Patentanmeldung für ersten Buntlicht-Laser
Physiker der Universität Bonn haben einen Laser zum Patent angemeldet, der nahezu alle Farben von Infrarot über das gesamte sichtbare Spektrum bis in den UV-Bereich erzeugen soll – und das ohne den Einsatz kostspieliger optischer Kristalle, sondern mit Hilfe einer einfachen Glasfaser. Vorteile könnte der neue Laser vor allem für Mediziner bieten, beispielsweise bei der Diagnose von kleinsten Tumoren.
Wer schon einmal wegen eines auffälligen Muttermals beim Hautarzt war, kennt das Prozedere: Nach einem prüfenden Blick greift der Dermatologe zum Skalpell, schneidet das verdächtige Hautstück unter lokaler Betäubung heraus und schickt es an ein Labor, das auf die Untersuchung von Gewebeproben spezialisiert ist. Nach ein paar Tagen kommt dann häufig die Entwarnung: Keine entarteten Zellen gefunden, Skalpellschnitt und Narbe waren umsonst. Ein kleines Gerät könnte den schnellen Griff zum scharfen Messer künftig in vielen Fällen überflüssig machen: Mit einem Optischen Kohärenz-Tomographen (OCT) lassen sich Tumoren in Haut, Auge oder Brust bereits erkennen, wenn sie erst aus wenigen Zellen bestehen – und das ohne Gewebeentnahme. Die schonende Methode wird momentan in einigen Kliniken erprobt, ist aber noch relativ teuer und aufwändig. Grund: Um auf dem OCT-Bild noch einzelne entartete Zellen sichtbar zu machen, benötigt man spezielle Laser, die gewissermaßen „buntes“ Licht erzeugen – allerdings im für unser Auge nicht sichtbaren Infrarot-Breich. Normalerweise leuchten Laser aber nur in einer einzigen streng definierten Farbe.
Abhilfe verspricht ein neuer Lasertyp, der nun an der Universität Bonn zum Patent angemeldet wurde. Eine britische Arbeitsgruppe hatte im Jahr 2000 entdeckt, dass Laserlicht die Farbe ändert, wenn man es durch eine sich verjüngende Glasfaser leitet: Aus Rot wird Weiß, und dieses Weißlicht lässt sich ähnlich wie Sonnenlicht mit dem Prisma in die Farben des Spektrums zerlegen. Das funktionierte zunächst nicht für alle Farben gleich gut. Der Bonner Laserphysiker Professor Dr. Harald Gießen hat zusammen mit seinen Mitarbeitern die Ursachen des rätselhaften Farbwechsels untersucht. „Inzwischen haben wir die Physik hinter dem Effekt so weit verstanden, dass wir beispielsweise Glasfasern herstellen können, die bevorzugt einen bestimmten Farbbereich erzeugen.“
Die Farbumwandlung allein macht aber noch keinen Buntlicht-Laser. Dass Mediziner mit Laserlicht Zahnstein entfernen können, verdanken sie der hohen Energie der Strahlen. In jedem Laser sitzt nämlich eine Art „optischer Verstärker“, der dafür sorgt, dass sich die Photonen – die „Lichtteilchen“ – rasant vermehren. „Meist handelt es sich dabei um einen Farbstoff, der bei Bestrahlung Photonen abgibt“, erklärt Professor Gießen. Ein teildurchlässiger Spiegel reflektiert die meisten dieser Lichtteilchen, so dass sie wieder auf den Farbstoff treffen, der darauf erneut Licht emittiert. Mit jeder Reflektion schwillt so die Flut der Photonen an. „Bei uns dient die Glasfaser als optischer Verstärker“, sagt der Laserphysiker: „Wir nehmen einen Teil des farbigen Lichts und leiten es so um, dass es die Glasfaser wieder und wieder passieren muss. Dabei bildet sich ein sogenanntes Soliton. Das ist vergleichbar mit einem Tsunami aus Licht, einer riesigen Welle mit extrem hoher Intensität. Die verjüngte Glasfaser dient dabei als nichtlineares Medium in einem optisch-parametrischen Oszillator.“
Von dem Buntlicht-Laser könnten nicht nur Mediziner profitieren. Auch als Lichtquelle für besonders brillante Projektoren oder TV-Geräte ließe sich die Bonner Erfindung einsetzen. Das „Laserfernsehen“ scheiterte bislang daran, dass keine wartungsarmen und kostengünstigen Lichtquellen für die drei Grundfarben Rot, Grün und Blau zur Verfügung standen. Um die Farbe einer Laserquelle zu verändern, waren Physiker nämlich bisher auf sündhaft teure Materialien aus Fernost angewiesen: Chinesische Wissenschaftler sind Meister in der Herstellung so genannter „nichtlinearer Kristalle“. Mehrere tausend Euro können die hauchdünnen Plättchen in der Größe eines Fingernagels kosten. „Wenn der Farbstoff im Laser ein Verstärker ist, sind nichtlineare Kristalle Verstärker, die besonders leicht übersteuern“, erklärt Professor Gießen. Laserlicht ist normalerweise eine sinusförmige elektromagnetische Welle. In einem nichtlinearen Medium verformt sich die Wellenfront jedoch: Sie wird „eckig“, „unharmonisch“ nennt das Laserphysiker Gießen. „Das ist ähnlich, als wenn man eine Gitarrensaite so kräftig anschlägt, dass sie schnarrt.“ Dabei entstehen „Obertöne“ mit doppelter oder dreifacher Grundfrequenz: aus Rot wird so zum Beispiel Blau.
Doch auch „robuste“ Verstärker können übersteuern, wenn das Eingangssignal sehr stark ist. „Wir schicken den Laserstrahl in eine Glasfaser mit 125 Mikrometer Durchmesser, das sind 0,125 Millimeter. Diese Glasfaser wird über einer Flamme so auseinandergezogen, dass sie am Ende nur noch einen Mikrometer dick ist“, erklärt Jörn Teipel, Doktorand in der Arbeitsgruppe Gießen. Da das Licht die Glasfaser nicht verlassen kann, wird es dabei konzentriert – ganz ähnlich, wie wenn man einen Schlauch an seinem Ende so zusammendrückt, dass nur noch eine kleine Öffnung bleibt, aus der das Wasser dann umso heftiger herausspritzt. „Die Lichtintensität erhöht sich durch die Verjüngung so stark, dass das Glas reagiert wie ein besonders effektiver nichtlinearer Kristall.“ Schlechte Nachricht für Fernost: Die Fasern mit Taille kosten in der Herstellung weniger als hundert Euro.
Ansprechpartner:
Professor Dr. Harald Gießen
Institut für Angewandte Physik der Universität Bonn
Telefon: 0228/73-3459 (H. Giessen) oder 0228/73-3481 (J. Teipel)
E-Mail: giessen@uni-bonn.de
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