Die größte kosmische Gravitationslinse
Neuer Rekordhalter mit deutscher Beteiligung entdeckt
Eine internationale Forschergruppe aus Japan, den USA und dem Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg hat mit Hilfe des Sloan Digital Sky Surwey (SDSS) die mit Abstand größte Gravitationslinse entdeckt. Es handelt sich um einen Galaxienhaufen, der von einem weit hinter ihm liegenden Quasar vier getrennte Bilder erzeugt (Nature, 18./25. Dezember 2003).
Schon Albert Einstein hatte aus seiner allgemeinen Relativitätstheorie gefolgert, dass große Massenkonzentrationen den Weg eines nahe an ihnen vorbei laufenden Lichtstrahls beugen und dadurch als „Gravitationslinsen“ wirken sollten. Die Folge: Von einer weit hinter der „Linse“ stehenden Lichtquelle entsteht ein verstärktes, möglicherweise mehrfaches Bild. Damals hielt Einstein dieses Phänomen allerdings für unbeobachtbar.
Im Jahre 1979 wurde die erste kosmische Gravitationslinse tatsächlich entdeckt, seither haben die beobachtenden Kosmologen mehr als 80 weitere Beispiele gefunden und untersucht, zwölf davon im Rahmen des SDSS-Projekts. Typischerweise spielt eine in großer Entfernung stehende Galaxie oder sogar ein ganzer Galaxienhaufen die Rolle der Linse. Eine noch viel weiter entfernte, hinter dem Galaxienhaufen liegende Galaxie oder, viel seltener, ein heller Quasar ist die Quelle, deren Licht im Gravitationsfeld der „Linse“ gebeugt wird.
Der neue Rekordhalter, genannt SDSS 1004, wird in einer soeben in der Zeitschrift Nature erschienenen Veröffentlichung vorgestellt. Das Dramatische an diesem Fall ist, dass die vier Quasarbilder mehr als doppelt so weit auseinander stehen, wie im stärksten bisher bekannten Fall – sie stehen am Himmel scheinbar eine Million Lichtjahre voneinander entfernt. Das bedeutet, dass hier die Masse der „Linse“ weit größer ist als in allen anderen bekannten Fällen: Nach einer ersten Schätzung beträgt die Masse der Linse 2 x 1014 (200 Billionen) Sonnenmassen – das ist das Hundertfache der Masse unserer Galaxis.
„Unsere kosmologischen Modelle sagen hohe Anteile Dunkler Materie an der Masse der Galaxienhaufen und damit die Existenz solcher großen Gravitationslinsensysteme voraus“, erklärt Hans-Walter Rix, an der neuen Entdeckung beteiligter Forscher und Direktor am Max-Planck-Institut für Astronomie, „und so ist es gleichermaßen aufregend und erleichternd, dass wir jetzt, nach 20 Jahren Suche, eine solche Linse gefunden haben.“ Und er fügt hinzu: „Aufgrund unserer Modelle müssen derart extreme Fälle allerdings sehr selten sein. Deshalb wurde diese Entdeckung – in bester Übereinstimmung mit der Theorie – erst durch die revolutionäre Himmelsdurchmusterung des SDSS möglich, bei der 30.000 Quasare nach dem Linseneffekt durchsucht worden sind.
„Durch Nachfolgebeobachtungen mit dem Riesenteleskop Subaru auf Hawaii“, sagt der Team-Leiter Naohisa Inada aus Tokio, „wurde zweifelsfrei festgestellt, dass es sich um eine Gravitationslinse handelt.“ Und sein Kollege Oguri fügt hinzu: „Diese extrem starke Gravitationslinse wird ein ideales Labor zur genaueren Untersuchung der Dunklen Materie und ihrer Verteilung relativ zu den sichtbaren Galaxien des Haufens sein.“
Originalveröffentlichung:
Naohisa Inada, Masamune Oguri, Bartosz Pindor, Joseph F. Hennawi, Kuenley Chiu, Wei Zheng, Shin-Ichi Ichikawa, Michael D. Gregg, Robert H. Becker, Yasushi Suto, Michael A. Strauss, Edwin L. Turner, Charles R. Keeton, James Annis, Francisco J. Castander, Daniel J. Eisenstein, Joshua A. Frieman, Masataka Fukugita, James E. Gunn, David E. Johnston, Stephen M. Kent, Robert C. Nichol, Gordon T. Richards, Hans-Walter Rix, Erin Scott Sheldon, Neta A. Bahcall, J. Brinkmann, Z¡ eljko Ivezic, Don Q. Lamb, Timothy A. McKay, Donald P. Schneider & Donald G. York
A gravitationally lensed quas
Weitere Informationen erhalten Sie von:
Prof. Hans-Walter Rix
Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg
Tel.: 06221 528-210
E-Mail: rix@mpia-hd.mpg.de
Dr. Jakob Staude
Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg
Tel.: 06221 528-229
E-Mail: staude@mpia-hd.mpg.de
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