Intensives Kinoerlebnis kann auch zu Hause erreicht werden
Ein intensives Kinoerlebnis kann auch an einem einfachen Computerbildschirm erreicht werden, wenn die Umgebung entsprechend stimulierend gestaltet ist. Wissenschaftler am Psychologischen Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) haben in einer Studie mit rund 300 Probanden herausgefunden, dass entgegen verschiedenen Hypothesen der Blickwinkel für das Kinoerlebnis keine wesentliche Rolle spielt.
Einen größeren Einfluss auf das Gefühl, in einen Film hineingezogen zu werden, spielte in der Studie das Vorhandensein von sogenannten Kontextinformationen. Hatten die Wissenschaftler den Computerbildschirm mit den Attributen eines Kinos versehen, fanden die Testpersonen kaum einen Unterschied zum normalen Kino mit der großen Leinwand. Selbst ein Handydisplay schnitt, wenn es in eine kinokonforme Umgebung eingepasst war, relativ gut ab.
Obwohl die Unterhaltungsindustrie befürchtet, dass illegale Kopien oder Downloads ihr Geschäft ruinieren könnten, gehören Kinobesuche nach wie vor zu den beliebten Freizeitvergnügen. „Man wundert sich, weshalb die Leute überhaupt noch ins Kino gehen, wenn sie doch alles zu Hause sehen können“, sagt Andreas Baranowski vom Psychologischen Institut.
Er hat sich vor diesem Hintergrund mit der Frage beschäftigt, ob der Raum und die Größe der Kinoleinwand zu einem anderen, bevorzugten Kinoerlebnis führen. Dazu wurde den Testpersonen in verschiedenen Umgebungen ein zehnminütiger Ausschnitt aus dem Film „Gullivers Reisen“ gezeigt. Ein Teil der Probanden schaute sich die Filmsequenz in einem Mainzer Programmkino an.
Eine andere Gruppe bekam den Filmausschnitt an einem einfachen Computerbildschirm zu sehen, während eine dritte Gruppe vor einem Modellkino saß, das ebenfalls aus einem Bildschirm der Größe 30 cm x 53 cm bestand, zusätzlich aber nachgebildete Stuhlreihen mit kleinen Knetfiguren, Tapeten- und Vorhang-Attrappen enthielt und so eine Kinoillusion vermittelte. Die letzte Gruppe schließlich musste sich mit einem Kinomodell mit einem noch kleineren Handydisplay begnügen.
Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Zuschauer umso stärker in den Film hineingezogen fühlen, desto größer der Bildschirm bzw. die Leinwand ist. So schneidet zwar die Kinoleinwand am besten ab, allerdings direkt gefolgt von dem Kinomodell mit Computerbildschirm, das wiederum mit nur einem kleinen Abstand vor dem Modell mit Handydisplay rangiert.
„Wir behaupten daher, dass die Bildschirmgröße überschätzt wird“, sagt Baranowski. „Sie ist statistisch gesehen nicht signifikant.“ Signifikant ist allerdings der Unterschied zwischen Kinomodell und bloßem Computerbildschirm, weshalb die Psychologen schlussfolgern, dass der Umgebungseindruck die entscheidende Rolle spielt.
Fotos:
http://www.uni-mainz.de/bilder_presse/02_psychologie_filmerlebnis_01.jpg
Blick auf den Bildschirm im Modellkino mit einem 24-Inch-Computerbildschirm
Foto: Andreas Baranowski
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Ansicht des Modellkinos mit einem 24-Inch-Computerbildschirm
Foto: Andreas Baranowski
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Ansicht des Modellkinos mit einem iPhone 5s (4-Inch-Display)
Foto: Andreas Baranowski
Veröffentlichung:
Andreas M. Baranowski, Heiko Hecht
The big picture: Effects of surround on immersion and size perception
Perception, Volume 43, Issue 10
DOI: 10.1068/p7663
Weitere Informationen:
Dipl.-Psych. Andreas Baranowski
Abt. Allgemeine Experimentelle Psychologie
Psychologisches Institut
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
55099 Mainz
Tel. +49 6131 39-39278
Fax +49 6131 39-39268
E-Mail: baranowski@uni-mainz.de
http://experimental.psychologie.uni-mainz.de/joomla/index.php/de/die-abteilung-de/mitarbeiter-de/79-baranowski-andreas.html
Weitere Links:
http://www.perceptionweb.com/abstract.cgi?id=p7663 (Abstract)
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