Lebende Zellen eindeutig und schnell analysieren
Das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart kann mit Hilfe der Raman-Spektroskopie lebende Zellen schnell und eindeutig analysieren. Das nicht-invasive optische Verfahren, das unterschiedliche Materialien an ihrem molekularen Fingerabdruck erkennt, wird bislang vor allem zur Qualitätskontrolle von Medikamenten und pharmazeutischen Substanzen eingesetzt.
Durch die Forschungsarbeiten des IGB können nun auch Biologen und Biomediziner diese Technologie nutzen. Sie eignet sich, um lebende Zellen zu untersuchen, ohne in diese eingreifen oder diese – zum Beispiel durch Farbmarker – verändern zu müssen. Um Stammzellen zu charakterisieren oder Gewebeveränderungen zu identifizieren, die von Tumoren, Entzündungen, Pilzen oder Bakterien verursacht werden, reicht es nun aus, das Raman-Spektrum – ein spezielles, aussagekräftiges Energiespektrum – der einzelnen Zellen zu ermitteln.
»Durch gemeinsame Projekte mit Universitäten, mit Industriepartnern und dem Land Baden-Württemberg hat sich das IGB hier in den letzten Jahren ein umfangreiches Know-how aufgebaut und die Technologie von der Grundlagenforschung zur Industriereife gebracht. Mittlerweile können wir nicht nur einzelne Zellen, sondern ganze Gewebestrukturen und Organe auf diese Weise untersuchen. Jetzt wollen wir die Technologie weiter verfeinern und noch mehr Anwendungen erschließen«, sagt Prof. Dr. Katja Schenke-Layland vom IGB.
Unverwechselbares Raman-Spektrum
Die Zellbiologen des IGB nutzen ein speziell entwickeltes Raman-Spektroskop, das sie zusammen mit den Physikern des Fraunhofer-Instituts für Physikalische Messtechnik IPM in Freiburg konstruiert haben. Das Gerät ist handlich und kann flexibel für unterschiedlichste wissenschaftliche Fragestellungen genutzt werden. Die ermittelten Spektren sammeln die Wissenschaftler in einer Datenbank. »Jede Zelle hat ein individuelles unverwechselbares Raman-Spektrum. Ärzte können Zellproben ihrer Patienten mit unserer Datenbank abgleichen und schneller diagnostizieren«, sagt Schenke-Layland. Die Technologie ist bereits bei Industriepartnern im praktischen Einsatz. Derzeit arbeiten die Wissenschaftler an einem Schnelltest zur Krebsdiagnose. »Mit mobilen Raman-Spektroskopen könnten Ärzte während der Operation eindeutig sagen, ob der Patient Krebs hat oder nicht. Einfach indem sie die Zellprobe mit der Datenbank abgleichen«, so Schenke-Layland.
Noch ist die Krebsdiagnose kompliziert und langwierig: Nach der Entnahme der Gewebebiopsie muss diese erst für die weitere Untersuchung präpariert werden – zum Beispiel durch entsprechendes Zuschneiden oder Färben, um Biomarker zu kennzeichnen. »Dies erfordert aber immer, in die Probe einzugreifen und diese möglicherweise zu manipulieren«, so Schenke-Layland. Die Probe wird dann an einen Pathologen weitergereicht, der analysiert, ob das Gewebe bösartige oder gutartige Zellen enthält. Diese Methode ist fehleranfällig und kann im schlechtesten Fall dazu führen, dass die Probe am Ende für andere Methoden unbrauchbar ist. »Mit dem softwarebasierten Abgleich über unsere Datenbank werden menschliche Fehler minimiert«, so Schenke-Layland.
Einsatz bei Krebsdiagnose und regenerativer Medizin
Für die nicht-invasive optische Technologie gibt es zahlreiche weitere Anwendungen – insbesondere bei der regenerativen Medizin. Dort soll künstlich hergestelltes Gewebe kranke Zellen bei Patienten ersetzen, beziehungsweise helfen, dieses zu heilen. Dafür müssen gewebespezifische Zellen, beispielsweise aus Knochenmark entnommenen Stammzellen, gewonnen werden. Da Knochenmark jedoch aus sehr unterschiedlichen Zellen besteht, ist es kompliziert, adulte Stammzellen von gewöhnlichen Gewebezellen zu unterscheiden. Außerdem müssen die Stammzellen sauber identifiziert und getrennt werden. Geschieht das nicht, mischen sich andere Zelltypen in das gezüchtete Implantat und es besteht die Gefahr, dass der Körper nicht wie gewünscht darauf reagiert, im schlimmsten Fall sogar Tumore bildet.
Die Raman-Spektroskopie ist ein Verfahren, um verschiedene Materialien eindeutig zu identifizieren und voneinander zu unterscheiden. Sie beruht auf der Wechselwirkung von elektromagnetischer Strahlung und Materie. Strahlt man diese mit Licht einer zuvor genau definierten Frequenz an, reagieren einige der Photonen des Lichts mit den Molekülen der Materie und verschieben dadurch ihr eigenes Energiespektrum. Diese Frequenzverschiebung, oder inelastische Lichtstreuung, zeichnen Raman-Spektroskope mit Hilfe eines Lasers auf. Der Effekt ist nach dem indischen Physiker C.V. Raman benannt, der für seine Arbeiten 1930 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet wurde. Die Verschiebungen unterscheiden sich je nach Material und geben diesem jeweils einen unverwechselbaren spektralen Fingerabdruck.
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