Stimulation auf der Einzelzellebene

Die Universität Ulm auf der Biotechnika 2003

Die Universität Ulm ist mit einer Präsentation der BioRegio Ulm sowie zwei Exponaten auf der Biotechnica 2003 vertreten, die vom 7.-9. Oktober in Hannover stattfindet. Die Sektion „Anästhesiologische Pathophysiologie und Verfahrensentwicklung“ zeigt Methoden der Interpretation von Stoffwechselvorgängen mit Hilfe markierter Testsubstanzen. Das Exponat wird von Dr. Josef Vogt betreut. Herstellung eines Mikroarrays lebender Zellen auf mikro- und nanostrukturierten Oberflächen zur Detektion der direkten Zellantwort auf Einzelzellebene auf physiologische und nichtphysiologische Stimuli heißt das Projekt, das von den Sektionen „Experimentelle Anästhesiologie“ und „Chemische Funktionen in Biosystemen“ präsentiert wird. Federführend ist hier Dr. Michael Hinz.

Isotopenmuster

Auch die Elemente, aus denen sich der menschliche Körper im wesentlichen zusammensetzt, also Kohlenstoff, Sauerstoff, Wasserstoff und Stickstoff, bestehen aus Teilchen unterschiedlicher Masse (Isotopen). Nichtradioaktive Isotope des Kohlenstoffs etwa können angereichert, künstlich in Substanzen wie Zucker eingebaut und dann ohne besonderes Risiko dem Körper zugeführt werden, der diese markierten Substanzen wie unmarkierte ab- oder umbaut. Mit diesem Umbau tauchen die schweren Isotope in anderen Arealen des Körpers auf. Dort entstehen in Abhängigkeit von der Stoffwechselsituation unterschiedliche Isotopenmuster. Aus der Häufigkeit der einzelnen Isotope läßt sich ablesen, in welcher Richtung und mit welcher Intensität bestimmte Stoffwechselprozesse ablaufen.

Die Prozesse können im Blut, in der Atemluft oder im Urin gemessen werden. Neben Biochemie und Massenspektrometrie spielt hier auch die Mathematik hinein, wenn schließlich aus den Markierungsmustern die Aktivität einzelner Stoffwechselvorgänge zu berechnen ist. Allmählich setzt sich der in der Biomedizin etablierte Arbeitsansatz auch in biotechnologischen Anwendungen durch. Der Betrieb eines Labors, in dem solche Untersuchungen durchgeführt werden können, ist allerdings kostenintensiv. Die erforderlichen Meßgeräte werden in rasantem Tempo weiterentwickelt und sind teuer, so daß kleinere Arbeitsgruppen kaum mithalten können.

Industriebetriebe sind in der Regel gut mit modernsten Geräten ausgestattet, doch schrecken sie gegebenenfalls vor dem hohen Personalaufwand zurück, der mit der Anwendung der Isotopen-Technologie verbunden ist. Hier setzt die Arbeitsgruppe von Dr. Vogt an. Sie bietet eine Kooperation zur Unterstützung des Einstiegs in die Isotopen-Technik. Als Gegenleistung erhofft sie sich Zugang zu aufwendigen Geräten und einen finanziellen Beitrag zur Aufrechterhaltung der Laborgrundaustattung, die durch öffentliche Gelder allein nicht finanziert werden kann.

Einzelzell-Chips

Der Einzelzell-Chip stellt einen neuen Typ von Zellkultur dar. Zellen aus beliebigem biologischem Material werden einzeln an definierten Positionen gehalten. Bei einem mikrostrukturierten Trägermaterial, das in zellanziehende (zytophile) und zellabstoßende (zytophobe) Zonen unterteilt ist, werden die zytophilen Bereiche in nanometrischer Dimension weiter untergliedert. Diese Nanostrukturierung erfolgt derart, daß mit geeigneten Substanzen beladene Nanopartikel in den Mikrokompartimenten des Chips ortsfest positioniert werden, um den einzelnen Zellen „Anschluß“ zu bieten. Auf diese Weise, das heißt durch Simulierung einer natürlichen Umgebung, gelingt die Individualisierung der Zellen, die eigentlich auf Zell-Zell-Kontakte angewiesen sind.

Sinn und Zweck dieser von Dr. Hinz und seiner Arbeitsgruppe entwickelten Konfiguration eines Mikroarrays lebender Zellen auf mikro- und nanostrukturierten Oberflächen ist die Möglichkeit, die Zellen individuell stimulieren zu können (mit beliebigen natürlichen oder nichtnatürlichen Reizen) und eine direkte, zeitlich auflösbare Zellantwort auf Einzelzellebene zu erhalten. Für die biologische und medizinische Forschung und Praxis hat dieses vielfältig einsetzbare System große Bedeutung. Die Detektion physiologischer Reaktionsweisen und daraus ableitbare statistisch relevante Aussagen, die sich in kurzer Zeit gewinnen lassen, schaffen die Voraussetzung zum Beispiel für eine effektive Wirkstoffentwicklung. Profitieren können von dem System, das die Beurteilung individueller Reaktionsmuster von Probanden und Patienten, aber auch von anderen lebenden Systemen, zum Beispiel Bakterien, ermöglicht, insbesondere die medizinische Diagnostik und die Individualisierung der Therapie. Darüber hinaus lassen sich weitere Fragestellungen der Biotechnologie wie etwa die Optimierung industriell genutzter Zellkulturen durch den Einzelzell-Chip einer Beantwortung zuführen.

Die Mikrostrukturierung der Chips erfolgt einerseits durch Erzeugung von Texturen mit geläufigen Verfahren wie beispielsweise der Photolithographie und andererseits auf chemischem Wege, wenn zellfreundliche von zellabweisenden Zonen abzugrenzen sind. Alternativ zum echten Einzelzell-Chip kann auch eine definierte Zahl von Zell-Zell-Kontakten festgelegt werden. Ein wesentlicher Schlüssel für die Funktion der Chips, betont Dr. Hinz, sind „intelligente“ Substrate als Chip-Oberflächen, in die eine Vielzahl unterschiedlicher Sensoren für die Erfassung physikalischer Meßgrößen integriert werden kann. Ein wichtiger Aspekt ist zudem die Anknüpfung des Zell-Chips an die Umgebung zur Sicherstellung der Versorgung der Zellen wie auch der individuellen Adressierung der Reize und der Detektion der Zellantwort.

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Peter Pietschmann idw

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