Funktion der dendritischen Architektur von Nervenzellen beleuchtet

(A) Beispiel der Struktur eines von insgesamt fünf Flügel-Senker-Motorneuronen der Taufliege Drosophila. (B) Verlust der Dendriten nach selektiver genetischer Manipulation dieser Motorneurone. (C) Das Tier kann auch mit drastischen dendritischen Defekten der Flügel-Senker-Motorneurone noch fliegen, aber Dendriten sind entscheidend für die Feinkontrolle motorischen Verhaltens. Abb.: Abteilung Neurobiologie, JGU

Dendriten sind Verästelungen von Nervenzellen, die Eingangssynapsen tragen. Schätzungsweise 100 Milliarden Neurone im menschlichen Gehirn bilden etwa 100 Billionen Synapsen an ungefähr 150.000 km Dendritenkabel. Eine zentrale Frage der neurobiologischen Grundlagenforschung ist, weshalb Nervenzellen derart viele Dendriten aufweisen.

Die gängigen Hypothesen reichen von der Bereitstellung einer ausreichend großen Oberfläche für synaptischen Eingang bis zur Ausbildung hochspezifischer Kompartimentierungen für die molekulare Signalgebung und neuronale Informationsverarbeitung. Strukturdefekte von Dendriten werden mit verschiedenen Gehirnerkrankungen in Verbindung gebracht wie etwa autistischen Störungen, Alzheimer-Demenz oder Schizophrenie. „Allerdings wissen wir oft nicht, ob strukturelle Defekte an Dendriten die Ursache oder die Folge von geschädigten Gehirnfunktionen sind“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Carsten Duch.

In seiner Arbeitsgruppe an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) werden dendritische Strukturen und Funktionen anhand eines Modellorganismus, der Taufliege Drosophila, erforscht. Die experimentelle Herausforderung bei der Analyse der Rolle von Dendriten ist, diese selektiv an einigen identifizierten Nervenzellen mit bekannter Funktion zu manipulieren, ohne andere Eigenschaften dieser Nervenzellen oder andere Nervenzellen zu beeinträchtigen, um dann die resultierenden Funktionsverluste zu analysieren. Genau das haben Biologen in ihrer jüngsten Studie an Motorneuronen von Drosophila mit genetischen Tricks durchgeführt.

„Wir haben zu unserer Überraschung entdeckt, dass diese Motorneuron-Dendriten für die synaptische Ansteuerung, normale Aktivitätsmuster der Motorneurone im Verhalten und grundlegende Verhaltensleistungen entbehrlich sind“, teilen die beiden Erstautoren der Studie, Dr. Stefanie Ryglewski und Dr. Dimitrios Kadas, mit. Sorgfältige physiologische Studien und Verhaltensexperimente haben dann aber gezeigt, dass das Entfernen der Dendriten die funktionelle Feinkontrolle dieser Motorneurone beeinträchtigt. Das wiederum führt zu beträchtlichen Leistungseinbußen bei anspruchsvollem motorischen Verhalten wie etwa bei der Kontrolle der Flughöhe und dem Wechsel zwischen Gesangselementen beim Balzverhalten.

Die Wissenschaftler um Carsten Duch vom Institut für Zoologie haben damit zum ersten Mal einen direkten Hinweis gefunden, dass die dendritische Architektur notwendig ist, um evolutionär festgelegte Verhaltensabläufe, die für den Paarungserfolg und das Überleben zentral sind, zu steuern. Damit liefert die Studie einen Erklärungsansatz, weshalb ein positiver Selektionsdruck auf einer hochkomplexen neuronalen Struktur liegt. Weiterhin nimmt das Ausmaß der Funktionseinbußen von Drosophila-Motorneuronen mit dem Umfang der Schädigung der Dendriten zu. Eine solche Korrelation des Grades der dendritischen Defekte mit dem Ausmaß der neuronalen Störung findet man auch während fortschreitender struktureller Schädigungen bei progressiven neurologischen Erkrankungen.

Veröffentlichung:
Stefanie Ryglewski, Dimitrios Kadas et al.
Dendrites are dispensable for basic motoneuron function but essential for fine tuning of behavior
PNAS, 1. Dezember 2014
DOI: 10.1073/pnas.1416247111

Weitere Informationen:
Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Carsten Duch
Abteilung Neurobiologie
Institut für Zoologie
Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU)
55099 Mainz
Tel. +49 6131 39-23419
Fax +49 6131 39-25443
E-Mail: cduch@uni-mainz.de
http://www.bio.uni-mainz.de/zoo/760_DEU_HTML.php

Weitere Links:
http://www.pnas.org/content/early/2014/11/26/1416247111.short?rss=1 (Abstract)

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Petra Giegerich idw - Informationsdienst Wissenschaft

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