Trotz schwächeren Wirtschaftswachstums droht keine Rezession
Auch wenn sich die konjunkturelle Dynamik in Deutschland abgeschwächt hat, sind keine Anzeichen einer beginnenden Rezession zu erkennen. Getrieben von der Inlandsnachfrage dürfte der Aufschwung im Laufe des kommenden Jahres wieder an Schwung gewinnen.
Die Zahl der Arbeitslosen dürfte leicht rückläufig sein und die Inflation voraussichtlich zunehmen. Auch die internationale Konjunktur hat sich in der ersten Jahreshälfte etwas abgeschwächt. Die geopolitischen Konflikte hatten bisher noch keine nennenswerten konjunkturellen Wirkungen, sind aber ein Risiko für den weltwirtschaftlichen Aufschwung.
Die deutsche Konjunktur hat sich im Frühjahr dieses Jahres deutlich verlangsamt. Zwar war der Rückgang der Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal zum Teil Folge der ungewöhnlich milden Witterung im ersten Quartal. Allerdings scheint sich auch die konjunkturelle Dynamik abgeschwächt zu haben. Dämpfend wirkte insbesondere die Außenwirtschaft.
Allerdings dürfte das im zweiten Quartal rückläufige Bruttoinlandsprodukt (BIP) nicht den Beginn einer Rezession markieren. So waren die Monatsindikatoren für Juli überraschend günstig. Zudem stieg die Beschäftigung bis zuletzt, die Arbeitslosigkeit lag stabil auf im längerfristigen Vergleich niedrigem Niveau und die Zahl der offenen Stellen nahm zu.
Da auch die Finanzpolitik leicht stimulierend wirkt und die Geldpolitik bis zum Ende des Prognosezeitraums expansiv ausgerichtet sein dürfte, erwartet das RWI, dass sich der Aufschwung fortsetzt und im Laufe des kommenden Jahres etwas an Schwung gewinnt.
Treibende Kraft wird dabei voraussichtlich die Inlandsnachfrage sein. Denn der Private Konsum dürfte von der weiterhin günstigen Lage am Arbeitsmarkt und den deshalb kräftig steigenden Bruttolöhnen und -gehältern profitieren. Zudem werden die monetären Sozialleistungen 2015 voraussichtlich spürbar ausgeweitet. Die dadurch kräftig steigenden verfügbaren Einkommen bilden auch günstige Rahmenbedingungen für die Wohnungsbauinvestitionen, zumal die Finanzierungskosten wohl niedrig bleiben werden.
Auch die Unternehmensinvestitionen dürften bei zunehmender Kapazitätsauslastung und weiterhin niedrigen Zinsen beschleunigt steigen. Keine Impulse sind dagegen von der Außenwirtschaft zu erwarten. Zwar wird sich der Anstieg der Exporte im Prognosezeitraum beschleunigen, allerdings nicht so stark wie der der Importe. Vor diesem Hintergrund erwartet das RWI einen Anstieg des BIP um 1,5% in diesem und um 1,8% im kommenden Jahr.
Auch 2015 steigt der staatliche Budgetüberschuss
Ungeachtet des Konjunkturaufschwungs und der weiter zunehmenden Beschäftigung dürfte die Arbeitslosigkeit nur leicht zurückgehen und die Arbeitslosenquote bei 6,6% verharren. Zum einen wird die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns wohl den Arbeitsmarkt belasten, zum anderen dürfte der Beschäftigungsaufbau auch weiterhin aus der Stillen Reserve und der Zuwanderung erfolgen. Der Preisauftrieb wird vorerst gering bleiben, in diesem und im nächsten Jahr aber voraussichtlich wieder zunehmen.
Die Inflationsrate dürfte sich entsprechend von 1,0% in diesem Jahr auf 1,6% im kommenden Jahr erhöhen. Die Lage der öffentlichen Haushalte dürfte sich ungeachtet der leicht expansiven Ausrichtung der Finanzpolitik verbessern, da die Steuereinnahmen aufgrund der sich bessernden Konjunktur und der kalten Progression wohl kräftig steigen werden. Der staatliche Budgetüberschuss dürfte sich im laufenden Jahr auf 12 Mrd. Euro und im kommenden Jahr reichlich 13 Mrd. Euro (jeweils 0,4% des BIP) erreichen.
Wegen der im Vergleich zu vielen europäischen Nachbarn in Deutschland deutlich aufwärtsgerichteten Konjunktur, der niedrigen Arbeitslosigkeit und der guten Lage der öffentlichen Finanzen lässt sich hierzulande eine gewisse Selbstzufriedenheit beobachten. Entsprechend stehen in der Wirtschaftspolitik derzeit verteilungspolitische Maßnahmen im Vordergrund, die vielfach negativ auf das langfristige Wachstum wirken. Eine wieder stärker am Wachstum ausgerichtete Wirtschaftspolitik würde nicht nur Deutschland besser auf die Herausforderungen des demografischen Wandels vorbereiten, sondern könnte letztlich auch dem Euro-Raum zu einer kräftigeren Expansion verhelfen.
Weltwirtschaft: Geopolitische Konflikte noch ohne Auswirkungen
Das Expansionstempo der Weltwirtschaft hat sich in der ersten Jahreshälfte etwas abgeschwächt. Die konjunkturelle Grunddynamik wurde in zahlreichen Ländern von Sonderfaktoren überlagert. Durch diese kurzfristig wirkenden Faktoren verlangsamte sich die Produktionsausweitung vor allem in den Schwellenländern weiter, während sie sich in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften sogar leicht beschleunigte.
Es deutet sich an, dass sich nach dem Abklingen der meisten Sonderfaktoren die konjunkturellen Grundtendenzen wieder durchsetzen werden. In den fortgeschrittenen Volkswirtschaften dürfte sich die konjunkturelle Belebung im Vergleich zum ersten Halbjahr daher etwas verstärken. Dagegen dürfte die Produktionsausweitung in den Schwellenländern insgesamt im Prognosezeitraum weiter an Tempo verlieren.
Noch keine nennenswerten konjunkturellen Wirkungen gingen bisher von den geopolitischen Konflikten aus, die in der ersten Hälfte dieses Jahres neu entstanden sind oder sich verschärften. Im Gegenteil: Die Aktienkurse befinden sich in vielen Ländern in der Nähe ihrer historischen Höchststände. Auch Rohstoffe wie Rohöl oder Gold, die sich in den vergangenen Jahren in Phasen der Unsicherheit deutlich verteuerten, zeigen derzeit keine erhöhten Risiken an. Der Ölpreis ist in den vergangenen Monaten sogar gesunken.
Geopolitische Krisen sind Risiko für weltwirtschaftlichen Aufschwung
Unter der Voraussetzung, dass sich keine der derzeitigen geopolitischen Krisen deutlich verschärft und keine neuen hinzukommen, dürfte sich das weltwirtschaftliche Expansionstempo im Prognosezeitraum leicht erhöhen und der weltwirtschaftliche Aufschwung in moderatem Tempo fortsetzen. Insgesamt dürfte die weltwirtschaftliche Produktion in diesem Jahr um 3,3% ausgeweitet werden. Im kommenden Jahr ist mit einem Anstieg um 3,8% zu rechnen. Der Anstieg des Welthandels dürfte sich von 3,3% in diesem Jahr auf 5,3% im kommenden beschleunigen.
Auch wenn die geopolitischen Krisen bisher die weltwirtschaftliche Entwicklung wenig beeinflussen, so haben sie doch die Risiken für den weltwirtschaftlichen Aufschwung deutlich erhöht. Das größte Risiko geht derzeit wohl von einer weiteren Eskalation des russisch-ukrainischen Konfliktes aus.
Verschärft er sich, ist mit deutlich stärkeren gesamtwirtschaftlichen Effekten insbesondere in Europa zu rechnen. Deutlich negative Effekte auf die weltwirtschaftliche Aktivität würden auch entstehen, wenn durch die Kämpfe im Irak und in Syrien die Erdölproduktion in der Region gefährdet würde. Darüber hinaus besteht nach wie vor das Risiko eines erneuten Aufflammens der Krise im Euro-Raum.
(veröffentlicht in „RWI Konjunkturberichte“, Heft 3/2014)
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