Zucker verlängert das Leben gealterter Mäuse

Einer zuckerreichen Ernährung wurde bisher aufgrund der Entstehung von Krankheiten, wie Diabetes, Fettleibigkeit, Herzversagen und Krebs, eine gesundheitsschädliche Wirkung zugeschrieben.

Eine neue Studie des Leibniz-Instituts für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena zeigt nun erstmals, dass gealterte Mäuse mit verkürzten Telomeren einen erhöhten Bedarf an Glukose aufweisen. Eine glukosereiche Ernährung dieser Mäuse bewirkt eine Verbesserung des Zell- und Gewebeerhalts und trägt so zur Verlängerung der Gesundheitsspanne sowie des Gesamtüberlebens bei.

Eine Reduktion des Körpergewichts gilt allgemein als gesundheitsförderliche Maßnahme, um der Entstehung sogenannter Zivilisationskrankheiten vorzubeugen. Studien an Hefezellen, Fliegen, Würmern und Mäusen belegen, dass eine Verminderung der Kalorienzufuhr über die Nahrung einen überlebensverlängernden Effekt haben kann.

Aktuelle Untersuchungen aus den USA zeigen jedoch, dass eine Verminderung der Nahrungszufuhr bei Affen, trotz der Verbesserung von Gesundheitsparametern, wie Blutdruck- und Blutwerten, nicht zu einer Verlängerung der Lebensspanne führt.

„Die Arbeiten erscheinen widersprüchlich und könnten bedeuten, dass eine reduzierte Kalorienzufuhr im jungen und mittleren Lebensalter zwar einen gesundheitsfördernden Effekt hat, im hohen Alter jedoch ein gegenläufiger Effekt auftritt“, so Pavlos Missios, Mediziner aus der Abteilung für Gastroenterologie in Tübingen, der die Untersuchung durchführte.

Die neueste Studie aus dem Leibniz-Institut für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena könnte nun eine Erklärung für die altersabhängigen, gegenläufigen Effekte der Kalorienzufuhr auf die Lebensspanne geben. Im Rahmen des Alterns kommt es zu einer Verkürzung der Telomere, den Endstücken der Chromosomen. Diese Verkürzung begrenzt die Teilungsfähigkeit menschlicher Zellen auf 50-70 Zellteilungen und führt im Alter zu einer Verminderung der Regenerationsfähigkeit und damit zu einer Verminderung des Erhalts funktionsfähiger Organe und Gewebe.

Veränderte Kalorienzufuhr in Abhängigkeit vom Lebensalter

Untersuchungen an Mäusen, in der Wildbahn lebenden Vögeln und auch an menschlichen Blutspendern zeigten, dass die Länge der Telomere mit der Lebenserwartung korreliert. Die neuen Ergebnisse der Arbeitsgruppe von Prof. Lenhard Rudolph am FLI zeigen nun erstmals, dass die Verkürzung der Telomere den Energiebedarf von Zellen und Geweben erhöht.

Dies wiederum führt zu einem erhöhten Bedarf an Glukose, um den wachsenden Energiebedarf des alternden Organismus zur Aufrechterhaltung der Körperfunktionen zu decken. „Sollten diese Arbeiten auf den Menschen übertragbar sein, müssten wir im fortgeschrittenen Alter eine veränderte Nahrungszusammensetzung wählen, um unseren Energiebedarf zu decken und gleichzeitig die Funktionsfähigkeit unserer Organe aufrecht zu erhalten“ so Rudolph, Direktor des Instituts und Leiter der Studie.

Gealterte Mäuse mit verkürzten Telomeren zeigten unter einer Nahrung mit erhöhtem Glukosegehalt – im Vergleich zur normalen Ernährung mit niedrigerem Zuckergehalt – im Durchschnitt eine 20%ige Verlängerung ihrer Gesundheits- und Lebensspanne.

„Diese Ergebnisse waren völlig überraschend und könnten eine Erklärung dafür liefern, dass sich im Alter der Zusammenhang zwischen Körpergewicht und Lebenserwartung umdreht“, so Prof. Bernhard Böhm, Endokrinologe und Mitinitiator der Studie von der Universität Ulm. In der Tat ist ein erhöhtes Körpergewicht bei Menschen im mittleren Lebensalter in der Regel mit einer Verkürzung der Lebensspanne und dem Auftreten von Erkrankungen, wie Diabetes und Krebs, verknüpft.

Im fortgeschrittenen Alter ist dieses Verhältnis aber umgekehrt. Bis zu 30% der Patienten in der Alternsmedizin (Geriatrie) zeigen eine Verminderung des Körpergewichts und Anzeichen von Mangelernährung, was mit einer Verkürzung der Lebenserwartung gegenüber alten Menschen mit einem höheren Körpergewicht assoziiert ist.

„Unsere Ergebnisse müssen jetzt auf die Übertragbarkeit auf den alternden Menschen überprüft werden. Vielleicht benötigen wir im Alter eine Umstellung unserer Diät hin zu einer Nahrung mit erhöhtem Zuckergehalt, um unsere Zellen und Gewebe bei intrinsisch ansteigendem Energiebedarf länger funktionsfähig zu halten“, erläutert Prof. Rudolph.

Erste Pilotstudien wurden bereits mit dem Ernährungsforscher Prof. Stephan C. Bischoff von der Universität Hohenheim in Stuttgart begonnen. “Es wird wichtig sein, klinische Studien zur Bestimmung des Einflusses der Energiezufuhr auf die Gesundheit im Alter unter kontrollierten Bedingungen durchzuführen und gleichfalls Marker zu entwickeln, die anzeigen, wann eine Optimierung der Energiehomöostase erreicht ist.“

Es läuft wohl auf die Frage heraus: Könnte am Ende gar die Buttercremetorte im Alter so wichtig sein, wie die Drosselung von überschüssiger Energiezufuhr im mittleren Lebensalter, um eine Maximierung der Gesundheitsspanne zu erreichen?

Publikation
Pavlos Missios, Yuan Zhou, Luis Miguel Guachalla, Guido von Figura, Andre Wegner, Sundaram Reddy Chakkarappan, Tina Binz, Anne Gompf, Götz Hartleben, Martin D. Burkhalter, Veronika Wulff, Cagatay Günes, Rui Wang Sattler, Zhangfa Song, Thomas Illig, Susanne Klaus, Bernhard O. Böhm, Tina Wenz, Karsten Hiller & K. Lenhard Rudolph. Glucose substitution prolongs maintenance of energy homeostasis and lifespan of telomere dysfunctional mice. Nature Communications 2014, doi: 10.1038/ncomms5924. www.nature.com/naturecommunications

Hintergrundinfo
Das Leibniz-Institut für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena ist das erste deutsche Forschungsinstitut, das sich seit 2004 der biomedizinischen Altersforschung widmet. Über 330 Mitarbeiter aus 30 Nationen forschen zu molekularen Mechanismen von Alternsprozessen und alternsbedingten Krankheiten. Näheres unter www.fli-leibniz.de.

Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 89 selbständige Forschungseinrichtungen. Deren Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute bearbeiten gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevante Fragestellungen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Grundlagenforschung. Sie unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer in Richtung Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Institute pflegen intensive Kooperationen mit den Hochschulen ‑ u.a. in Form der WissenschaftsCampi ‑, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem maßstabsetzenden transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 17.200 Personen, darunter 8.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei 1,5 Milliarden Euro.

Näheres unter www.leibniz-gemeinschaft.de 

Kontakt:
Dr. Kerstin Wagner
Leibniz-Institut für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI)
Beutenbergstr. 11, 07745 Jena
Tel.: 03641-656378, Fax: 03641-656351, E-Mail: presse@fli-leibniz.de

http://www.fli-leibniz.de – Homepage Leibniz-Institut für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) Jena

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