Radioteleskop für Submillimeter-Wellenlängen in die Atacama-Wüste
Die moderne Astrophysik treibt die Radioastronomen der Universität Bonn in immer kargere Regionen – nun sogar in die Höhenwüste Chiles: Zusammen mit dem Physikalischen Institut der Universität zu Köln und der Universität von Nagoya in Japan wollen sie auf dem mit 5000 Meter höchst gelegenen Plateau der Atacama-Wüste in den chilenischen Anden ein Radioteleskop für Submillimeter-Wellenlängen installieren. Die Bonner Forscher beteiligen sich an diesem Projekt mit der Entwicklung eines neuartigen Spektrometers.
Mitte der 90er Jahre hatte die Universität Nagoya bereits ein Teleskop von vier Metern Durchmesser für Millimeter-Wellenlängen auf dem Cerro Tololo in Chile plaziert, um damit vor allem das Kohlenmonoxid-Molekül (CO) in unserer Milchstraße und unseren nächsten Galaxiennachbarn, den Magellanschen Wolken, zu vermessen. Die japanischen Astronomen gaben ihm den Namen NANTEN, chinesisch für „Südhimmel“. Nach diesem sehr erfolgreichen Projekt wollen die japanischen Forscher nun mehr: Im Submillimeter-Bereich kann man weitere sehr wichtige Spektrallinien der interstellaren Materie beobachten, beispielsweise die des atomaren Kohlenstoffs. Da die Feuchtigkeit in der Atmosphäre für diese kurzwelligen Signale wie eine starke Sonnenbrille wirkt, muss ein derartiges Teleskop möglichst hoch liegen. Außerdem bedarf es empfindlicher Empfänger.
Warum aber ein solch kleines Teleskop, wenn in der Atacama-Wüste – einer der trockensten Regionen der Erde – bereits ein Riesenteleskop namens ALMA (Atacama Large MM Array) entsteht, ein Verbund aus insgesamt 64 Teleskopen mit je 12 Metern Durchmesser für den Submillimeter-Wellenlängenbereich? Für manche Untersuchungen ist die Auflösung derartiger Teleskopverbünde einfach zu groß – ganz ähnlich, wie man mit einem Vergrößerungsglas auf einer Landkarte auch eher die kleinen Ortsnamen lesen kann als die großen Länderbezeichnungen. „Nehmen wir beispielsweise eine Gaswolke in unserer Nachbargalaxie, der Großen Magellanschen Wolke“, erklärt der Bonner Astronomie-Professor Dr. Ulrich Klein. „Solche Gaswolken messen grob bis zu 300 Lichtjahre im Durchmesser. Am Himmel wirken sie dann etwa so groß wie eine Ein-Cent-Münze in gut acht Metern Entfernung. Der ALMA-Teleskopverbund mit seinen zehn Kilometern Ausdehnung erreicht eine Winkelauflösung von etwa einer zehntausendstel Bogensekunde – das entspricht dem scheinbaren Durchmesser derselben Münze, würde man sie aus einer Entfernung von hier nach Moskau betrachten.“ Um nur die eine Gaswolke (von vielen) in der Magellanschen Wolke komplett zu erfassen, müsste ALMA annähernd fünf Millionen Bildpunkte erzeugen – ein Aufwand, der für das Verständnis solcher Wolken, dem Geburtsort der Sterne, viel zu hoch wäre. Um auch großräumige Struktu-ren „ökonomisch“ untersuchen zu können, bedient sich die Radioastronomie daher so genannter Kleinteleskope, die ein geringeres Auflösungsvermögen besitzen und somit die nahen und ausgedehnteren Strukturen schneller erfassen.
Nicht ohne Grund kooperieren die Japaner bei der Ausrüstung von NANTEN2 mit empfindlichen radioastronomischen Empfängern und dem Betrieb des Observatoriums mit Kollegen aus Köln und Bonn. Die Kölner Forschungsgruppe hat nämlich gerade einen sogenannten Arrayempfänger in Betrieb genommen, mit dem sie gleichzeitig über mehrere Antennen bei zwei Frequenzen beobachten können. Er ist zur Zeit am KOSMA-Teleskop auf dem Gornergrat bei Zermatt in der Schweiz installiert. Noch in diesem Jahr soll NANTEN2 nach Chile verschifft werden und im Frühjahr 2004 in Betrieb gehen. Nach erfolgreicher Testphase soll dann der Empfänger aus Köln installiert werden. Das Radioastronomische Institut der Universität Bonn wird zudem ein so genanntes Spektrometer beisteuern, mit dem das jeweilige Frequenzband genau abgetastet werden kann. Es handelt sich hierbei um eine Neuentwicklung, die von der Leistungsfähigkeit moderner Rechner profitiert. Dabei werden die gemessenen Signale mit großer Geschwindigkeit in ihre Einzelfrequenzen zerlegt.
Mit NANTEN2 wollen die Astronomen neue und wichtige Erkenntnisse über den Zustand der interstellaren Materie in der Milchstraße und ihren Nachbarn gewinnen. Obwohl man schon viel über die interstellare Materie weiß, ist eine zentrale Frage, nämlich die nach der gesamten Gasmasse zwischen den Sternen, nach wie vor nicht beantwortet. „Wir wissen, dass das Gas zum großen Teil aus molekularem Wasserstoffs besteht. Er ist aber nur sehr schwer direkt nachzuweisen“, erklärt Professor Klein. Das Kohlenstoffatom, das sich mit NANTEN2 nachweisen lässt, erlaubt jedoch indirekte Rückschlüsse auf die vorhandene Menge molekularen Wasserstoffs. „Dieser molekulare Wasserstoff aus zwei Wasserstoff-Atomen ist es, der dazu beiträgt, dass sich in Molekülwolken wie der Magellanschen Wolke überhaupt Sterne bilden können. Bestünden die Wolken nur aus einzelnen Wasserstoff-Atomen, so sähe das Universum sehr viel anders aus – vielleicht wären Planeten mit Lebensformen wie der unsrigen nie entstanden.“
Ansprechpartner:
Professor Dr. Ulrich Klein
Radioastronomisches Institut der Universität Bonn
Telefon: 0228 – 73-3674
E-Mail: uklein@astro.uni-bonn.de
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Weitere Informationen:
http://www.uni-bonn.deAlle Nachrichten aus der Kategorie: Physik Astronomie
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