RUB-Geologie: Treibhauseffekt durch kosmische Strahlung

Zusammenspiel von kosmischer Strahlung und unserem Klima

Als die treibende Kraft des Klimas auf der Erde haben der Bochumer Geologe Prof. Dr. Jan Veizer und der Israelische Astrophysiker Prof. Dr. Nir J. Shaviv (Hebrew University, Jerusalem) einen neuen Verdächtigen ausgemacht: Kosmische Strahlung (cosmic ray flux, CRF) könnte der Hauptmotor der Erwärmung und Abkühlung sein. Bei ihrem Auftreffen auf die Erdatmosphäre beeinflusst sie die Wolkenbildung und so den Wasserkreislauf der Erde. Die Forscher verglichen die Klimadaten der letzten 600 Millionen Jahre mit der Intensität der kosmischen Strahlung in dieser Zeit und fanden eine übereinstimmende Periodizität. Zwei Drittel der Temperaturschwankungen auf der Erde sind durch die kosmische Strahlung erklärbar. Über ihre Ergebnisse berichten sie in der Zeitschrift „GSA Today“ der Geological Society of America vom 1. Juli 2003.

Hierarchie der Zyklen berücksichtigen

Das Klima auf der Erde wird durch viele verschiedene Faktoren beeinflusst, die in verschiedenen großen und kleinen, sichtbaren und unsichtbaren Kreisläufen voneinander abhängen. Bisherige Klimamodelle betrachteten oft kleine Zyklen, ohne größere zu berücksichtigen: „Wir dürfen keinen statischen Hintergrund für irdische Zyklen annehmen“, so Prof. Veizer, „wir müssen 4,5 Mrd. Jahre zurückblicken bis an den Anfang unseres Sonnensystems.“ So untersuchten die Forscher das Erdklima und die Zusammensetzung der Atmosphäre anhand von Sedimenten wie Kohlen und Salzen, Fossilien und sog. Drop Stones: Steine, die in Kälteperioden in Eisbergen eingeschlossen Richtung Äquator wanderten und beim Schmelzen des Eises zu Boden sanken. Je näher am Äquator sie zu finden sind, desto kälter muss das Klima gewesen sein.

Wolken haben Einfluss

Das Ergebnis: Das Klima auf der Erde hat sich im Rhythmus von ca. 140 Mio. Jahren zyklisch erwärmt und abgekühlt. Was war der Motor dafür? Irgendein Klimatreiber muss auf die Erde gewirkt haben, denn da die Sonne am Anfang ihres Lebens noch um ca. 30 Prozent kälter war als heute, hätte sonst die Erde bis vor ca. 1 Mrd. Jahren tiefgefroren sein müssen. Spuren von Leben und Wasser existieren aber für die letzten rund 4 Mrd. Jahre. Wäre CO2 der Antreiber, hätte der Gehalt in der Atmosphäre ca. 1.000 – 10.000-mal so hoch gewesen sein müssen wie heute. Solche Mengen sind aber nicht an den Sedimenten abzulesen. Die Treibhausgase CO2 und Methan können also nicht für die Temperatursteigerung verantwortlich gemacht werden. Übrig bleibt das – damals wie heute – wichtigste Treibhausgas Wasserdampf. Möglicherweise gab es weniger Wolken, die Sonnenwärme konnte ungehindert bis zur Erdoberfläche gelangen. „Einige Modelle zeigen, dass Wolken bis zu 50 Prozent der Sonnenschwankungen auffangen können“, so Prof. Veizer. Es schließt sich die nächste Frage an: Was treibt den Wasserzyklus an?

Verbindungsstück zwischen Kosmos und Klima

Der Kontakt mit dem Astrophysiker Prof. Nir J. Shaviv brachte Veizer auf eine neue Spur: Shaviv hatte den Einfall kosmischer Strahlung auf die Erde für die letzten 600 Mio. Jahre untersucht und eine Zyklizität festgestellt, die mit der des Erdklimas übereinstimmte. Die Forscher machten sich auf die Suche nach der Verbindung zwischen kosmischen Strahlen und dem Wasserkreislauf. Bei ihrer Recherche stießen sie auf Experimente in Gaskammern, die zeigten, dass Strahlungspartikel beim Auftreffen auf das Gas auf bisher nicht ganz geklärte Weise sog. Keime erzeugen, die zur Kondensation und somit zur Wolkenbildung im Gas führen. Diese Kausalität steht in Einklang mit den Ergebnissen von Satellitenbeobachtungen der letzten Jahre. Wolken schirmen die Erde vor der Sonnenwärme ab, indem sie die thermische Energie ins All zurückstrahlen (Albedo). Umgekehrt bilden sich bei geringer kosmischer Strahlung weniger Wolken, die Sonne kann die Erde erwärmen.

Die Sonnenzyklen und ihre Folgen

Die Sonne selbst durchlebt verschiedene Zyklen, z. B. entwickeln sich periodisch mehr oder weniger Sonnenflecken, die mit erhöhter Aktivität der Sonne einhergehen. Diese Unterschiede allein sind aber zu schwach, um die irdischen Klimaschwankungen zu erklären. Sie werden jedoch dadurch verstärkt, dass bei größerer Sonnenaktivität auch das Magnetfeld der Sonne wächst und kosmische Strahlung von der Erde weglenkt. Es treffen also weniger kosmische Partikel auf die Atmosphäre, es entwickeln sich weniger Wolken und es wird wärmer.

Die Milchstraße bestimmt mit

Der Einfall kosmischer Strahlung auf der Erde hängt außerdem davon ab, wo in der Galaxie sich unser Sonnensystem gerade befindet. Die Strahlung ist dort am stärksten, wo sich neue Sterne bilden, was in den spiralförmigen Armen der Milchstraße der Fall ist. Wenn wir etwa alle 150 Mio. Jahre einen solchen Arm passieren, steigt die Strahlungsintensität an und es kommt zu einer Kälteperiode. Die Klimavariationen durch diese Passagen sind ca. zehnmal so stark wie die durch die Sonne verursachten.

Wasserdampf ist Klimatreiber

Diese neuen Funde belegen die große Bedeutung des Wasserkreislaufs als Klimafaktor und stellen die weitverbreitete Annahme infrage, dass CO2 die treibende Kraft der Erderwärmung sei. „Der Fall liegt umgekehrt“, so Veizer, „CO2 reitet quasi Huckepack auf dem Wasserkreislauf, denn bei der Photosynthese müssen Pflanzen fast 1.000 Wassermoleküle ausatmen, um ein einziges CO2-Molekül aufzunehmen.“ Wenn es wärmer wird, beschleunigt sich der irdische Wasserkreislauf, die Bioproduktivität erhöht sich, Bodenorganismen atmen vermehrt CO2 aus. Eisbohrungen zeigten, dass in Phasen der Erwärmung der CO2-Gehalt der Luft erst rund 800 Jahre nach dem Temperaturanstieg wuchs. CO2 könnte jedoch ein Treibhaus-verstärkender Faktor sein.

Titelaufnahme

Shaviv, Nir J.; Veizer, Jan: Celestial Driver of Phanerozoic Climate? In: GSA Today, Vol. 13, No. 7, 1. Juli 2003, S. 4-10

Weitere Informationen

Prof. Dr. mult. Jan Veizer, Fakultät für Geowissenschaften der Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum, NA 2/125, Tel. 0234/32-28250, Fax: 0234/32-14571, E-Mail: jan.veizer@ruhr-uni-bochum.de

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