Erfassung von Arterienverkalkungen: Kombiniertes Verfahren entwickelt
Krankheiten als Folge von Atherosklerose, bei der sich in den Blutgefässen Ablagerungen bilden, sind weltweit die häufigste Todesursache. Dabei entstehen unter anderem Verkalkungen, die in Röntgenbildern ähnlich wie die Knochen einen starken Kontrast zu den Blutgefässen liefern, die aus Weichgeweben bestehen. In Röntgenbildern waren diese Weichgewebe in direkter Nachbarschaft zu den Verkalkungen bisher kaum oder gar nicht sichtbar.
Ein Forschungsteam aus drei europäischen Ländern unter Leitung von Prof. Bert Müller vom Biomaterials Science Center der Universität Basel hat nun ein kombiniertes Verfahren entwickelt, um die durch Atherosklerose verkalkten und verengten Blutgefässe zu vermessen.
Diese morphologischen Daten der Verengungen (Stenosen) werden zur Simulation des Blutflusses genutzt und erlauben somit die Bestimmung der sogenannten Scherkräfte. Diese sind an den Verengungen erhöht und bieten damit die Grundlage zur Entwicklung von speziellen Nanocontainern, die gefässerweiternde Medikamente lokal und gezielt freisetzen.
Weich- und Hartgewebe unterscheiden
Das neue Abbildungsverfahren kombiniert bekannte Methoden und eignet sich nicht nur für die Vermessung von verkalkten Blutgefässen, sondern auch für jede andere Kombination von stark und schwach röntgenabsorbierenden Materialien, wie bespielweise von Knorpel in der Umgebung von Knochen.
Es nutzt die klassische Röntgenabsorption, zusätzlich aber auch den sogenannten Phasenkontrast, der etwa mittels Gitterinterferometrie gemessen wird: Da die Phasenänderungen der Röntgenstrahlen beim Durchgang durch Materie weniger stark von der Ordnungszahl der darin enthaltenden Elemente abhängen, lassen sich die Weichgewebe in der Umgebung von Hartgeweben viel besser sichtbar machen.
Insgesamt zeigen die Autoren, dass sich stark verkalkte Blutgefässe durch die Kombination der zerstörungsfreien Absorptions- und Phasenkontrastmessungen sowie der etablierten Histologie umfassend charakterisieren lassen. Das Projekt «NO-stress» wird im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms NFP 62 «Intelligente Materialien» vom Schweizerischen Nationalfonds finanziell gefördert.
Originalbeitrag
Margaret N Holme, Georg Schulz, Hans Deyhle, Timm Weitkamp, Felix Beckmann, Johannes A Lobrinus, Farhad Rikhtegar, Vartan Kurtcuoglu, Irene Zanette, Till Saxer, Bert Müller
Complementary X-ray tomography techniques for histology-validated three-dimensional imaging of soft and hard human tissues
Nature Protocols 9, 1401-1415 | doi:10.1038/nprot.2014.091
Weitere Auskünfte
Prof. Bert Müller, Biomaterials Science Center der Universität Basel, Tel. +41 61 265 96 60, E-Mail: bert.mueller@unibas.ch
http://www.nature.com/nprot/journal/v9/n6/full/nprot.2014.091.html – Full Version
Media Contact
Weitere Informationen:
http://www.unibas.chAlle Nachrichten aus der Kategorie: Materialwissenschaften
Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.
Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Artikel über die Materialentwicklung und deren Anwendungen, sowie über die Struktur und Eigenschaften neuer Werkstoffe.
Neueste Beiträge
Lange angestrebte Messung des exotischen Betazerfalls in Thallium
… hilft bei Zeitskalenbestimmung der Sonnenentstehung. Wie lange hat eigentlich die Bildung unserer Sonne in ihrer stellaren Kinderstube gedauert? Eine internationale Kollaboration von Wissenschaftler*innen ist einer Antwort nun nähergekommen. Ihnen…
Soft Robotics: Keramik mit Feingefühl
Roboter, die Berührungen spüren und Temperaturunterschiede wahrnehmen? Ein unerwartetes Material macht das möglich. Im Empa-Labor für Hochleistungskeramik entwickeln Forschende weiche und intelligente Sensormaterialien auf der Basis von Keramik-Partikeln. Beim Wort…
Klimawandel bedroht wichtige Planktongruppen im Meer
Erwärmung und Versauerung der Ozeane stören die marinen Ökosysteme. Planktische Foraminiferen sind winzige Meeresorganismen und von zentraler Bedeutung für den Kohlenstoffkreislauf der Ozeane. Eine aktuelle Studie des Forschungszentrums CEREGE in…