Das «Seepferdchen» im Gehirn arbeitet auch unbewusst

Menschen erleben alltäglich Episoden, an die sie sich später erinnern. Der Begriff «episodisches Gedächtnis» bezeichnet dabei Verknüpfungen zwischen Personen, Objekten, Raum und Zeit. Ein simples Beispiel für eine solche Episode: Person X hat mir gestern im Restaurant ein Buch geschenkt.

«Bislang ging man davon aus, dass das episodische Gedächtnis solche Verknüpfungen nur bewusst speichern und abrufen kann», sagt Katharina Henke vom Berner Institut für Psychologie und dem Center for Cognition, Learning and Memory (CCLM).

Gemäss Lehrmeinung ist der Hippocampus, ein Seepferdchen-förmiges Hirnareal, lediglich für diese bewusste Lern- und Erinnerungsleistung zuständig. Henke hat nun gemeinsam mit Kollegen der Universitätsspitäler Bern und Zürich in der Zeitschrift BRAIN allerdings gezeigt, dass der Hippocampus mehr kann: Er ist auch für das Abspeichern und Abrufen von Episoden zuständig, die ein Mensch unbewusst erlebt.

Unbewusst Zusammenhänge erkennen

Das Forscherteam testete, wie Patienten mit Schädigungen im Hippocampus sowie gesunde Kontrollprobanden unbewusst präsentierte Wortpaare abspeicherten und später abriefen. Zum Beispiel präsentierten die Forschenden das Wortpaar ‹Violine – Zitrone› – allerdings nur unterschwellig:

Die Worte waren hinter schwarz-weissen Pixelmustern «versteckt». Im nachfolgenden Gedächtnistest wurden gut sichtbare Wortpaare präsentiert. Ein solches Paar bestand aus Synonymen zu den unbewusst gelernten Wortpaaren, im Beispielsfall etwa aus den Worten ‹Cello – Mandarine›.

Die Idee dahinter: Die Probanden würden Worte eher als zueinander passend beurteilen, wenn sie sich unbewusst daran erinnerten, dass sie ähnliche Verknüpfungen zuvor schon gesehen hatten. Dies bestätigte sich bei den gesunden Kontrollprobanden, die unbewusst gelesene Wortpaare abspeichern und abrufen konnten.

Mit einer Kernspintomographie konnten die Forschenden zudem erkennen, dass der Hippocampus sowohl beim unbewussten Abspeichern als auch beim unbewussten Abrufen von Verknüpfungen zwischen Worten aktiviert war. Dies belegt laut Katharina Henke, dass neue Verknüpfungen – sprich erlebte Episoden – unbewusst abgespeichert und abgerufen werden können: «Das Gehirn verfügt offenbar über spezialisierte Areale wie den Hippocampus, die ihren Job immer ausüben, auch unbewusst.»

Welche zentrale Rolle dieses Areal spielt, zeigte das Ergebnis der Patienten mit einer Hippocampus-Schädigung: Diese konnten neue Verknüpfungen von Worten weder bewusst noch unbewusst abspeichern. In einem Kontrollexperiment ohne Wortpaare zeigten die Forschenden demgegenüber, dass sowohl kranke als auch gesunde Probanden einzelne unterschwellige Worte unbewusst abspeichern und abrufen konnten, weil das Gehirn in dieser Aufgabe keine neuen Verknüpfungen zwischen den Worten herstellen musste.

Kognition, Lernen und Gedächtnis
Das Center for Cognition, Learning and Memory (CCLM) ist eines von sieben strategischen Forschungszentren der Universität Bern. Wissenschaftler aus den Bereichen Psychologie, Neurologie, Psychiatrie sowie verwandten Disziplinen forschen hier zu Kognition, Lernen und Gedächtnis. Das CCLM bietet auch Dienstleistungen in Form von Beratung oder Interventionen an und betreibt ein Ausbildungsprogramm für Graduierte.
Website: www.cclm.unibe.ch

http://www.kommunikation.unibe.ch/content/medien/medienmitteilungen/news/2014/hi…

Media Contact

Nathalie Matter Universität Bern

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

KI-System analysiert subtile Hand- und Gesichtsgesten zur Gebärdenspracherkennung.

Nicht in der Übersetzung verloren: KI erhöht Genauigkeit der Gebärdenspracherkennung

Zusätzliche Daten können helfen, subtile Gesten, Handpositionen und Gesichtsausdrücke zu unterscheiden Die Komplexität der Gebärdensprachen Gebärdensprachen wurden von Nationen weltweit entwickelt, um dem lokalen Kommunikationsstil zu entsprechen, und jede Sprache…

Forscherin Claudia Schmidt analysiert durch Gletscherschmelze beeinflusste Wasserproben arktischer Fjorde.

Brechen des Eises: Gletscherschmelze verändert arktische Fjordökosysteme

Die Regionen der Arktis sind besonders anfällig für den Klimawandel. Es mangelt jedoch an umfassenden wissenschaftlichen Informationen über die dortigen Umweltveränderungen. Forscher des Helmholtz-Zentrums Hereon haben nun an Fjordsystemen anorganische…

Genetische Analyse zeigt neue Risikofaktoren für Depression in verschiedenen Bevölkerungsgruppen

Globale Studie identifiziert Gene für Depressionen in verschiedenen Ethnien

Neue genetische Risikofaktoren für Depression wurden erstmals in allen großen Weltbevölkerungen identifiziert und ermöglichen es Wissenschaftler*innen, das Risiko für Depression unabhängig von der ethnischen Zugehörigkeit vorherzusagen. Die bislang größte und…