Wie Systeme zur Müdigkeitserkennung in Fahrzeugen wahrgenommen werden
„15 bis 20 Prozent aller schweren Unfälle auf Schnellstraßen sind auf Übermüdung zurückzuführen“, sagt Dr. Katja Karrer-Gauß. Müdigkeit sei eine der folgenschwersten Unfallursachen, aber doch auch eine, die vermeidbar sei.
Sogenannte Systeme zur Müdigkeitserkennung in Lkws und Pkws sollen den Fahrer dazu veranlassen, bei Müdigkeit eine Pause einzulegen. Aber erzielen diese Warnsysteme überhaupt den gewünschten Effekt und wie müssen sie gestaltet sein, damit der Fahrer seine Fahrt unterbricht?
Katja Karrer-Gauß hat sich in ihrer Dissertation „Prospektive Gestaltung von Systemen zur Müdigkeitserkennung“, die sie am Fachgebiet Mensch-Maschine-Systeme bei Prof. Dr.-Ing. Matthias Rötting an der TU Berlin ablegte, und in weiterführenden empirischen Studien mit diesen Fragen auseinandergesetzt.
Die Probanden fuhren in einem Fahrsimulator mit und ohne System zur Müdigkeitserkennung. „Es stellte sich heraus, dass allein die Tatsache, von einem System überwacht zu werden, Einfluss auf das Verhalten der Fahrer hat. Der Müdigkeitsassistent bewirkte überraschenderweise, dass der Fahrer sich eher motiviert fühlte, gegen die Müdigkeit anzukämpfen, als eine Pause einzulegen. Im Durchschnitt waren die Probanden mit einem Müdigkeitsassistenten an Bord, 20 Minuten später bereit zu pausieren“, sagt Katja Karrer-Gauß. Dieses Ergebnis überrascht, konterkariert es doch die eigentliche Absicht des Systems.
Eine Befragung von Berufskraftfahrern ergab weiter, dass Müdigkeitswarnsysteme die Fahrer zu einer Risikokompensation verführen. In dem Bewusstsein, von dem System bei Müdigkeit gewarnt zu werden, gaben die Befragten an, sich gegebenenfalls über die eigene Einschätzung ihrer Müdigkeit hinwegzusetzen und „dichter an die Übermüdungsgrenze heranzufahren“, also länger zu fahren und sich somit riskanter zu verhalten.
Bei ihren Untersuchungen ist die Psychologin zudem auf ein Problem gestoßen, das solche Systeme im Kern berührt: Forscher erachteten eine Müdigkeitsanzeige als sinnvoll, Lkw-Fahrer als nutzlos, „weil das Problem nicht die Müdigkeitserkennung sei, sondern der enorme Druck, unter dem die Kraftfahrer stünden, Termine einzuhalten, die sie zu langen Fahrten zwängen“. Folgende vier Probleme bei der Nutzung von Müdigkeitssystemen haben ihre empirischen Untersuchungen zum Vorschein gebracht: Zweckentfremdung des Systems, Akzeptanzprobleme des Systems, wenn es eine Kluft zwischen Selbsteinschätzung und der Müdigkeitseinschätzung durch das System gibt, und Verlagerung der Verantwortung an das System. Hinzukommt, dass die eigentlichen Ursachen für das Fahren bei Müdigkeit von einem solchen System nicht tangiert werden.
Fußend auf den Ergebnissen ihrer Befragungen hat Katja Karrer-Gauß sich damit beschäftigt, wie solche Systeme zur Müdigkeitserkennung gestaltet werden sollen, damit sie ihr Ziel erreichen. Das betrifft die Frage, was an den Fahrer und wie es an den Fahrer gemeldet werden sollte. So genüge es nicht, ein Kaffeetassensymbol aufblinken zu lassen, sondern es müsse konkret vermittelt werden, wie müde der Fahrer ist und dass bei einer Weiterfahrt eine Gefahr bestehe. Bei der Frage nach dem Wie, muss die Rückmeldung mit Müdigkeit und Risiko assoziiert werden. Ausströmender Pfefferminzduft werde jedoch weder mit Müdigkeit noch mit einer Gefahr in Verbindung gebracht, das Rütteln des Lenkrads transportiere schon eher ein Risiko.
Weitere Informationen erteilt Ihnen gern: Dr. Katja Karrer-Gauß, Fachgebiet Mensch-Maschine-Systeme am Institut für Psychologie und Arbeitswissenschaft, Marchstraße 23, 10587 Berlin, Tel.: 030/314-79522, E-Mail: karrer@mms.tu-berlin.de
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