Reise zu unseren Vorfahren

Schädel von einem "jüngeren" Vertreter der Neandertalers, dem Saint-Césaire (Fundort: Dépt. Charante-maritime, Frankreich). <br>Bild: B. Vandermeersch

Paläoanthropologie und -archäologie als weiterer Schwerpunkt am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig etabliert

Eine neue Abteilung für Humanevolution hat am 1. Januar 2004 unter Leitung des renommierten französischen Anthropologen Prof. Jean-Jacques Hublin am Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie ihre Arbeit aufgenommen. Hublin forschte zuvor am Laboratoire d’Anthropologie der Universität Bordeaux in Frankreich. Ziel des neuen Wissenschaftlerteams ist es, die biologische Beschaffenheit, das Verhalten und die Kulturen fossiler Hominiden zu erforschen. Durch das neue Arbeitsgebiet, in dem gerade in den letzten Jahren äußerst wichtige Fortschritte erzielt wurden, wird die interdisziplinäre Forschungslandschaft nicht nur des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie, sondern der Max-Planck-Gesellschaft insgesamt wesentlich bereichert.

Ganz generell interessieren sich die Anthropologen der neuen Abteilung für Fragen wie: Was macht den Menschen zu einem solch besonderen Primaten? Wann und wie sind wir geworden, was wir sind? Wenige wissenschaftliche Fragestellungen sind in einem so hohen Maße im Bewusstsein eines jeden Menschen vorhanden wie diese.

Ein wichtiger Schwerpunkt der Abteilung ist die Feldforschung – Hauptquelle und Voraussetzung für alle weiteren Untersuchungen. Ein erstes Projekt unter der Leitung von Zeresenay Alemseged hat bereits in Äthiopien begonnen. Von dort werden die Wissenschaftler fossile Überreste der ältesten Hominiden erhalten. Zudem sind Ausgrabungen in Europa und in Nordafrika geplant, um den Neandertaler und den ersten anatomisch modernen Menschen detailliert zu erforschen. Die archäologische „Ausbeute“ dieser Ausgrabungsstätten wird dann in den Labors des Instituts in Leipzig analysiert.

Modernste medizinische Untersuchungstechniken, wie die Röntgentechnik sowie neue dreidimensionale Grafikprogramme, ermöglichen es den Wissenschaftlern, virtuelle Abbilder fossiler Funde zu erstellen. So wurde die „Virtuelle Paläoanthropologie“ geboren, mit deren Hilfe fossile Bruchstücke geborgen und rekonstruiert, quantitative Analysen interner anatomischer Strukturen durchgeführt sowie Evolution und Wachstum oder auch biochemische Besonderheiten bereits ausgestorbener Hominiden simuliert werden können.

sind Fragen, die mit dem Wachstum des hominiden Organismus in Verbindung stehen. Heute weiß man, dass die Individualentwicklung unserer Vorfahren unterschiedlich schnell voran ging; vor allem die Dauer der Kindheit und somit die „Zeit des Lernens“ variierte stark. Die individuelle Lebensgeschichte unserer Vorfahren kann bis zu einem gewissen Grad nachgestellt und erforscht werden, wenn man die Mikrostrukturen von fossilen Zahn- und Knochenfunden analysiert. Die Kenntnis davon, wie, und vor allem, wie schnell sich das menschliche Gehirn – in Abhängigkeit von der übrigen körperlichen Entwicklung – entwickelt hat, ist wichtig, um die einzigartigen Fähigkeiten des heutigen Menschen und ihre Herausbildung zu verstehen.

Die Abteilung für Humanevolution widmet sich zudem einem Forschungsgebiet, das man als „Archäochemie“ bezeichnen kann. Prof. Dr. Mike Richards wird die chemische Zusammensetzung von Knochen und Zähnen analysieren, was wichtige Rückschlüsse auf die Umwelt und das Verhalten von Menschen und Tieren der Vergangenheit ermöglicht. So kann eine Isotopenanalyse Auskunft zu Ernährungsgewohnheiten, Migrationen, der Anpassung an die Jahreszeiten und manchmal sogar zum Zusammenleben und Sexualverhalten geben. Verschiedene Methoden aus der Geochemie werden zur Altersbestimmung von fossilem Material genutzt.

Doch warum kam Prof. Dr. Jean-Jacques Hublin von Bordeaux nach Leipzig, um die neue Abteilung am Max-Planck-Institut aufzubauen? In erster Linie, so Hublin, weil die Max-Planck-Gesellschaft in ihren Instituten ausgezeichnete Möglichkeiten für moderne Forschung bietet, und weil gerade ein solches Projekt nur in einem internationalen Kontext und mit den dafür erforderlichen Mitteln aufgebaut und durchgeführt werden kann. „Doch es waren auch meine Begegnungen mit den Direktoren, Wissenschaftlern, Technikern und Studenten des Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie“, sagt Hublin, „die mich davon überzeugt haben, dass sich hier – mitten im „alten Europa“ – etwas komplett Neues und mit Enthusiasmus Betriebenes entwickelt.“

Das Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie wurde 1997 gegründet. Es hat sich zum Ziel gesetzt, die Geschichte der Menschheit mithilfe vergleichender Analysen von Genen, Kulturen, kognitiven Fähigkeiten, Sprachen und sozialen Systemen vergangener und gegenwärtiger menschlicher Populationen sowie Gruppen dem Menschen nahe verwandter Primaten zu untersuchen. Die Zusammenführung dieser Forschungsrichtungen an einem Institut soll zu neuen Einsichten in die Geschichte, die Vielfalt, die Anpassungen und die Fähigkeiten der menschlichen Spezies führen. Das Institut vereint Wissenschaftler verschiedener Disziplinen, die sich von einem interdisziplinären Ansatz her mit der Evolution des Menschen beschäftigen. Zur Zeit arbeiten am Institut fünf Abteilungen und zwei Nachwuchsgruppen.

Media Contact

Sandra Jacob Max-Planck-Gesellschaft

Weitere Informationen:

http://www.eva.mpg.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Größte bisher bekannte magnetische Anisotropie eines Moleküls gemessen

An der Berliner Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II ist es gelungen, die größte magnetische Anisotropie eines einzelnen Moleküls zu bestimmen, die jemals experimentell gemessen wurde. Je größer diese Anisotropie ist, desto besser…

Tsunami-Frühwarnsystem im Indischen Ozean

20 Jahre nach der Tsunami-Katastrophe… Dank des unter Federführung des GFZ von 2005 bis 2008 entwickelten Frühwarnsystems GITEWS ist heute nicht nur der Indische Ozean besser auf solche Naturgefahren vorbereitet….

Resistente Bakterien in der Ostsee

Greifswalder Publikation in npj Clean Water. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Instituts für One Health (HIOH) hat die Verbreitung und Eigenschaften von antibiotikaresistenten Bakterien in der Ostsee untersucht. Die Ergebnisse ihrer Arbeit…