Wie Ozeanströmungen Klimaarchive beeinflussen
Das hat ein internationales Team aus Paläoozeanographen und Ozeanmodellierern unter Beteiligung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel jetzt nachgewiesen. Mit ihrer Studie, die heute im internationalen Online-Fachjournal Nature Communications erscheint, wollen die Beteiligten helfen, zukünftige Klimarekonstruktionen zu präzisieren.
Sie sind mit bloßem Auge kaum zu erkennen, und doch gehören sie zu den wichtigsten Zeugen der globalen Klima- und Umweltgeschichte: Foraminiferen, einzellige Lebewesen, die Kalkschalen bilden, vor allem im Meer leben und seit mindestens 560 Millionen Jahren auf der Erde existieren.
Die chemische Zusammensetzung ihrer Schalen speichert Informationen über die Temperaturen und die Zusammensetzung des Meerwassers zu Lebzeiten der Organismen. Am Ende ihres Lebens sinken die Foraminiferen auf den Meeresboden. Paläoozeanographen finden die Schalen heute in Sedimentkernen und können die gespeicherten Informationen mit modernen Analysemethoden entschlüsseln.
„Es gibt dabei aber ein Problem: Foraminiferen treiben mit den Strömungen. Das heißt, ihr Fundort ist nicht zwangsläufig identisch mit dem Ort, an dem sie die Umweltdaten gespeichert haben“, erklärt der Ozeanograph Dr. Jonathan Durgadoo vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.
Er gehört zu einem interdisziplinären Team von Paläoozeanographen und Ozeanmodellierern, die jetzt erstmals anhand konkreter Sedimentkerne und mit Hilfe von Ozeanmodellen die möglichen Abweichungen der rekonstruierten Temperaturen ermittelt haben. Die Studie erscheint heute in dem internationalen Online-Fachjournal Nature Communications.
Ausgangspunkt der Studie waren die Positionen von zwei Sedimentkernen vor der Küste Südafrikas. In hochauflösenden Ozeanmodellen haben die Kieler Wissenschaftler berechnet, von wo die Foraminiferen zum Fundort dieser Sedimentkerne getrieben worden sein können.
„Dabei ergaben sich Herkunftsgebiete, die teilweise mehrere hundert Kilometer entfernt lagen“, sagt Dr. Durgadoo. In einem weiteren Schritt haben australische Kollegen mit Hilfe eines globalen Ozeanmodells geprüft, in welchen Teilen der Weltozeane Foraminiferen wie weit vertrieben werden, bevor sie als Klimaarchiv am Meeresboden landen.
„Die Strecken, die die Foraminiferen mit den Strömungen zurücklegen, variieren stark, je nachdem in welchen Seegebieten sie vorkommen und wie lange sie leben“, erklärt Dr. Durgadoo. „Die Abweichung in den Temperaturrekonstruktionen, die sich daraus ergibt, kann aber bis zu drei Grad betragen.“
„Diese neue Studie ist ein erster Schritt, damit Wissenschaftler ihre Untersuchungen zu vergangenen Klimazuständen in Zukunft präzisieren können. Sie können damit schnell einen Eindruck erhalten, wie zuverlässig bestimmte Daten sind, wenn sie die Foraminiferenarten und den Ort des Sedimentkerns in Betracht ziehen“, sagt der Erstautor der Studie, Dr. Erik Van Sebille, vom ARC Centre of Excellence for Climate System Science an der Universität von New South Wales. Weitere Studien sollen ein noch genaueres Eichungs-Werkzeug für Klimarekonstruktionen liefern.
Für die beteiligten Kieler Modellierer zeigt die Studie, welche Chancen sich bieten, wenn verschiedene wissenschaftliche Disziplinen zusammenarbeiten. „Beide, modellierende Ozeanographen und Paläoozeanographen, haben hier voneinander gelernt und konnten dadurch in ihren Bereichen Fortschritte erzielen. Dieses Erfolgsmodell wollen wir natürlich auch in Kiel fortsetzen, denn neben Ozeanmodellierung ist auch Paläoozeanographie ein Schwerpunkt der Kieler Meeresforschung“, betont Professor Dr. Arne Biastoch vom GEOMAR, ebenfalls Ko-Autor der aktuellen Studie.
Originalarbeit:
Van Sebille, E., P. Scussolini, J. V. Durgadoo, F. Peeters, A. Biastoch, W. Weijer, C. Turney, C. Paris, R. Zahn (2015): Ocean currents generate large footprints in marine palaeoclimate proxies. Nature Communications, https://dx.doi.org/10.1038/ncomms7521
http://www.geomar.de Das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel
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