Bertelsmann Stiftung intensiviert Arbeit an Reformkonzepten
Jahresetat liegt bei rund 67 Millionen Euro / 351 hoch qualifizierte Mitarbeiter /
Reinhard Mohn Preis wird künftig jährlich an eine internationale Persönlichkeit verliehen
Die Bertelsmann Stiftung wird künftig ihr Engagement ausbauen, Reformkonzepte für eine bessere Balance von volkswirtschaftlichem Wachstum und Teilhabe-Chancen des Einzelnen zu entwickeln. „Mehr soziale Gerechtigkeit schafft gleichzeitig auch mehr Wachstum und Wohlstand. Wir brauchen inklusives Wachstum. Ein Wachstum, das sozial, ökonomisch und ökologisch nachhaltig ist“, sagte der Vorstandsvorsitzende Aart De Geus am heutigen Dienstag auf der Jahrespressekonferenz der Bertelsmann Stiftung.
Der Vorstandschef begrüßte in diesem Zusammenhang, dass die deutsche Bundesregierung sich in den kommenden Jahren stärker der Frage widmen möchte, wie die drei Aspekte in jedem einzelnen Politikfeld ausgewogen berücksichtigt werden können. Die Stiftung arbeitet derzeit an einem europäischen Sozialindex, der die soziale Lage in den 28 EU-Staaten analysiert und Reformimpulse für die europäische und die nationalen Regierungen aussenden soll.
Stiftungsstudien wie der Globalisierungsreport oder der Transformationsindex BTI, der die Fortschritte der Schwellen- und Entwicklungsländer untersucht, hatten unlängst untermauert, dass sich weltweit die Teilhabechancen der Menschen an Wohlstand, Bildung, Gesundheit oder politischen Prozessen höchst unterschiedlich entwickeln.
De Geus sagte mit Blick auf Europa, dass die EU zwar eine erste Erholungsphase seit Beginn der Euro-Krise verzeichne, die Schieflagen aber unübersehbar seien. Er nannte die hohe Arbeitslosigkeit in Europas Süden, vor allem unter der jungen Generation, soziale Spannungen, ein Vertrauensverlust in die gemeinsame Währung, in die demokratische Kontrolle und die Funktionsfähigkeit der EU-Institutionen. Die europäischen Nachbarn gäben mit den Folgen der arabischen Rebellion und der aktuellen Krise in der Ukraine Anlass zur Sorge. Dies präge die Wahrnehmung vieler Bürgerinnen und Bürger am Vorabend der Europawahlen.
Die stellvertretende Vorsitzende Liz Mohn hob hervor, ein wichtiger Beitrag für die soziale Teilhabe von Jugendlichen sei die Chance auf Ausbildung und Beschäftigung. „Wir können es uns nicht leisten, Jugendliche ohne Schulabschluss, Ausbildung oder ohne berufliche Perspektive ins Leben zu entlassen“, sagte sie. „Die Bertelsmann Stiftung wird ihre Anstrengungen verstärken, Länder wie Spanien und Indien dabei zu unterstützen, die hohe Jugendarbeitslosigkeit zu überwinden.“ Damit unterstrich Liz Mohn auch das internationale Engagement ihrer Programme.
Neben notwendigen politischen Reformen seien aber auch die Unternehmen gefordert: „Den Unternehmen kommt bei der Förderung von Ausbildung und Beschäftigung eine besondere gesellschaftliche Verantwortung zu“, sagte Liz Mohn. Dies gelte auch für den Mittelstand. In Deutschland haben sich auf Initiative der Bertelsmann Stiftung bis heute 1.600 Betriebe zum Verein „Unternehmen für die Region“ zusammengeschlossen. „Gesellschaftliche Verantwortung ist ein selbstverständlicher Teil der Unternehmenskultur – wer sie annimmt, ist auch wirtschaftlich erfolgreicher“, sagte Liz Mohn.
Der Umgang mit Vielfalt beschäftigt die Bertelsmann Stiftung auch in ihren Bildungs- und Integrationsprojekten. Besonders intensiv wird sich die Stiftung in den kommenden Jahren dem Thema Migration widmen, sagte Vorstandsmitglied Jörg Dräger. Der aktuelle Fokus der Politik liege zu wenig auf vorausschauender, langfristig orientierter Zuwanderung. Fachkräfte aus dem Ausland werden aber bereits heute in Deutschland benötigt. Dieser Bedarf werde weiter steigen.
Die Frage dabei sei: Wie kann Deutschland die dringend notwendige Einwanderung von Fachkräften erfolgreich und fair für alle Seiten gestalten? „Der Wettbewerb um Talente kann nur dann gute Ergebnisse bringen, wenn neben den Interessen der Einwanderungsländer auch die der Auswanderungsländer und der Migranten selbst berücksichtigt werden“, sagte Dräger. Der nächste Reinhard Mohn Preis, der von 2015 an jährlich verliehen wird, sucht deshalb nach solchen „triple win“-Modellen und wird im Juni nächsten Jahres eine internationale Persönlichkeit auszeichnen, die sich für eine faire und zukunftsweisende Gestaltung von Migration engagiert.
Vorstandsmitglied Brigitte Mohn hob die Bedeutung einzelner Aspekte des demographischen Wandels hervor: „Wir werden das Thema Alterung und Pflege vertiefen. In einer Studie arbeiten wir derzeit heraus, welche spezifischen Gestaltungsmöglichkeiten die Kommunen haben, um bedürfnisorientierte – auch häusliche – Pflegestrukturen zu stärken“, sagte sie. Selbst unter Annahme der optimistischsten Szenarien klaffe nach der aktuellen Pflegeprognose der Stiftung bis zum Jahr 2030 zwischen Personalbedarf und Personalangebot eine Lücke von rund 237.000 Pflegefachkräften.
Auch in der Kinder- und Jugendpolitik oder bei der Integration von jungen Menschen mit unterbrochenen Bildungsbiographien fehle es vielerorts noch an wirksamen – und systematisch angewendeten Lösungsansätzen. Im Ruhrgebiet wachse jedes vierte Kind in Armut auf. Brigitte Mohn appellierte, man müsse heute bereits anfangen, innovative Lösungskonzepte zu erproben, und nicht erst in zehn oder 20 Jahren. Sie forderte, „dass auf kommunaler Ebene die staatlichen und die zivilgesellschaftlichen Akteure noch mehr und noch systematischer als bisher zusammenarbeiten. Dabei geht es nicht darum, gemeinnützige Lückenbüßer für leere Staatskassen zu finden: Es geht um Innovationen, Gemeinsinn und Wertevermittlung und natürlich gelebte Demokratie.“
Im Geschäftsjahr 2013 hat die Bertelsmann Stiftung rund 67 Millionen Euro für ihre gemeinnützigen Projekte ausgegeben (2012: 63 Mio. Euro). Seit ihrem Bestehen hat die Bertelsmann Stiftung damit rund 1.120 Millionen Euro für gemeinnützige Arbeit zur Verfügung gestellt. Im laufenden Geschäftsjahr steht ebenfalls ein Etat in ähnlicher Größenordnung wie im Vorjahr zur Verfügung. Die Bertelsmann Stiftung beschäftigte Ende 2013 insgesamt 351 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter; davon 112 in Teilzeit.
Über die Bertelsmann Stiftung:
Die Bertelsmann Stiftung setzt sich für das Gemeinwohl ein. Sie engagiert sich in den Bereichen Bildung, Wirtschaft und Soziales, Gesundheit sowie internationale Verständigung und fördert das friedliche Miteinander der Kulturen. Durch ihr gesellschaftliches Engagement will sie alle Bürgerinnen und Bürger ermutigen, sich ebenfalls für das Gemeinwohl einzusetzen. Die 1977 von Reinhard Mohn gegründete, gemeinnützige Einrichtung hält die Mehrheit der Kapitalanteile der Bertelsmann SE & Co. KGaA. Die Bertelsmann Stiftung arbeitet operativ und ist unabhängig vom Unternehmen sowie parteipolitisch neutral.
Rückfragen an:
André Zimmermann, Telefon: 0 52 41 / 81 81129
E-Mail: andre.zimmermann@bertelsmann-stiftung.de
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