Klimaforschung: Ältestes Eis in Bearbeitung
Wissenschaftler am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) bearbeiten in Bremerhaven das älteste Eis, das je in Menschenhand war: Die Eisbohrkerne, die im vergangenen Winter an der antarktischen Station Dome C abgeteuft wurden, sind bis zu 900.000 Jahre alt. Es stammt aus einer Tiefe von etwa 3200 Metern und gibt Auskunft über Klima und Atmosphäre früherer Zeiten. Das europäische Projekt EPICA unterhält zwei Bohrstellen in der Antarktis, an denen altes Eis für die Klimaforschung gewonnen wird.
Dünnschnitt eines Eisbohrkerns in kreuzpolarisiertem Licht. Foto: Sepp Kipfstuhl, AWI.
Es handelt sich um rund 120 Stücke von jeweils einem halben Meter Länge. Sie sind in der vergangenen Woche aus Grenoble in Bremerhaven eingetroffen und liegen nun im Eislabor des AWI. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Paris, Kopenhagen, Cambridge, Grenoble und vom AWI werden sie ab dem 17. November zerteilen, digitale Aufnahmen davon anfertigen und an Dünnschnitten erste Kristalluntersuchungen vornehmen. Danach werden die Stücke an die beteiligten Institute verteilt, wo sie weiter analysiert werden.
Eiszeit – Warmzeit
„In den vergangenen 800.000 Jahren wechselten Warm- und Kaltzeiten auf der Erde etwa alle 100.000 Jahre“, erklärt Dr. Hubertus Fischer, Glaziologe am AWI, „Davor aber wechselten sie alle 40.000 Jahre. Deshalb ist gerade die Zeit davor besonders interessant für uns.“
Eiszeiten oder Warmzeiten entstehen dann, wenn sich langfristig die Einstrahlung der Sonne auf die Erde verändert. Eine der wichtigsten Fragen ist, wie sich solche Änderungen auf die Atmosphäre auswirken. Besonders der Zusammenhang mit der Konzentration der Treibhausgase Kohlendioxid und Methan ist dabei von Interesse. An den bisherigen Eisbohrkernen wurde nachgewiesen, dass in Warmzeiten erheblich mehr Kohlendioxid in der Atmosphäre enthalten ist als während der Kaltzeiten. „Es verstärkt den Prozess der Erwärmung, aber es verursacht ihn nicht allein“, so Fischer, „heute gibt es aber durch die Verbrennung fossiler Energiequellen mehr Kohlendioxid als in der natürlichen Atmosphäre der letzten Eiszeitzyklen.“ Lufteinschlüsse in den Eisbohrkernen haben die Atmosphäre früherer Zeiten konserviert. Besonders aufschlussreich für unsere heutige Zeit ist die Untersuchung der viertletzten Warmzeit, die unter sehr ähnlichen solaren Einstrahlungsbedingungen stattfand wie die heutige.
Europäische Zusammenarbeit
Im „European Project for Ice Coring in Antarctica“ (EPICA) arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus zehn Nationen (Belgien, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Italien, Niederlande, Norwegen, Schweden, Schweiz, Großbritannien) zusammen, um an zwei Bohrstellen in der Antarktis Eisproben aus der Vergangenheit zu gewinnen. Das AWI repräsentiert die deutsche Beteiligung und betreibt die Kohnen-Station in Dronning Maud Land. Die Station Dome C in der Ostantarktis wird von Frankreich unterhalten und liefert aus einer Tiefe von bis zu 3200 Metern das älteste Eis. An der Kohnen-Station des AWI wird Eis aus einer Tiefe von bis zu 2800 Metern abgeteuft. Es ist „nur“ rund 300.000 Jahre alt, aber da hier mehr Schnee fällt, ergibt sich eine bessere zeitliche Auflösung.
Antarktis-Saison
Die Kohnen-Station des AWI wird Anfang Dezember 2003 wieder eröffnet. Achtundzwanzig Wissenschaftler, Techniker und Logistiker aus den beteiligten Ländern werden dann die Bohrung 900 Meter weiter bis in eine Tiefe von 2400 Metern fortsetzen. Erst in der Saison 2004/2005 ist mit dem Abschluss der Arbeiten, mit dem Erreichen des felsigen Untergrundes, zu rechnen. An Dome C sind in dieser Saison noch 50 bis 70 Meter Eisbohrkern abzuteufen.
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