Eismann vom Ötztal stammt aus dem Südtirol
Der Heimatort des 5200 Jahre alten Eismanns konnte mit Hilfe von Isotopenmessungen von Proben aus seinen Zähnen, Knochen und seines Darms ausfindig gemacht werden. Ein internationales Forscherteam, unter Leitung von Dr. Wolfgang Müller, ANU (Australian National University) und unter Beteiligung von Geologen der ETH Zürich, publiziert neue Forschungsergebnisse über den Eismann in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift ’Science’.
Die bestens erhaltene Mumie, die landläufig als Eismann bekannt ist, wurde 1991 in der italienisch-österreichischen Grenzregion in einem Gletscher gefunden. Der Eismann war zum Zeitpunkt seines Todes ungefähr 46 Jahre alt. Seine gut erhaltenen Überreste und seine Ausrüstung geben einen noch nie da gewesenen Einblick in die frühe Zivilisation Zentraleuropas.
Die Herkunft des Mannes – und die Kultur, der er angehörte – blieben allerdings lange im Verborgenen. Eine neue Studie unter Leitung von Dr. Wolfgang Müller von der Australian National University (ANU) und unter Beteiligung von Geologen der ETH Zürich zeigt nun, dass der Eismann aus einem etwa 60 Kilometer südöstlich seiner Fundstelle gelegenen Tal stammt.
Diese Ergebnisse wurden heute im Magazin Science veröffentlicht und belegt, dass die Alpentäler Zentraleuropas im Spätneolithikum vor über 5000 Jahren dauerhaft bewohnt waren.
„Wir können sicher sagen, dass der Eismann in seiner angestammten Region starb – nämlich in der Region des heutigen Südtirols/Alto Adige, im Grenzgebiet zwischen Italien und Österreich. Hier hatte er sich offenbar niedergelassen hatte. Dies lässt den Schluss zu, dass auch viele andere Menschen dort gelebt haben müssen“, sagt Dr. Müller.
„Diese Erkenntnis erlaubt uns einen ganz neuen Einblick in die Geschichte der Menschheit. Wir hoffen, nun in der Lage zu sein, eines der letzten grossen Geheimnisse des Eismannes lüften zu können.“
Dr. Müller begann seine Studie zusammen mit Professor Alex Halliday an der ETH Zürich.
„Die Informationen, die uns der Eismann über die Entwicklung der europäischen Zivilisation liefert, führen direkt zu den zentralen Fragen unserer Herkunft – warum sind wir hier und woher kommen wir“, sagt Dr. Halliday.
„Durch die Weiterentwicklung der Isotopenanalyse sind auch deren potentielle Anwendungsbereiche zahlreicher geworden. Die Forschungsarbeiten an der ETH Zürich reichen heute von Arbeiten über die Herkunft der Planeten bis hin zu Arbeiten über die Herkunft des Menschen. In diesen Wissenschaftszweigen herrscht ein regelrechter Boom.“
Dr. Müller wechselte von der ETH Zürich an die ANU in Canberra, von wo aus er das internationale Forschungsteam leitete, das die isotopische Zusammensetzung der Zähne, Knochen und des Darminhalts des Eismannes mit den vor Ort gegebenen geologischen und hydrologischen Verhältnissen verglich, um dessen Wohngebiet und den Umkreis seiner Reisetätigkeit von seiner Kindheit an bis ins Erwachsenenalter zu untersuchen.
Die Zähne sagen viel über die frühe Kindheit aus, während die Knochen einen Einblick ins Erwachsenenalter des Eismannes erlauben. Knochen werden kontinuierlich umgebaut und zeigen daher in ihrer Zusammensetzung im Durchschnitt die letzten 10 bis 20 Lebensjahre auf.
Durch den Vergleich der Analysedaten von Zahnschmelz, Knochen und Darmüberresten stellten die Forschenden fest, dass der Eismann umhergezogen ist. Sowohl die Gesteinsarten wie auch die Wasserverbindungen weiter südlich – in der heutigen Po-Ebene und im südlichen Adige – stimmen jedoch nicht mit denjenigen überein, die in seinen Zähnen und Knochen gefunden wurden. Die Forscher schliessen daraus, dass der Eismann wahrscheinlich in den Alpentälern der Region umherwanderte und die Alpen nicht überquerte.
„Wir können die Zusammensetzung der Erde und des Gesteins, auf denen die Nahrung des Mannes gewachsen ist, aufgrund zweier Arten von Isotopen rekonstruieren. Es handelt sich dabei um Strontium (Sr) und Blei (Pb), welche wir in den eingelagerten Spurenelementen (Mineralstoffe) seiner Überreste fanden. Dies ist deshalb von Bedeutung, weil wir in dieser Region verschiedene, isotopisch unterschiedliche Gesteinsarten (Kalkstein, Gneis, Vulkangestein) gefunden haben“, sagt Dr. Müller.
„Zudem ermöglichen Sauerstoffisotope eine Rekonstruktion der Zusammensetzung des vom Eismann eingenommenen Wassers. Da die isotopische Zusammensetzung von Regenwasser von dessen Herkunft und vom Umstand abhängt, wie weit eine Wolke über das Festland zieht, bevor Regen fällt, sind die Regenwasserisotope nördlich und südlich der Fundstelle grundlegend verschieden. Wir können deshalb annehmen, dass der Eismann sein ganzes Leben südlich der Alpen verbracht hat.“
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Weitere Informationen:
http://www.anu.edu.au/mac/media/index.htmlAlle Nachrichten aus der Kategorie: Geowissenschaften
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