Virtuelle Kraftwerke – Praxistest in der E-Energy-Modellregion Harz erfolgreich
Gefragt sind nicht nur technische Innovationen, sondern auch neue Vermarktungsstrategien für den grünen Strom. Damit ändern sich die Anforderungen an Kraftwerke und ihre Leitwarten. In der Regenerativen Modellregion Harz (RegModHarz) der E-Energy-Initiative ist der Praxistest gut gelaufen.
„Die Energiewende und die damit verbundene Umstellung auf eine Stromerzeugung, die ohne Kohlenstoff auskommt, ist eine der zentralen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts“, erklärte der neue Leiter des Fraunhofer-Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES in Kassel bei einem Pressegespräch im Vorfeld des vom IWES veranstalteten 17. Kasseler Symposiums Energie-Systemtechnik. „Ihre Umsetzung ist eine große technische und ökonomische Aufgabe von volkswirtschaftlicher Dimension“. Sie sei nur zu lösen, so Hoffmann, wenn die installierten erneuerbaren Energien am Ende auch gemeinsam gesteuert und vermarktet würden. Der Landkreis Harz sei ein ermutigendes Beispiel, wie dieses Ziel erreicht werden könne.
„Wir haben im Landkreis Harz den technischen Beweis erbracht, dass ein regeneratives Kombikraftwerk mit erneuerbaren Energien und sein Leitstand im Alltag funktionieren und dass sich diese Technologie als Motor der Energiewende herauskristallisiert“, stellte der stellvertretende Leiter des Fraunhofer IWES, Dr. Kurt Rohrig, fest. „Unsere Feldversuche haben einmal mehr gezeigt, dass die Energiewende vor Ort umgesetzt werden muss“, betonte Rohrig. Was die Produktion und Verteilung angehe seien die erneuerbaren Energien schon weit ausgereift. „Jetzt müssen wir Wege finden, um sie unabhängig vom Erneuerbare-Energien-Gesetz in den Markt zu bringen.“
Anders als herkömmliche, auf eine einzige Energiequelle zugeschnittene Kraftwerke ist das virtuelle Kraftwerk eine Softwareplattform, auf der unterschiedliche regenerative Energieerzeuger, Energiespeicher und Verbraucher miteinander vernetzt, überwacht und koordiniert werden. „Es ist der Dreh- und Angelpunkt für die dezentrale Energieversorgung von morgen“, beschreibt Projektleiter Florian Schlögl die Bedeutung dieses Kraftwerkskonzepts.
Im Landkreis Harz wurden im Rahmen der E-Energy-Initiative des Bundes in einem solchen Kraftwerk unter anderem Windparks, Photovoltaik-Anlagen sowie Biogasanlagen über das Internet zusammen geführt. Als simulierte Speicher wurden zudem ein Pumpspeicherkraftwerk und Elektrofahrzeuge dazu geschaltet. 43 Haushalte wurden mit intelligenten Zählern, so genannten Smart Metern, ausgestattet und in den Versuch einbezogen. Das im Harz erprobte Kraftwerk ist in der Lage, Mess- und Zählerdaten in Echtzeit zu erfassen, anhand von Erzeugungs- und Lastprognosen Fahrpläne für die Energieversorgung automatisch zu erstellen und mit dem Strom an Energiemärkten wie EPEX SPOT zu handeln. „So können wir die für die erneuerbaren Energien typischen Schwankungen in der Erzeugung ausgleichen, Versorgungssicherheit schaffen und den Strom zeitnah und flexibel vermarkten.“, sagt Schlögl.
Die Schaltstelle des virtuellen Kraftwerks ist die Leitwarte, ein Steuerungssystem mit grafischer Benutzeroberfläche, die den Backend-Server des Kraftwerks mit dem Bediener verbindet. Alle wichtigen Informationen wie die Leistung der Energieerzeuger, der Speicherstand, Wind- und Solarleistungsprognosen oder der aktuelle Stand an der Strombörse laufen hier zur Analyse und Weiterverarbeitung zusammen und werden auf vier Bildschirmen sichtbar gemacht. So zeigt die Vermarktungsansicht die verkauften Energiemengen und die Gebote der Strombörse, die Meldungen-Ansicht alle aktuellen und zurück liegenden Ereignisse im virtuellen Kraftwerk und die Topologie-Ansicht technische Daten und Fahrpläne.
Die Leitwarte übernimmt in der Energiewirtschaft zwei Rollen gleichzeitig: Als „Energieanlagenmanager“ verwaltet und überwacht sie die im virtuellen Kraftwerk zusammen geführten Anlagen. Als „Poolkoordinator“ vermarktet sie die erzeugten Energiemengen. Tauchen Fehler im Betrieb des im Regelbetrieb autonomen Kraftwerks auf oder werden besondere Interaktionen, zum Beispiel Optimierungen im Fahrplan oder die Bestätigung von Stromgeschäften, notwendig, gibt sie dem Bediener Orientierungs- und Entscheidungshilfen.
Die Entwicklung und Erprobung des virtuellen Kraftwerks und seiner Leitwarte waren das Kernstück des, durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit geförderten, E-Energy-Projektes RegModHarz, das nach mehr als vierjähriger Laufzeit Ende 2012 abgeschlossen wird und dessen wissenschaftliche Ergebnisse auf dem diesjährigen Kasseler Symposium Energie-Systemtechnik vorgestellt und diskutiert werden. Nach Projektende wird die Leitwarte mit ihren unterschiedlichen Show-Cases weiter als Demonstrator zur Verfügung stehen.
Regenerative Modellregion Harz
Die Regenerative Modellregion Harz ist eines von sechs Modellprojekten der Initiative „E-Energy“, die durch die Bundesministerien für Wirtschaft und Umwelt gefördert wird. Durch die Koordination von Erzeugung, Speicherung und Verbrauch will die Region zeigen, dass mit einem maximalen Anteil erneuerbarer Energieträger eine stabile, zuverlässige und verbrauchernahe Versorgung mit elektrischer Energie möglich ist.
17. Kasseler Symposium Energie-Systemtechnik
Unter dem Motto „Strukturen und Netze für die Energieversorgung von morgen“ findet zusammen mit der wissenschaftlichen Abschlusskonferenz des E-Energy-Projekts „Regenerative Modellregion Harz“ das 17. Kasseler Symposium Energie-Systemtechnik statt. Es soll mit aktuellen Beiträgen aus der Forschung und Entwicklung die wichtigsten Fragestellungen zur Transformation des Energieversorgungssystems beleuchten und Lösungsansätze präsentieren.
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