolz können beide. Gerade in TV-Spots dominiert bei beiden Geschlechtern das fröhliche, begeisterte oder freundliche Mienenspiel.

„Die Geschlechterbilder in der Werbung haben sich bezüglich Inhalten und Differenziertheit angeglichen“, resümiert Marketingexpertin Susanne Stark die Untersuchungsergebnisse: “ Eine Dominanz alter Darstellungsmuster ist nicht mehr zu finden. Aber sie sind längst noch nicht gänzlich verschwunden, manche Klischees halten sich hartnäckig.“ Und vielleicht, so die engagierte Professorin, „spiegelt genau das den Stand der Gleichstellung wider.“ Klementine sollte auf jeden Fall das Business wechseln: Kleine Klempnerinnen in strahlend weißen Latzhosen liegen derzeit nicht im Trend.

Media Contact

Detlef Bremkens idw

Weitere Informationen:

http://www.hochschule-bochum.de/

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