Wie Honigbienen ihre Geschwister ausbrüten

Diese "Heizerbiene" hat ihre Brustmuskulatur auf über 40 Grad Celsius (gelb) erwärmt, um ihr Brutgeschäft zu erledigen. Die thermographische Aufnahme zeigt die von den Muskeln ausgehende Wärme als schmetterlingsförmigen Abdruck auf der Biene.

Bei der Aufzucht ihrer Brut betätigen sich Bienen als lebende Heizkessel: Sie sitzen scheinbar untätig in einer Wabenzelle und erhitzen ihren Körper durch ein hochfrequentes Zittern der Flugmuskulatur. Die abgestrahlte Wärme hält den Nachwuchs in den umliegenden Zellen so warm, dass er gut gedeihen kann. Das haben die Bienenforscher von der Uni Würzburg entdeckt, und das „Journal of Experimental Biology“ wird demnächst darüber berichten.

Wenn Honigbienen heranwachsen, ist ihr etwa zehntägiges Dasein als Puppe besonders kritisch, weil dann der Umbau von der Larve zum erwachsenen Insekt stattfindet. Diese Verwandlung muss in einem sehr engen Temperaturbereich vor sich gehen, nämlich zwischen 33 und 36 Grad Celsius. Nur dann entstehen gesunde und kluge Bienen – klug in der Hinsicht, dass sie den Schwänzeltanz und andere Formen der Kommunikation beherrschen. Aus diesem Grund brüten die Tiere ihre kleinen Schwestern regelrecht aus – in der Tat handelt es sich um Geschwister und nicht um Kinder, denn schließlich stammt der gesamte Nachwuchs von derselben Königin ab.

Das Brutwärmeverhalten der Bienen entzieht sich weitestgehend den menschlichen Sinnen. Doch mit Hilfe modernster Wärmebildtechnik haben an der Uni Würzburg Marco Kleinhenz und Brigitte Bujok aus der Bienengruppe – die sich selbst „Beegroup“ nennt – unter Leitung von Jürgen Tautz und in Kooperation mit Stefan Fuchs (Oberursel) aufgeklärt, welche Strategien die Bienen für die Heizung ihres Brutnestes erfunden haben.

Dass die Wärme mit Hilfe der Flugmuskulatur erzeugt wird, war bekannt. Dabei kann sich der Brustabschnitt einer Biene auf über 40 Grad Celsius aufheizen. Dieser Prozess verbraucht im Sommer mehr als die Hälfte der in den Stock eingetragenen Energie. Nektar dient also in erster Linie als Brennstoff zur Klimatisierung des Brutnests und weniger als Futter.

Wenn der Brustabschnitt einer „Heizerbiene“ heiß genug ist, nutzt diese zwei Strategien, um ihre Wärme effektiv auf die Puppen zu übertragen, die einzeln in verdeckelten Wabenzellen ruhen. Entweder presst die Biene ihre Brust fest auf die Deckel der Zellen, so dass die darunter liegende Puppe die Wärme abbekommt. Dieses Verhalten haben die Würzburger Zoologen schon 2002 beschrieben.

Effektiver ist aber die zweite Strategie, die Tautz und seine Mitarbeiter nun entdeckt haben. Dabei machen die Bienen von einer architektonischen Besonderheit des Brutnestes Gebrauch: Eingestreut in die flächig verdeckelte Brutregion finden sich immer wieder leere Zellen. Darin entdeckten die Forscher bewegungslose, aber hoch aufgeheizte Bienen. Diese Heizerinnen können durch die sechseckige Form der Wabenzellen bis zu sechs umliegende Puppen gleichzeitig bebrüten. „Besonders eifrige Bienen verbringen bis zu einer Stunde heizend in solchen Wabenzellen“, sagt Tautz.

Für diese neuen Erkenntnisse aus Würzburg bekamen Marco Kleinhenz und Brigitte Bujok insgesamt zwei Mal auf der jährlich stattfindenden Tagung der Arbeitsgemeinschaft der Bieneninstitute einen Preis für den besten studentischen Beitrag. Ihre Forschungsergebnisse werden am 24. Oktober 2003 vom „Journal of Experimental Biology“ online veröffentlicht und dort von den Herausgebern als besonders beachtenswertes „Highlight“ eingestuft. Die Druckversion erscheint im Dezember.

Die physikalischen Grundlagen der Wärmeausbreitung in Bienenwaben sind auch für die technische Wärmedämmung, etwa in Gebäuden, interessant. Darum untersucht die „Beegroup“ von Tautz diesen Aspekt derzeit in Kooperation mit dem Bayerischen Zentrum für Angewandte Energieforschung e.V. (ZAE Bayern) in Würzburg.

Weitere Informationen: Prof. Dr. Jürgen Tautz, Tel. 0931 – 888-4319, Fax -4309, tautz@biozentrum.uni-wuerzburg.de

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Robert Emmerich idw

Weitere Informationen:

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