Autos zügiger in Serie fertigen
Immer mehr Varianten verschiedener Automodelle drängen auf den Markt, die Produktlaufzeiten werden kürzer und die Energiekosten steigen. Vor allem die langwierigen Anlaufzeiten im Karosseriebau bereiten den Autoherstellern Probleme: Sie müssen die Fertigungsanlagen an die jeweils neuen Bauteile und Baugruppen anpassen. Das ist sehr zeitaufwendig.
Um einzelne Elemente zusammenzubauen, etwa eine Tür oder ein Seitenteil, spannen die Hersteller die Einzelteile in typspezifische Spannvorrichtungen und schweißen sie zusammen. Dabei kommt es auf Genauigkeit an. »Die noch nicht fest verschweißte Tür ist ein instabiles Gebilde – fasst man es an einer Stelle an, biegt sich eine andere durch. Die Mitarbeiter müssen die Vorrichtungen exakt justieren, um das Bauteil zu fixieren«, sagt Marco Breitfeld vom Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU in Chemnitz. Bei jedem neuen Fahrzeugmodell kann es mehrere Monate dauern, bis die Anlage optimal eingestellt ist. Die Vorserie hilft dabei nur wenig: Denn die dort verwendeten Spanner haben nichts mit den später eingesetzten gemein.
Anlaufzeiten deutlich reduzieren
Das IWU hat eine Vorrichtung entwickelt, mit der sich bereits ermittelte Parameter direkt auf die Serienproduktion übertragen lassen. »Wir hoffen, die Anlaufzeiten damit um bis zu 50 Prozent reduzieren zu können«, so Breitfeld. Das verwendete Verfahren heißt »Try-Out« und wird bereits beim Umformen im Presswerk angewendet. Spezielle Try-Out-Pressen ermitteln beispielsweise die Stellgrößen für einen qualitätsgerechten Betrieb außerhalb des Serienprozesses – ohne die Produktion zu unterbrechen. Die Pressen simulieren dabei die Prozessparameter und die Fertigungsumgebung der regulären Anlage. Nun haben die Wissenschaftler das Verfahren auf den Karosseriebau übertragen. »Wir betreten damit Neuland und haben das Prinzip der Pressen auf die Spannvorrichtungen übertragen«, sagt der Forscher.
Diese enthalten vier funktionale Elemente, die ähnlich einem Baukasten zusammengesetzt sind: Mit Höhenmodulen lässt sich die Konsolenhöhe flexibel einstellen; den Winkel der Spannelemente legen Winkelmodule fest. Shim-Module übernehmen die Feinjustierung. Dabei handelt es sich um Flächen unterschiedlicher Dicke, die man in die Vorrichtung einbringt. Maximal zehn Millimeter in jeder Richtung hat man damit Spielraum. Über das Steifigkeitsmodul simulieren die Forscher, wie steif die Vorrichtung wäre, wenn sie aus Stahl, Aluminium oder Kunststoff bestünde.
Auch Leichtbaupotentiale kann das IWU mit diesem Verfahren erschließen. Nicht für die Karosserie, sondern für Geräte und Bauteile, die der Autobauer benötigt, um zu produzieren. Die Forscher nutzen die Try-Out-Vorrichtung als Versuchseinrichtung und simulieren mit ihrer Hilfe die Steifigkeit der einzelnen Komponenten und Spannelemente. Sie testen die Grenzen der Anlage und ermitteln, wie viel Gewicht eingespart werden kann, ohne dass die Konstruktion instabil wird.
»Bei einem Modellwechsel tauschen die Hersteller oft die ganze Anlage aus. Für ein Seitenteil beispielsweise kann diese bis zu zweieinhalb Tonnen wiegen. Eine flexible Produktion ist mit solch großen Anlagen nicht möglich«, so der IWU-Wissenschaftler. Die Try-Out-Spanner sind fertig entwickelt. Noch in diesem Jahr wollen die Forscher entsprechende Dienstleistungen anbieten.
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