Warum sterben Diabetiker häufiger nach Herzinfarkt?

Diabetes verdoppelt das Risiko, nach einem Herzinfarkt zu sterben. Über die Mechanismen des sogenannten „Diabetes-Faktors“ bei Todesfällen nach Herzinfarkt war bisher nur wenig bekannt. Wissenschaftler der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) und der University of Iowa, USA, haben jetzt eine mögliche Erklärung für die Zusammenhänge von Diabetes und der hohen Sterberate nach Herzinfarkt herausgefunden. Als Ursache konnte erstmals das im Herzgewebe von Diabetikern oxidierte Protein CaMKII identifiziert werden. Damit eröffnen sich neue Behandlungsstrategien.

Die von 2010 bis 2012 dauernde Untersuchung wurde von Prof. Dr. Mark E. Ander-son, Departments of Internal Medicine and Molecular Physiology & Biophysics, Uni-versity of Iowa (USA), in enger Kooperation mit dem Herzzentrum der Universitätsmedizin Göttingen (Vorsitzender: Prof. Dr. Gerd Hasenfuß) koordiniert. Unterstützt wurde die Studie durch die US-amerikanischen National Institutes of Health und die Fondation Leducq, durchgeführt wurde sie im Leducq-Netzwerk „Alliance for CaMKII Signaling in Heart“. Die Forschungsergebnisse sind veröffentlicht in dem internationalen Medizinjournal JOURNAL OF CLINICAL INVESTIGATION.

Originalpublikation: Min Luo, Xiaoqun Guan, Elizabeth D. Luczak, Lang Di, William Kutschke, Zhan Gao, Jinying Yang, Patric Glynn, Samuel Sossalla, Paari D. Swaminathan, Robert M. Weiss, Baoli Yang, Adam G. Rokita, Lars S. Maier, Igor fimov, Thomas J. Hund, and Mark E. Anderson. Diabetes increases mortality after myocardial infarction by oxidizing CaMKII. J Clin Invest. 2013;123:1262-74.

„Die Ergebnisse unserer Studie legen nahe, dass es ein durch oxidativen Stress akti-viertes Protein CaMKII ist, das die Wahrscheinlichkeit eines plötzlichen Todes bei Diabetikern nach einem Herzinfarkt deutlich erhöht“, sagt Prof. Dr. Lars S. Maier, leitender Oberarzt der Klinik für Kardiologie und Pneumologie am Herzzentrum der UMG und Koautor der internationalen Studie. Weitere Untersuchungen haben gezeigt: Wenn der oxidative Stress auf die Herzzellen gebremst wird, sinkt die Gefahr einer erhöhten Sterblichkeit nach Herzinfarkt bei Diabetes.

Aktuell können Patienten mit hohen Mengen an oxidiertem CaMKII im Herzgewebe nicht behandelt werden. Die Ergebnisse der Studie ermöglichen es aber, die Warnsignale des Herzens besser zu erkennen. „Unsere Untersuchung am Mausmodell weist darauf hin, dass eine gestörte Herzfrequenzvariabilität und eine langsame Herzfrequenz nach einem Herzinfarkt bei Hochrisiko-Patienten mit Diabetes ein Grund für einen plötzlichen Herztod sein könnte. Daher sollte möglicherweise darauf geachtet werden, dass diese so genannten „bradykarden“ Phasen langsamen Herzschlags möglichst verhindert werden“, so Prof. Maier.

ERGEBNISSE DER STUDIE IM DETAIL

Erste Tests hatten gezeigt: Bei Mäusen und bei Menschen mit Diabetes lassen sich deutlich höhere Mengen des oxidierten Proteins CaMKII im Herzschrittmachergewebe und dem umliegenden Herzgewebe messen. Nach einem Herzinfarkt steigt die Menge des Stoffs im Herzgewebe weiter an. Diese Ergebnisse ließen schließen: Die erhöhte Sterberate von an Diabetes erkrankten Mäusen nach einem Herzinfarkt ist auf den Verlust an Herzfrequenz-Variabilität und eine deutlich verlangsamte Herzfrequenz zurückzuführen. „Wir vermuteten deshalb, dass es eine direkte Verbindung zwischen dem diabetesbedingten oxidativen Stress in den Herzzellen und dem Anstieg der Sterblichkeit nach einem Herzinfarkt geben musste“, sagt Prof. Maier.

Diesen Zusammenhang haben Prof. Mark E. Anderson und seine Kollegen am Tiermodell geprüft. Verglichen wurden die Ergebnisse von zwei unterschiedlichen diabetischkranken Mausmodellen. Ein Modell war mit der Eigenschaft „mit oxidations-resistenter CaMKII“ ausgestattet, das andere mit der Eigenschaft „nicht resistent“. Das Ergebnis: Wenn der oxidative Stress auf die Zellen gebremst wird, sinkt die Gefahr einer erhöhten Sterblichkeit nach Herzinfarkt bei Diabetes.

Diabeteskranke Mäuse zeigten nach der Gabe des mitochondrialen Antioxidants MitoTEMPO gegenüber den nicht resistenten diabeteskranken Mäusen deutlich gerin-gere Mengen an oxidiertem CaMKII. Damit verbunden war eine gestiegene Überlebensrate der Herzschrittmacherzellen, gleichbleibend normale Herzfrequenzen sowie eine Resistenz gegen die durch Diabetes verursachte erhöhte Sterblichkeit nach einem Herzinfarkt. Die Annahme der Forscher bestätigte sich: Die behandelten Mäuse zeigten eine Resistenz gegen durch Diabetes verursachte, erhöhte Mortalität nach Herzinfarkt.

AUF DEN MENSCHEN ÜBERTRAGBAR?

Als nächsten wichtigen Schritt sehen die Forscher nun die Entwicklung und Erprobung von Behandlungen, die die Oxidation von CaMKII im Herzgewebe auch beim Menschen hemmen können. Anschlussstudien am Herzzentrum Göttingen sollen zudem klären, welche Bedeutung das oxidierte CaMKII bei anderen Herzerkrankungen wie z.B. der diastolischen Herzinsuffizienz besitzt.

Oxidativer Stress entsteht, wenn in einer Zelle mehr Sauerstoffverbindungen entstehen als die Zelle neutralisieren kann. Dieses Ungleichgewicht überfordert die normale Reparatur- und Entgiftungsfunktion einer Zelle und führt zu einer Zellschädigung.

Die „Alliance for CaMKII Signaling in Heart“ gehört zur den transatlantischen Exzel-lenznetzwerken der amerikanisch-französischen Fondation Leducq. Ziel des For-schungsnetzwerkes ist die Erforschung der Bedeutung des Proteins CaMKII bei Herzversagen und die Entwicklung von effizienten Behandlungen von Patienten mit Herzversagen.

Herzforschung an der Universitätsmedizin Göttingen
Kardiovaskuläre Forschung ist einer der Forschungsschwerpunkte der Universitätsmedizin Göttingen (UMG). Göttingen ist einer von sieben Standorten des „Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung“, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert werden. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert den Schwerpunkt kardiovaskuläre Forschung der UMG mit dem Sonderforschungsbereich 1002 „Modulatorische Einheiten bei Herzinsuffizienz“. Darüber hinaus besteht seit 2012 ein deutsch-britisches Graduiertenkolleg 1816 „Phosphorylation and redox-mediated signalling mechanisms in the failing heart“.
WEITERE INFORMATIONEN
Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
Herzzentrum Göttingen, Klinik für Kardiologie und Pneumologie
Prof. Dr. Lars S. Maier, Telefon 0551 / 39-8921
lmaier@med.uni-goettingen.de

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Stefan Weller Uni Göttingen

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