Kraftstoff aus Biomasse
Verfahren des Forschungszentrums Karlsruhe zur Verwertung organischer Reststoffe mit Future Energy in Freiberg weiterentwickelt
Die Nutzung von Biomasse als einzige erneuerbare Kohlenstoffquelle zur Herstellung organischer Chemikalien und hochreiner Kraftstoffe ist eine der wesentlichen globalen technischen Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte. Sie scheitert bisher daran, dass Biomasse auf großen Flächen verteilt anfällt und wegen der langen Transportwege wirtschaftlich nicht zu verwerten ist. Ein im Forschungszentrum Karlsruhe entwickeltes zweistufiges Verfahrenskonzept löst dieses Problem. Nachdem letztes Jahr das Konzept erfolgreich verifiziert wurde, konnte das Verfahren nun apparativ weiterentwickelt werden.
Schon vor der allmählichen Erschöpfung der billigen fossilen Brennstoffe im Laufe dieses Jahrhunderts stellt die Nutzung biogener Rest- und Abfallstoffe als Ersatz eine technische Herausforderung dar. Um diese Aufgabe rechtzeitig zu lösen, betreibt das Forschungszentrum Karlsruhe Vorsorgeforschung zur Prüfung industrieller Anwendungsmöglichkeiten. Von einer international besetzten Kommission, die die Forschungsarbeiten der Helmholtz-Gemeinschaft im Forschungsbereich Umwelt evaluierte, wurde den Arbeiten eine weltweite Spitzenstellung bescheinigt.
Bei dem im Forschungszentrum Karlsruhe entwickelten zweistufigen Verfahren konzentriert man sich auf den häufigsten Biomassetyp, die Lignocellulose wie Holz oder Stroh. Aus diesen Bioreststoffen können bis zu 10 % des Primärenergiebedarfs in Deutschland gedeckt werden. In dezentralen Anlagen wird zuerst die trockene und zerkleinerte Lignocellulose durch Schnellpyrolyse (Zersetzung beim schnellen Erhitzen unter Luftausschluss) verflüssigt. Entwicklungsarbeiten dazu laufen im Forschungszentrum Karlsruhe. Dabei entsteht ein pumpfähiger Rohteer-Koks-Slurry, ein Gemisch aus Pyrolyseöl und -koks, mit einer zehnmal höheren Energiedichte als die ursprüngliche Biomasse, der in Bahnkesselwagen zu einer zentralen Großanlage transportiert werden kann. In dieser Großanlage wird dann in einem speziellen Flugstrom-Druckvergaser aus dem Slurry ein Synthesegas erzeugt, das nach einer Aufbereitung mit industriellen Verfahren in hochwertige Kraftstoffe und Chemikalien umgewandelt werden kann. Nach der erfolgreichen Verifizierung des Verfahrenskonzeptes rücken Aspekte wie technische Vereinfachung, Zuverlässigkeit und vor allem Wirtschaftlichkeit in den Vordergrund der Entwicklung. Mit zentralen Großanlagen lassen sich Kraftstoffe wirtschaftlicher herstellen als in vielen Kleinanlagen und nur auf diesem Weg kann die Herstellung von Synthesekraftstoff aus Biomasse gegenüber versteuerten Kraftstoffen aus Erdöl konkurrenzfähig sein.
„Die grundlegende technologische Machbarkeit dieses zweistufigen Verfahrens haben wir letztes Jahr demonstriert“, erklärt Dr. Edmund Henrich, der dieses Projekt im Institut für Technische Chemie, Bereich Chemisch-Physikalische Verfahren, des Forschungszentrums Karlsruhe leitet. „Aufgrund weiterer Untersuchungen und Analysen zeigt sich, dass das Verfahren deutliche Vorteile gegenüber vergleichbaren Entwicklungen aufweist und sich eine Weiterentwicklung bis in den technischen Maßstab in Richtung Marktreife lohnt.“ Zur Ausarbeitung einer zuverlässigen und wirtschaftlichen Technik wird die Zusammenarbeit zwischen der Firma Future Energy, Freiberg, und dem Forschungszentrum Karlsruhe vertieft.
Das größte verfahrenstechnische Problem war die Verarbeitung des Slurries zu einem teerfreien Synthesegas. In Europa gibt es nur eine Pilotanlage bei Future Energy in Freiberg, die den hochkonzentrierten und stark aschehaltigen Slurry in einem Flugstrom-Druckvergaser bei hohem Druck in Synthesegas umwandelt. Dieser Vergaser ist mit einem speziellen Kühlschirm ausgerüstet und kann auch Brennstoffe mit hohen Aschegehalten und wechselnden Ascheschmelzpunkten verarbeiten. Dies trifft besonders auf schnellwachsende landwirtschaftliche Restbiomasse wie Stroh zu. Mit einem bei Future Energy entwickelten Brenner ist es möglich, den feststoffhaltigen Slurry direkt mit Sauerstoff zu zerstäuben und umzusetzen.
In weiteren Messkampagnen wird der Einfluss wichtiger Prozessparameter wie Temperatur, Durchsatz und Synthesegaszusammensetzung untersucht, um Fragen zur technologischen Umsetzung und Wirtschaftlichkeit im Detail zu beantworten. Das Verfahren soll so einfach, flexibel, effizient und kostengünstig wie möglich gemacht werden. Über die Ermittlung optimaler Betriebsbedingungen im Vergaser hinaus wird unter anderem das Schlackenverhalten und die Schlackenverwertung als Düngemittel untersucht. Die Wärmerückgewinnung und die Erhöhung des Vergaserdrucks sind weitere Schwerpunkte der künftigen Forschung und Entwicklung. Der Vergaser ist für ein möglichst breites Spektrum von Slurry-Typen geeignet. Damit kann die Auslastung von großen Anlagen gewährleistet werden.
Das Forschungszentrum Karlsruhe ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, die mit ihren 15 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 2,1 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands ist. Die insgesamt 24 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Helmholtz-Gemeinschaft forschen in den Bereichen Struktur der Materie, Erde und Umwelt, Verkehr und Weltraum, Gesundheit, Energie sowie Schlüsseltechnologien.
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