Genveränderungen bei Schilddrüsentumoren
Veränderungen eines Gens von Chromosom 2 sind für die Entstehung außerordentlich häufiger Tumoren der Schilddrüse verantwortlich wie ein Wissenschaftler-Team der Universität Bremen unter Leitung des Humangenetikers Professor Jörn Bullerdiek mitteilt. Die Entdeckung dieser Genveränderung, von der allein in Deutschland schätzungsweise eine Million Menschen betroffen sind, lässt wichtige Verbesserungen bei der Diagnose und Behandlung von Erkrankungen der Schilddrüse erwarten und hat daher auch international große Resonanz gefunden.
Vergrößerungen und Tumoren („Knoten“) der Schilddrüse sind zwar extrem häufig, es ist aber noch wenig darüber bekannt, wie es zu diesen Erkrankungen kommt. „Seit etwa 15 Jahren wissen wir, dass bestimmte Chromosomenveränderungen bei Schilddrüsentumoren regelmäßig vorkommen, die entscheidende Frage nach dem Zusammenhang zwischen den Chromosomenveränderungen und der Tumorentstehung konnten wir jedoch bisher nicht beantworten.“ erläutert Jörn Bullerdiek. „Genau dieser Frage haben wir uns daher angenommen. Wir wollten Gene suchen, die mit der Entstehung von Schilddrüsentumoren in Zusammenhang stehen. Wie Markierungen auf einer alten Schatzkarte haben uns die Chromosomenveränderungen dabei die Gegend im menschlichen Genom gezeigt, in der sich eine Suche nach solchen Genen lohnte.“ Auf Chromosom 2 wurden die Bremer Humangenetiker jetzt fündig; dem entdeckten Gen gaben sie den Namen THADA („thyroid adenoma associated“). Veränderungen des THADA-Gens sind offenbar charakteristisch für eine bestimmte Gruppe von Adenomen, d.h. gutartigen Tumoren der Schilddrüse.
Als Laie denkt man bei dem Wort Gene immer zuerst an Vererbung, d.h. an Genveränderungen, auch als Mutationen bezeichnet, die innerhalb von Familien weitergegeben werden und bei ihren Trägern Erkrankungen auslösen können. Mutationen müssen aber weder vererbt sein noch in allen Zellen der betroffenen Personen auftreten. Während des ganzen Lebens entstehen in menschlichen Geweben und Organen mutierte Zellen. Je nach Art der Mutation kann es ausgehend von solchen Zellen zur Tumorentstehung kommen. Dies ist auch beim THADA-Gen der Fall: Die Chromosomenveränderung ereignet sich irgendwann während des Lebens in einer Zelle der Schilddrüse und führt dort zu einem verkürzten Gen. Damit verändert sich auch die Funktion des von dem Gen kodierten Proteins, offenbar ein entscheidender Vorgang bei der Entstehung der Tumoren.
Welche Konsequenzen kann die Entdeckung des neuen Gens in der Praxis haben? Professor Ulrich Bonk, Direktor des Zentrums für Pathologie am Zentralkrankenhaus St. Jürgen Straße und einer der an der Entdeckung von THADA beteiligten Wissenschaftler, gibt Auskunft: „Schilddrüsenadenome bilden eine große Gruppe von Gewebeveränderungen, die wir mit unseren herkömmlichen Methoden nicht ausreichend differenzieren und teilweise auch nicht von bösartigen Tumoren, den follikulären Karzinomen, unterscheiden können.
Mit dem THADA-Gen haben wir jetzt einen wichtigen Marker in der Hand, mit dem wir eine bestimmte Adenom-Form erkennen können. Dies wird in naher Zukunft helfen, die Diagnose von Schilddrüsen-Erkrankungen zu verbessern und Befunde bereits vor anstehenden Operationen besser einordnen zu können.“
Wann kommen die Erkenntnisse Patienten zugute? Während mögliche Anwendungen in der Therapie sicher nicht vor 5-7 Jahren erwartet werden können, sind Bullerdiek und Bonk überzeugt, dass sie bei der Diagnose wesentlich schneller zum Ziel kommen werden: „Innerhalb eines Jahres soll ein entsprechendes diagnostisches Werkzeug verfügbar sein“. Günstige Voraussetzung: Mit der innoWi GmbH, der Vermarktungsgesellschaft der Hochschulen des Landes Bremen und der Bremer Investitions-Gesellschaft mbH steht ein Team bereit, das den Wissenschaftlern helfen wird, kompetente Partner für die zügige Umsetzung ihrer Erkenntnisse in die Praxis zu finden. Dr. Anja Turkowsky, Geschäftsführerin der innoWi, ist bei THADA vom schnellen Erfolg überzeugt: „Forschungsergebnisse brauchen oft lange, bis sie ihren Weg in die praktische Umsetzung finden. Bei THADA ist dies anders. Es haben bereits jetzt zwei Diagnostik-Firmen großes Interesse bekundet. Mit beiden stehen wir in Verhandlungen und sind zuversichtlich, diese bald zum Abschluss zu bringen.“
Kontakt:
Prof. Dr. Jörn Bullerdiek
Zentrum für Humangenetik der Universität Bremen (ZHG)
Leobener Str. ZHG
Tel./Fax: 0421-218 4239
E-Mail: bullerd@uni-bremen.de
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Weitere Informationen:
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