Reichweite im 450.000-Kilometer-Praxistest
75 Berufspendler in und um Leipzig nutzten zwischen Mai 2013 und Dezember 2014 jeweils für drei Monate ein Elektroauto BMW ActiveE im täglichen Einsatz. Dabei legten sie rund 450.000 Kilometer zurück.
Die Professur Allgemeine und Arbeitspsychologie der Technischen Universität Chemnitz war für die wissenschaftliche Nutzerforschung verantwortlich. Gemeinsam mit ihren Projektpartnern – der BMW Group und den Stadtwerken Leipzig – untersuchten die Psychologen, wie ein Elektrofahrzeug mit einer heute üblichen Reichweite von rund 150 Kilometern auch im Grenzbereich der Reichweite komfortabel eingesetzt werden kann. Im Ergebnis empfanden mehr als 80 Prozent der Fahrer die verfügbare Reichweite als ausreichend für den Alltag.
Im Schnitt absolvierten die Nutzer rund 90 Kilometer pro Tag mit dem ActiveE. 38 Prozent fuhren im Mittel sogar mehr als 100 Kilometer, einzelne Nutzer bis zu 6.000 Kilometer in den ersten sechs Wochen. Als längste Fahrstrecke legte ein Fahrer 367 Kilometer an einem Tag zurück. Über den gesamten Zeitraum konnten 91 Prozent aller getätigten Fahrten mit dem Elektrofahrzeug ausgeführt werden. Der Hauptgrund der Nicht-Nutzbarkeit war in der Hälfte der Fälle erwartungsgemäß eine zu große geplante Gesamtfahrstrecke.
„Für uns war die Frage besonders spannend, wie die Nutzer den tagtäglichen Umgang mit ihrem Elektrofahrzeug und der verfügbaren Ladeinfrastruktur im Grenzbereich der Reichweite erleben“, erklärt Prof. Dr. Josef Krems, Inhaber der Professur Allgemeine und Arbeitspsychologie, und ergänzt: „Insgesamt zeigt sich, dass Elektromobilität auch für Nutzer funktioniert, die oftmals längere Strecken zurücklegen. Jedoch gibt es auch ein Potential für Assistenzkonzepte, welche die Interaktion mit der Reichweite noch weiter vereinfachen.“
Bestätigt hat sich die Annahme der Wissenschaftler, dass mit zunehmender Nutzungsdauer und Erfahrung die aufgrund der Reichweite erlebten Stresssituationen abnehmen – nach Gewöhnung an die Reichweite gab es im Durchschnitt nur noch 1,35 solcher Situationen pro Monat. Dabei kamen die Nutzer durchaus in den Grenzbereich der Reichweite: Im Mittel lag der geringste angezeigte Ladestand pro Nutzer bei sechs Prozent. Die Hälfte der Probanden fuhr sogar mindestens einmal auf unter vier Prozent.
Die Ergebnisse geben Hinweise darauf, wie wichtig eine zuverlässige und nachvollziehbare Reichweitenanzeige ist, insbesondere für Strecken im Grenzbereich der Reichweite. Probanden, die ein hohes Vertrauen in die Reichweitenprognose entwickelten, zeigten auch deutlich weniger Reichweitenstress. Gleichzeitig entwickelten die Nutzer auf Basis ihrer Erfahrungen Verbesserungsvorschläge.
Beispielsweise, dass sich der Bezugszeitraum der Reichweitenprognose flexibler einstellen lassen sollte und dass dabei auch verschiedene Fahrertypen oder Fahrstile berücksichtigt werden sollten. Weiterhin würden die Nutzer von einer Reichweitenanzeige profitieren, die transparenter macht, welche Informationen wie stark in die Schätzung einfließen.
„Wir stehen als Projektteam gerade erst am Anfang der Auswertung der zahlreichen interessanten Daten. Wir sind gespannt auf die Ergebnisse und darauf, welche Erkenntnisse sich daraus für eine nutzerzentrierte Weiterentwicklung nachhaltiger Elektromobilitätssysteme ableiten lassen“, so Dr. Thomas Franke, Mitarbeiter der Professur Allgemeine und Arbeitspsychologie.
Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) förderte das Forschungsprojekt im Rahmen des bayerisch-sächsischen Schaufensters ELEKTROMOBILITÄT VERBINDET. Die Professur Allgemeine und Arbeitspsychologie der TU Chemnitz forscht zu unterschiedlichen Themen im Bereich der Verkehrspsychologie, Elektromobilität und Usability. Wer als zukünftiger potenzieller Studienteilnehmer in der Probandendatenbank der Professur gelistet werden möchte, kann sich registrieren unter mytuc.org/dksz.
Kontakt: Dr. Thomas Franke, Professur Allgemeine und Arbeitspsychologie, Telefon 0371 531-37589, E-Mail thomas.franke@psychologie.tu-chemnitz.de
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