Wachstumsfaktor EGF beschleunigt die Zellkernteilung

Neue Ansatzpunkte für die Behandlung von Krebserkrankungen haben Biologen der Universität Heidelberg gewonnen. Sie haben untersucht, wie ein spezielles Signalmolekül, der „Epidermale Wachstumsfaktor“ (EGF), die Chromosomentrennung von Zellen stimuliert. Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass EGF die Geschwindigkeit der Teilung des Zellkerns, der sogenannten Mitose, beschleunigt und zudem die Genauigkeit bei der Trennung der Chromosomen erhöht.

„Da bei vielen Krebsarten die Regulation des EGF-Wegs stark verändert ist, geben uns diese Forschungsergebnisse wichtige Hinweise für die Krebstherapie“, sagt Prof. Dr. Elmar Schiebel vom Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg (ZMBH). Das Team um Prof. Schiebel hat die Forschungsergebnisse zusammen mit Wissenschaftlern der Universität Leicester, des European Molecular Biology Laboratory und des Deutschen Krebsforschungszentrums in der Fachzeitschrift „Developmental Cell“ veröffentlicht.

„Die Duplikation von Zellen ist ein extrem wichtiger und hoch regulierter Prozess, dessen Fehlregulation zu der Entstehung von Krebs führen kann“, erklärt Prof. Schiebel. Die Mitose ist dabei der Abschnitt in der Zellduplikation, in dem die genetische Information durch den Spindelapparat auf die Tochterzellen verteilt wird. Die Ausbildung des Spindelapparats beginnt mit der Auflösung der fadenartigen Verbindungen zwischen den Centrosomen, die für die Organisation der Spindelfasern sorgen. Die Spindelfasern, die wiederum für die Trennung der Chromosomen im Prozess der Zellteilung verantwortlich sind, binden zu Beginn der Mitose an das genetische Material und bewegen es in Richtung der Spindelpole. Darauf folgt die Teilung der Zelle in zwei Tochterzellen. „Die vorliegende Arbeit hat jetzt gezeigt, dass sich die Centrosomen von Zellen, die mit dem Wachstumsfaktor EGF stimuliert wurden, früher voneinander trennen als in Zellen mit geringer Stimulation. Dies führt dazu, dass die Mitose schneller und präziser abläuft“, sagt Prof. Schiebel.

Die Forschungsergebnisse haben ihre besondere Bedeutung im Hinblick auf bestimmte Therapeutika in der Krebsbehandlung, die die Spindelfasern blockieren und dadurch die Aufteilung der Chromosomen in der Mitose verhindern. Dadurch werden die Krebszellen, die sich häufiger teilen als gesunde Zellen, selektiv abgetötet. Wie Prof. Schiebel erläutert, haben Zytostatika wie Taxol jedoch erhebliche Nebenwirkungen. Deshalb suchen Forscher nach anderen mitotischen Ansatzpunkten als Ziele für die Behandlung von Krebs.

Nach Angaben von Prof. Schiebel ist das Motorprotein Eg5 ein Kandidat dafür, da dieses Protein von entscheidender Bedeutung für die Zellkernteilung ist. Eg5 vermittelt die Trennung der zwei Spindelpole, was zur korrekten Aufteilung der Chromosomen auf die Tochterzellen führt. Wird nun Eg5 durch synthetische Wirkstoffe wie Monastrol oder STLC gehemmt, stoppt der Zellzyklus in der Mitose. Dies führt in der Folge zum programmierten Zelltod, die „defekten Zellen“ werden eliminiert.

Die Gruppe um Prof. Schiebel hat nun aber herausgefunden, dass Zellen, die durch den Wachstumsfaktor EGF stimuliert werden, bei der Zellkernteilung auf die Funktion von Eg5 verzichten und die Mitose auch ohne das Motorprotein durchführen können. Dadurch verlieren Substanzen wie Monastrol oder STLC ihre Wirksamkeit zum Abtöten von Krebszellen mit hoher EGF-Regulation. „Im Hinblick auf neue Ansätze in der Krebsbehandlung ergibt sich daraus, dass nicht nur das Eg5-Protein, sondern auch der EGF-Weg blockiert werden muss“, erklärt Prof. Schiebel. „Ob diese neue Strategie tatsächlich in der Anwendung beim Patienten erfolgreich ist, muss in den nächsten Schritten in klinischen Studien getestet werden.“

Originalveröffentlichung:
B. R. Mardin, M. Isokane, M. R. Cosenza, A. Krämer, J. Ellenberg, A. M. Fry, and E. Schiebel:
EGF-Induced Centrosome Separation Promotes Mitotic Progression and Cell Survival;
Developmental Cell 25, 229-240, May 13, 2013), doi: 10.1016/j.devcel.2013.03.012

Kontakt:
Prof. Dr. Elmar Schiebel
Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg
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