Temperatursprünge am Großen Barriere-Riff

Greatship Maya, das Schiff der IODP-Expedition vor Australien. Hinter den Decksaufbauten ist der Bohrturm zu erkennen. Foto: A. Gerdes, MARUM

In einer Studie, die das Online-Fachmagazin Nature Communications morgen veröffentlicht, präsentiert ein internationales Forscherteam neue Erkenntnisse über Temperaturschwankungen am Großen Barriereriff. Demnach lagen die Meerwassertemperaturen vor der australischen Ostküste in der Zeit vor 20.000 bis 13.000 Jahren deutlich niedriger als bisher angenommen.

Vor allem aber herrschte, verglichen zu heute, ein erstaunlich großes Nord-Süd-Temperaturgefälle. – Die Studie ist das Ergebnis einer Expedition des International Ocean Discovery Program IODP. Sie wirft die Frage auf, wie anpassungsfähig tropische Korallenriffe gegenüber Temperaturschwankungen sind.

Das Große Barriere-Riff erstreckt sich vom zehnten bis zum 24. südlichen Breitengrad über eine Länge von etwa 2.000 Kilometern und bedeckt dabei eine Fläche fast so groß wie Deutschland. Im Lauf der letzten Jahrhunderttausende hat sich das UNESCO-Weltnaturerbe als hoch flexibles Ökosystem erwiesen, indem es, dem Rhythmus von Kalt- und Warmzeiten folgend, beträchtliche Meeresspiegel- und Temperaturschwankungen abfederte.

Das belegt nicht zuletzt die jetzt erschienene Studie in Nature Communications. Sie basiert auf Bohrkernen, die ein internationales Team von Wissenschaftlerinnen im Frühjahr 2010 während einer Expedition des International Ocean Discovery Program (IODP) am seewärtigen Rand des Barriere-Riffs gewann.

Ein YouTube-Video zeigt die Arbeiten an Bord des Expeditionsschiffs Greatship Maya bzw. Unterwasserwelt des Barriere-Riffs: http://youtu.be/g0leVyl5rvo.

Wenige Monate nach der Expedition traf sich das Team im Bremer Bohrkernlager des IODP, um das Probenmaterial eingehend zu untersuchen. „Um das Temperaturregime im Großen Barriere-Riff zu rekonstruieren, haben wir eine Vielzahl Korallenproben der Gattung Isopora analysiert und uns auf zwei Lokationen konzentriert; eine äquatornähere bei 17 Grad südlicher Breite; die andere, äquatorfernere bei 20 Grad“ sagt Erstautor Dr. Thomas Felis vom MARUM.

Mit der Uran-Thorium-Methode bestimmten die Forscherinnen zunächst das Alter der Korallen. Es umspannte den Zeitraum von 25.000 bis 12.000 Jahren vor heute und damit sowohl den Höhepunkt als auch die Schlussphase der letzten Kaltzeit. Anschließend untersuchten sie u.a. das Strontium-Kalzium-Verhältnis in den Korallen, um daraus die damals herrschenden Meerestemperaturen abzuleiten. „Bislang war relativ wenig darüber bekannt, wie die Meerestemperaturen vor Ost-Australien in diesem Abschnitt der Klimageschichte angestiegen sind“, sagt Expeditionsleiter Dr. Jody Webster von der Universität Sydney. „Heute liegen die jährlichen Durchschnittstemperaturen an unserer nördlichen Lokation bei 26,6 Grad Celsius und bei 26,0 drei Breitengrade weiter südlich.“

Während des Höhepunkts der letzten Kaltzeit lagen die Wassertemperaturen indes einige Grad Celsius niedriger als heute. Besonders überrascht war das Autorenteam aber vom Nord-Süd-Gefälle der Temperaturen im Barriere-Riff: „An unserer südlichen, äquatorferneren Lokation war das Wasser während der Zeit vor 20.000 bis 13.000 Jahren um durchschnittlich zwei bis drei Grad kühler als weiter nördlich“, berichtet Dr. Helen McGregor, die früher am MARUM arbeitete und jetzt an der Australian National University in Canberra forscht.

„Heute dagegen beträgt der Temperaturunterschied nur weniger als 0,6 Grad Celsius.“ Die Autoren postulieren, dass der Ostaustralstrom – eine Meeresströmung, die warmes, tropisches Wasser entlang der Ostküste des Kontinents von Nord nach Süd transportiert – damals schwächelte. Daher konnte kühleres, subtropisches Wasser aus dem Bereich der Tasmansee weiter nach Norden in das Barriereriff vordringen.

„Unsere Untersuchungen zeigen, dass die Isopora-Korallen in der Schlussphase der letzten Kaltzeit weit höheren Temperaturschwankungen unterworfen waren als bisher gedacht“, sagt Dr. Thomas Felis. Bleibt die Frage, wie es den Korallen gelang, sich innerhalb weniger Jahrtausende daran anzupassen und warum der Temperaturstress anscheinend nicht dazu führte, dass sie aufhörten zu wachsen – eine Frage, die heute die Diskussion um Korallenriffe beherrscht.

„Einerseits zeigt sich, dass die Korallen damals offenbar anpassungsfähiger waren als wir es uns bislang vorstellen konnten“, so der Bremer Meeresgeologe. „Daraus dürfen wir allerdings nicht ableiten, dass das heutige Barriereriff in der Lage sein könnte, problemlos mit weiter ansteigenden Meerestemperaturen fertig zu werden. Schließlich lag das Temperaturniveau vor 20.000 Jahren deutlich unter dem heutigen.“

Artikel:
Felis, T. et al. Intensification of the meridional temperature gradient in the Great Barrier Reef following the Last Glacial Maximum. Nature Communications 5, 4102, doi: 10.1038/ncomms5102 (2014)

Weitere Informationen / Interviewanfragen / Bildmaterial:
Albert Gerdes
MARUM-Öffentlichkeitsarbeit
Universität Bremen
Tel.: +49 – 421 218 65540
Email: agerdes@marum.de

http://youtu.be/g0leVyl5rvo – Kurzes Expeditionsvideo auf YouTube
http://www.marum.de/Thomas_Felis.html – Webseite des Erstauthors der Studie, Dr. Thomas Felis, MARUM

Media Contact

Albert Gerdes idw - Informationsdienst Wissenschaft

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Geowissenschaften

Die Geowissenschaften befassen sich grundlegend mit der Erde und spielen eine tragende Rolle für die Energieversorgung wie die allg. Rohstoffversorgung.

Zu den Geowissenschaften gesellen sich Fächer wie Geologie, Geographie, Geoinformatik, Paläontologie, Mineralogie, Petrographie, Kristallographie, Geophysik, Geodäsie, Glaziologie, Kartographie, Photogrammetrie, Meteorologie und Seismologie, Frühwarnsysteme, Erdbebenforschung und Polarforschung.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Sensoren für „Ladezustand“ biologischer Zellen

Ein Team um den Pflanzenbiotechnologen Prof. Dr. Markus Schwarzländer von der Universität Münster und den Biochemiker Prof. Dr. Bruce Morgan von der Universität des Saarlandes hat Biosensoren entwickelt, mit denen…

3D-Tumormodelle für Bauchspeicheldrüsenkrebsforschung an der Universität Halle

Organoide, Innovation und Hoffnung

Transformation der Therapie von Bauchspeicheldrüsenkrebs. Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom) bleibt eine der schwierigsten Krebsarten, die es zu behandeln gilt, was weltweite Bemühungen zur Erforschung neuer therapeutischer Ansätze anspornt. Eine solche bahnbrechende Initiative…

Leuchtende Zellkerne geben Schlüsselgene preis

Bonner Forscher zeigen, wie Gene, die für Krankheiten relevant sind, leichter identifiziert werden können. Die Identifizierung von Genen, die an der Entstehung von Krankheiten beteiligt sind, ist eine der großen…