Die Kleine geht – die Große kommt

Blick auf eine E-66, die für zwei Nordtank-Anlagen gekommen ist <br>

Als Koog bezeichnet man das durch Trockenlegung neu gewonnene Land zwischen zwei Deichen. Windstille kennen diese Gebiete an der Westküste Schleswig-Holsteins nicht

Die hier vorherrschenden Windverhältnisse sind so ideal, dass die Anwohner in diesen Gebieten bereits Mitte der 80er Jahre die ersten 55-kW-Windenergieanlagen errichteten. Im Lauf der Jahre siedelten sich die unterschiedlichsten Anlagen-Typen an. Einige stehen dort inzwischen fast 20 Jahre. Kein Wunder, dass die Betreiber sich hier mehr als in irgendeiner Region Deutschlands Gedanken über das Ersetzen alter durch neue, leistungsstarke Windenergieanlagen machen. Der Landwirt Hans-Reimer Thießen war damals mit seinen Anlagen einer der ersten im Kronprinzenkoog. „Wenn ich heute nur noch Landwirtschaft betreiben würde, dann müsste ich mir einen neuen Job suchen“, sagt er und blickt nachdenklich einem vorbeifahrenden Trecker nach, auf dessen Anhänger weiße Kohlköpfe umherrumpeln.

Und jetzt ist Thießen, auch wenn er es bescheiden von sich weist, wieder unter den Ersten. Diesmal beim Ersetzen alter Anlagen durch eine neue Generation: Ende 2001 kam eine E-66 (1,8 MW), um zwei seiner Nordtank-Anlagen mit je 300 kW zu ersetzen. Das Projekt ließ sich schnell und reibungslos verwirklichen, zumal die E-66 innerhalb eines Windparks errichtet wurde. Lediglich Schall- und Turbulenzgutachten waren erforderlich. Thießen hatte das Glück, dass seine Anlagen innerhalb einer Windenergie-Vorrangfläche standen, die vor einigen Jahren vom Land ausgewiesen worden ist. Das Ersetzen von Anlagen außerhalb dieser Flächen ist dagegen nur möglich, wenn die jeweilige Gemeinde einen entsprechenden Bebauungsplan beschließt.

Darüber hinaus kommt es beim Ersetzen durch größere Anlagen darauf an, dass die entsprechenden Netzkapazitäten gegeben sind. „Ich habe mich für eine ENERCON Anlage entschieden, weil ich damals nicht genau wusste, ob ich die volle Leistung ins Netz einspeisen darf. Und da man ENERCON Anlagen auf jede gewünschte Leistung drosseln kann, war das die beste Möglichkeit“, erinnert sich Thießen. Inzwischen ist aber klar, dass die Anlage mit Nennleistung betrieben werden darf. 4,5 Mio. kWh hat die 65 m hohe E-66 im vergangenen Jahr an Ertrag erzielt. Wie Thießen haben viele Windmüller im Koog Anträge für ähnliche Projekte eingereicht.

Im benachbarten Kaiser-Wilhelm-Koog, im Windpark der Firma Windtest, hat in den 80er Jahren die Großwindanlage „Growian“ für Aufsehen gesorgt. Dipl.-Ing. Jan Hanssen vom ENERCON Vertrieb in Marne ist im schleswig-holsteinischen Dithmarschen aufgewachsen. „Ich habe die 3-MWAnlage noch kennen gelernt“, erinnert er sich. Nahe dem Testfeld, im Windenergiepark Westküste, mussten Ende 2002 kleine Anlagen von Tacke (jetzt GE), HSW und Adler einer ENERCON Anlage des Typs E-66 weichen. Und wieder ein Stück weiter ist es eine Vestas V 42 mit 600 kW, die derzeit durch eine E-66 ersetzt wird.

Wie das Deutsche Windenergie-Institut (DEWI) aus Wilhelmshaven in seinem Bericht vom März 2003 schreibt, ist die installierte Leistung in 2002 im Vergleich zu 2001 um 22 Prozent gestiegen. Jede neue Anlage ist mit fast 1,4 MW Leistung im Durchschnitt um neun Prozent stärker als die Durchschnittsanlage des Jahres 2001. Laut DEWI-Bericht ersetzten 2002 acht neue Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 12,7 MW 16 alte Anlagen mit zusammen 5,4 MW Leistung.

Auch Wilfried Voigt, Staatssekretär im schleswig-holsteinischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, hat nichts auszusetzen an dem Plan, Altanlagen und leistungsstarke Neue zu ersetzen: „Das ist eine ausgezeichnete Sache, denn es fördert die Weiterentwicklung der Windbranche und trägt zur Entspannung des Landschaftsbildes bei. Die neuen Anlagen stärken darüber hinaus die führende Rolle der Windenergie bei der notwendigen Energiewende.“ Voigt weiß auch schon, wie kraftvoll diese Wende sein wird: „Erste Abschätzungen zeigen, dass auf diese Weise bis 2010 rund 1.000 MW zusätzlicher Leistung in Schleswig-Holstein installiert werden können, ohne dass neue Eignungsräume ausgewiesen werden müssen.“

Hermann Albers, Vorsitzender des Landesverbands für Windenergie in Schleswig- Holstein, befürchtet jedoch, dass die Regierung den Windenergieanlagen-Betreibern Steine in den Weg legen könnte. Derzeit werden die Landesrichtlinien für Windenergie überarbeitet. Sie geben unter anderem eine Gesamthöhe der Windenergieanlage von 100 m vor. „Wir wollen natürlich, dass der heutige Stand der Technik beachtet wird, z. B. höhere Türme und größere Rotordurchmesser,“ meint dazu Hermann Albers. Hier zeigt die Regierung jetzt wohl Entgegenkommen, indem sie Anlagen bis 150 m toleriert. Der in den Richtlinien festgelegte Abstand zur Wohnbebauung soll dafür jedoch erhöht werden. Während Anlagen zuvor noch in 1 km Entfernung zum nächsten Dorf errichtet werden durften, sollen in Zukunft 1,5 km Abstand eingehalten werden. Hermann Albers findet das nicht gerecht: „Mit dieser Forderung steht die Landesregierung nicht mehr hart am Wind. Scheinbar haben die Herrschaften vergessen, dass wir mit mehr Windleistung besser für den Klimaschutz sorgen können.“

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Nicole Weinhold ENERCON GmbH

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