Objektiv am Autolack kratzen
Polituren und Wachse für Autokarossen können das Abstumpfen der Lackschicht nur verzögern. Gegen Staub im Fahrtwind und Bürsten von Waschanlagen zieht der Besitzer auf Dauer den Kürzeren. Wie kratzfest ein Lack ist, bewertet ein neues Prüfverfahren.
Glänzend steht er da: der Neuwagen. Doch kaum hat er einige hundert Kilometer auf dem Buckel, haben Staubkörner in der Luft und Bürsten von Waschanlagen erste Spuren im Lack hinterlassen. Im hellen Sonnenlicht ist auch nach stundenlangem Putzen und Polieren ein Heer feinster Kratzer zu erkennen. Zwar sind sie 30-mal dünner als ein Haar, doch können sie Autolack und Besitzerstolz nachhaltig trüben. Glänzende Umsätze erwarten daher die Hersteller kratzfesterer Lacke – doch benötigen sie für ihre Entwicklungen ein objektives Prüfverfahren.
»Die Kratz- oder Verschleißfestigkeit von Lacken richtig zu messen, ist schwer«, weiß Reinhold Bethke vom Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST. »Bisher verwenden die Hersteller dazu wenig reproduzierbare Verfahren. Unsere Prüfmethode misst präzise den Verschleiß; und daraus bestimmen wir die Kratzfestigkeit.«
Bei diesem Verfahren hört der Verschleiß auf den Namen »Kubikmeter pro Newtonmeter«, also: Volumen des abgetragenen Materials pro aufgewendeter Verschleißarbeit. Diese mechanische Arbeit verrichtet ein Kalottenschliffgerät, das als »Calo Tester« inzwischen vom Braunschweiger Unternehmen BAQ GmbH vermarktet wird. Eine Kugel von drei Zentimetern Durchmesser rotiert auf der Lackfläche, wobei die eigentliche Arbeit von einem Schleifpulver verrichtet wird. »Genau auf das Material kommt es an«, verrät Bethke. »Die Kugel besteht aus einem ähnlichen Kunststoff wie die Bürsten in Waschanlagen und das Pulver muss Staub oder Schmutz auf dem Auto möglichst gut nachahmen. Dafür verwenden wir Aluminiumoxid einer bestimmten Korngröße und Kantigkeit.« Also kratzt die Kugel nicht nur herum, sondern schmirgelt eine winzige kreisrunde Delle in den Lack. Nach drei Minuten ist die eingeschliffene Kalotte typischerweise weniger als einen Millimeter breit. Der genaue Wert lässt sich unter dem Mikroskop ausmessen. Daraus errechnet sich das Volumen des verloren gegangenen Lacks. Je weniger Abrieb, desto kratzfester war er.
Das praxisnahe und schnelle Verfahren liefert eine in der Werkstofftechnik etablierte Kenngröße: den Verschleißwert. Sie ermöglicht dem Farbenhersteller, die Abriebfestigkeit seiner Produkte zu objektivieren und er kann sie gezielter verbessern. Damit es schließlich Lack und Autobesitzer weniger kratzt.
Ansprechpartner:
Reinhold Bethke
Telefon: 05 31/21 55-5 72, Fax: 05 31/21 55-9 00, bethke@ist.fhg.de
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