Kulturen deuten Musik verschieden

Wenn Angehörige der Mafa in Kamerun westliche Musik hören, haben sie ähnliche Gefühle wie Hörer aus dem Westen - aber unter Umständen andere Assoziationen. © MPI f. Kognitions- und Neurowissenschaften/Fritz<br>

Musik verbindet, heißt es gemeinhin. Aber wird sie tatsächlich überall gleich verstanden und interpretiert? Eine Studie des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig macht deutlich, dass Menschen aus unterschiedlichen Kulturen Emotionen in der Musik ähnlich wahrnehmen.

Manche Assoziationen mit bestimmten Bedeutungen dagegen sind kulturell geprägt. Generell scheint zu gelten: Nur wenn Musik für uns eine Bedeutung trägt, schätzen wir sie.

Thomas Fritz vom Leipziger Max-Planck-Institut vergleicht seit einigen Jahren die Musikwahrnehmung der Mafa, einer traditionell lebenden Volksgruppe im Norden Kameruns, mit der von Menschen aus dem Westen. Seine Ergebnisse zeigen, dass eine Reihe von emotionalen Ausdrücken in westlicher Musik sehr wahrscheinlich auch in anderen Kulturen verstanden wird. Denn auch die traditionell lebenden Mafa können der ihnen unbekannten westlichen Musik emotionale Attribute wie fröhlich, traurig oder bedrohlich zuordnen. Sie unterschieden sich in dieser Hinsicht kaum von den Eingruppierungen westlicher Probanden.

Als nächstes beschäftigte sich der Forscher mit bildhaften Bedeutungen, den Assoziationen, die Musik weckt. Weckt beispielsweise ein Musikstück, das bei einem westlichen Musikhörer die Assoziation „Weite“ hervorruft, eine identische oder ähnliche Assoziation bei Menschen aus anderen Kulturkreisen? Welche Folgen hat dies für die Wertschätzung, die ein Hörer der Musik entgegenbringt?“

Um dies zu klären, erstellten Fritz und seine Kollegen Assoziationsprofile für verschiedene westliche Musikstücke. Dabei ordneten die Forscher den Musikstücken jeweils drei Begriffe zu, die Hörer aus dem Westen entweder als voll zutreffend, nicht besonders gut passend oder gar gegensätzlich wahrnehmen. Als der Forscher diese Musikstücke den Mafa vorspielte, sie nach ihren Assoziationen befragte und aus den drei Begriffen den für sie treffendsten wählen ließ, kam er zu erstaunlichen Ergebnissen: „Einige wenige der Assoziationen funktionierten auch bei den Mafa, zum Beispiel die Bedeutungsbegriffe Frieden oder Morgen“, erklärt Fritz.

Bei den meisten Assoziationsprofilen gab es jedoch keine Übereinstimmungen. „Beispielsweise spielten wir den Mafa ein Stück vor, das bei den deutschen Probanden fast ausnahmslos die Assoziation Vogel geweckt hatte. Die Mafa hingegen assoziierten es mehrheitlich mit dem Begriff Stier.“ Auch die Bedeutung Streit ordneten die Mafa dem von den deutschen Hörern als passend empfundenen Musikstück überhaupt nicht zu. Allerdings blieben die Assoziationsprofile der Mafa in sich weitgehend konsistent – wie bei westlichen Hörern auch.

„Daraus schließen wir“, so Fritz, „dass die konkrete bildhafte Bedeutung, die ein Hörer mit der Musikwahrnehmung assoziiert, größtenteils ein Ergebnis kultureller Prägung ist. Sie kann zwar zu einem kleinen Anteil über Kulturgrenzen hinweg transportiert werden, wird aber besonders leicht durch eigene kulturelle Assoziationen überschrieben.“ Manche Assoziationen wiederum werden von Musik auch in anderen Kulturen transportiert, sie werden dort jedoch dann mit anderen Eigenschaften verbunden. Beispielsweise ist die Sonne in Deutschland meist erfreulich konnotiert, in Kamerun dagegen auch mal mit bedrohlich oder tödlich. Bildhafte Bedeutung in Musik stellt also keinen universellen Aspekt der Musik dar. So erklärt sich zum Beispiel die Assoziation Stier bei dem Musikstück, dem westliche Hörer Vogel zugeordnet hatten, sehr wahrscheinlich aus dem kulturellen Hintergrund der Mafa: Sie feiern alle drei Jahre das für sie wichtige Stierfest und zu diesem wird besonders ausgiebig Flötenmusik gespielt.

Bei den Studien wurde außerdem deutlich, dass die westlichen Musikstücke von den Mafa immer dann stärker wertgeschätzt wurden, wenn ihre Assoziationen dichter an den Assoziationsprofilen der westlichen Hörer lagen. Spielte man ihnen dann die wertgeschätzten Stücke rückwärts vor und zerstörte damit die assoziierte Bedeutung, erfuhren die Musikstücke auch eine stärkere Ablehnung. „Musik durch bewusste aber auch unbewusste Assoziationen zu verstehen, ist ausschlaggebend für die Wertschätzung von Musik schlechthin“, sagt Fritz.

Ansprechpartner

Dr. Thomas Fritz
Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften, Leipzig
Telefon: +49 341 9940-2413
E-Mail: fritz@­cbs.mpg.de
Katja Paasche
Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften, Leipzig
Telefon: +49 341 9940-2404
Fax: +49 341 9940-113
E-Mail: paasche@­cbs.mpg.de
Originalpublikation
Fritz TH, Schmude P, Jentschke S, Friederici AD, Koelsch S
Understanding to Appreciating Music Cross-Culturally.
PLoS ONE 8(9): e72500. doi:10.1371/journal.pone.0072500

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Dr. Thomas Fritz Max-Planck-Institut

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