"DUO" soll Licht ins Dunkle Universum bringen
NASA plant „Dark Universe Observatory“ (DUO) mit einem vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik entwickelten Röntgenteleskop
Die amerikanische Weltraumagentur NASA plant einen Satelliten zur Erforschung der „Dunklen Energie“, die für die erst vor wenigen Jahren entdeckte beschleunigte Expansion des Universums verantwortlich gemacht wird. Kernstück des Satelliten ist eine vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik entwickelte neuartige Röntgenkamera in Kombination mit sieben Röntgenteleskopen der Firma Carl Zeiss. Die gemeinsam mit US-amerikanischen Forschungsinstituten unter Leitung von Prof. Richard Griffiths von der Carnegie Mellon University vorgeschlagene Mission „DUO“ wurde jetzt mit vier anderen Satelliten-Vorschlägen von der NASA aufgegriffen. In einer fünfmonatigen Studienphase soll nun geprüft werden, wie DUO im Jahr 2007 in eine Erdumlaufbahn gebracht werden kann. Von dort aus soll der auf zwei Jahre geplante Satellit von mehreren zehntausend Galaxienhaufen Daten sammeln, mit deren Hilfe dann neue kosmologische Modelle getestet und die Natur der Dunklen Materie aus der großräumigen Struktur der Galaxienhaufen erschlossen werden sollen.
Die Natur der rätselhaften Dunklen Energie, die das Universum auseinander treibt, ist eine der spannendsten Fragestellungen, der sich Astronomie und Physik heute zu stellen haben. Ihre Beantwortung könnte eine fundamentale Umwälzung der Physik erfordern. Ziel künftiger Experimente ist deshalb die genaue Bestimmung des Anteils der Dunklen Energie am Universum und die Klärung ihrer kosmischen Evolution. Angesichts der fundamentalen Bedeutung, die diesen Fragen zukommt, müssen verschiedene Methoden – unabhängig voneinander – angewandt werden, um wechselseitige Überprüfungen zu ermöglichen, systematische Fehler zu reduzieren und die Gesamtgenauigkeit zu erhöhen. Die erst kürzlich publizierten Ergebnisse des NASA-Satelliten „WMAP“ (Wilkinson Microwave Anisotropy Probe) grenzen – in Kombination mit anderen Messungen der Expansion des Universums – die Menge an Dunkler Energie bereits ein. Zu einem ähnlichen Ergebnis hatte bereits die Analyse von Galaxienhaufen mit Hilfe des Röntgensatelliten ROSAT geführt.
Die systematische Röntgenbeobachtung von mehreren zehntausend Galaxienhaufen, also etwa zwanzig Mal mehr als von ROSAT beobachtet wurden, sollen es ermöglichen, die zeitlichen Veränderungen der „Dunklen Energie“ noch genauer und vollkommen unabhängig zu bestimmen. Die WMAP-Beobachtungen haben ihre Informationen aus der Frühzeit des Universums vor 13,7 Mrd. Jahren bezogen und diese mit der heutigen Struktur des Kosmos verglichen. Hingegen erlauben Galaxienhaufen eine Diagnose von einem Zeitpunkt an, als das Universum noch nicht einmal halb so alt war, bis heute, und Auskünfte darüber, wann und wo die Effekte der „Dunklen Energie“ am größten waren.
DUO setzt auf Synergien aus einem neuen Röntgendetektor, der am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik ursprünglich für ROSITA, dem geplanten Nachfolger des im Jahr 1999 fehlgeschlagenen Röntgensatelliten „ABRIXAS“ entwickelt wurde und auf der Internationalen Raumstation ISS eingesetzt werden soll. Mit DUO ergibt sich eine extrem kostengünstige Möglichkeit, diese technologischen Innovationen zu nutzen und bei der Suche nach der Natur der Dunklen Energie einzusetzen. Während einer Missionszeit von zwei Jahren soll DUO zwei Himmelsdurchmusterungen durchführen: Die erste wird denselben Himmelsbereich wie der optische „Sloan Digital Sky Survey“ (SDSS) abdecken. In dieser großflächigen Durchmusterung werden 6.000 Quadratgrad des Himmels und damit etwa 8.000 Galaxienhaufen bis zu einer Entfernung von etwa 6 Milliarden Lichtjahren erfasst.
Eine zweite tiefere Durchmusterung soll in einem Gebiet von 150 Quadratgrad nahe dem galaktischen Südpol etwa 1.800 Galaxienhaufen bis zu Entfernungen von 8 Milliarden Lichtjahren entdecken. Die Durchmusterungsregion wird so gewählt, dass sie mit den geplanten tieferen Durchmusterungen des Mikrowellen-Hintergrunds überlappt, so dass durch die Kombination von Röntgen- und Mikrowellendaten bessere Ergebnisse in beiden Frequenzbändern erzielt werden. Diese Kombination würde auch Synergien mit anderen in Deutschland durchgeführten Projekten, speziell aber mit dem vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie geleiteten APEX-Experiment, eröffnen.
Aus deutscher Sicht würde mit DUO ein großer Teil der Investitionen in ABRIXAS wissenschaftlich amortisiert. Zusätzlich soll ein Industrieauftrag von der NASA an die Firma Carl Zeiss zum Bau des Spiegelsystems ergehen. Das DUO-Team verfügt über einen großen Erfahrungsschatz, der zusammen mit erprobter Hardware und bereits weitgehend fertiggestellter Software sicherstellt, dass DUO seinem wissenschaftlichen Anspruch gerecht wird, nämlich Licht zu bringen in das Dunkel der kosmischen „Zwillinge“ Materie und Energie, die das Verständnis unseres Universums derzeit noch verwirren.
Hintergrundinformation: Dunkle Energie und Dunkle Materie
Seit Edwin Hubble wissen wir, dass das Universum expandiert. In den letzten Jahren wurde die Hubble-Konstante, die Rate der kosmologischen Expansion, immer genauer vermessen. Der heute von den meisten Kosmologen akzeptierte Wert der Expansionsgeschwindigkeit liegt bei 70 km/s/Mpc. Er gibt an, mit welcher Geschwindigkeit in „Kilometern pro Sekunde pro Megaparsec“ sich das Universum ausdehnt. Ein Parsec sind 3,2 Lichtjahre, ein Megaparsec eine Million Parsec, also 3,2 Millionen Lichtjahre. Eine Hubble-Konstante von 70 bedeutet also, dass der Abstand einer 3,2 Millionen Lichtjahre von uns entfernten Galaxie durch die Raumexpansion pro Sekunde um 70 Kilometer wächst.
Wie die Expansion des Universums weitergeht, hängt von seiner mittleren Energiedichte ab. Wäre diese Dichte höher als die „kritische Dichte“, die dem winzigen Wert von etwa sechs Wasserstoffatomen pro Kubikmeter entspricht, würde sich die Expansion des Universums immer mehr verlangsamen und schließlich, weit in der Zukunft, umkehren. Das Universum würde in einem Kollaps, einem so genannten „Big Crunch“ enden. Ein derartiges Universum wird auch als „geschlossen“ bezeichnet.
Die gesammelte Masse sämtlicher leuchtender Sterne im Universum entspricht jedoch nur etwa 0,5 Prozent der kritischen Dichte und die mittlere Dichte der in galaktischen und intergalaktischen Gaswolken verteilten „gewöhnlichen“ (so genannten baryonischen) Materie chemischer Elemente beträgt nur etwa vier Prozent der kritischen Dichte. Aus der Dynamik von Galaxien, und insbesondere aus der Beobachtung von Galaxienhaufen – der größten zusammenhängenden Objekte im Universum – lässt sich ableiten, dass die gewöhnliche Materie nur einen Bruchteil zur gesamten Masse im Universum beiträgt. Diese wird vielmehr durch die „Dunkle Materie“ dominiert- eine bisher noch rätselhafte Materieform, die aus sich relativ langsam bewegenden und nur schwach wechselwirkenden, aber bisher noch unentdeckten Teilchen bestehen muss. Doch immer genauere Messungen haben in den letzten Jahren gezeigt, dass auch die Dunkle Materie nicht für ein geschlossenes Universum ausreicht. Die mittlere Materiedichte beträgt nach den jüngsten umfangreichen Auswertungen von ROSAT-Messungen an Galaxienhaufen nur etwa 30 Prozent der kritischen Dichte, wodurch eine Umkehrung der Expansion in einen Kollaps ausgeschlossen erscheint. Das Universum müsste demnach „offen“ sein.
Eine große Überraschung war aber der im Jahre 2000 durch zwei vollkommen unabhängige Methoden abgeleitete Befund, dass sich nicht nur die Ausdehnung des Universums in alle Ewigkeit fortsetzen wird, sondern dass sich diese Expansion immer noch beschleunigt. Als Einstein 1916 die Allgemeine Relativitätstheorie entwickelte, stellte er fest, dass seine Gleichungen kein stabiles Universum, sondern ein Universum vorhersagten, das sich entweder ausdehnen oder kollabieren musste. Da zu diesem Zeitpunkt die Fluchtbewegung der Galaxien noch nicht bekannt war, führte er in seine Gleichungen ein zusätzliches, stabilisierendes Glied ein, die so genannte „kosmologische Konstante“. Nach Hubble’s Entdeckung der Galaxienfluchtbewegung bezeichnete Einstein seine Konstante als die „größte Eselei“ seines Lebens. Doch die neuesten Messungen aus den Fluktuationen der Mikrowellen-Hintergrundstrahlung und aus der Helligkeit entfernter Supernova-Explosionen lassen darauf schließen, dass Einstein unvermutet doch Recht behalten hat, und dass die der kosmologischen Konstanten äquivalente Energiedichte signifikant größer als Null ist. Diese bisher vollkommen unverstandene „Dunkle Energie“ hat, in gleichen Einheiten angegeben wie die Materiedichte, ungefähr den Wert 0.7 und dominiert damit die Gesamtenergie im Universum.
Aus der Vermessung der quasi-periodischen Fluktuationen der Mikrowellen-Hintergrundstrahlung, zunächst mit Ballon-Experimenten in kleinen Himmelsausschnitten und zuletzt mit dem WMAP-Satelliten der NASA, ergab sich erstaunlicherweise, dass die Gesamtenergie im Universum, also die Summe aus der Materiedichte und der „Dunklen Energie“ sehr nahe bei dem Wert 1 liegt und die Geometrie des Universums demnach nahezu „flach“ ist, also konsistent ist mit der Inflationstheorie des Urknalls. Diese Beobachtungen zusammen lassen keinen Zweifel daran, dass das Universum nur zu vier Prozent aus „normaler“ Materie, aber zu 73 Prozent aus Dunkler Energie und zu 23 Prozent aus Dunkler Materie besteht. Die einfachste Interpretation der heute bekannten kosmologischen Parameter ergibt damit ein Universum, das in einem Urknall begann und sich in alle Ewigkeit exponentiell ausdehnen wird.
Weitere Informationen erhalten Sie von:
Dr. Peter Predehl
Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, Garching
Tel.: 089-30000-3505, Fax: -3569
E-Mail: predehl@mpe.mpg.de
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