Zellen helfen Viren beim Eindringen

Eine intakte Zellmembran ist grundlegend für die Erhaltung der Zelle und damit auch für die Immunabwehr. Wird die äussere Zellmembran beschädigt, entstehen kleine Poren. Die Zelle kann dadurch ihre wertvollen Wirkstoffe verlieren, weshalb sie die Membranwunden schnell repariert.

Auch menschliche Adenoviren verursachen kleine Poren in der Zellmembran, wie nun Zellbiologen unter der Leitung von Urs Greber, Professor am Institut für Molekulare Biologie der Universität Zürich, entdeckt haben. Diese Poren sind zwar zu klein, um das Virus direkt in die Zelle zu lassen, aber gross genug, um von der Zelle als Gefahrensignal erkannt und innerhalb von Sekunden repariert zu werden. Und genau diesen Reparatur-Mechanismus der Zelle nützt das Adenovirus aus, um eine Infektion auszulösen.

Bestimmte Lipide unterstützen den Virus-Eintritt

Bei dieser Reparatur entstehen Fette, sogenannte Ceramid-Lipide, die es dem Virus ermöglichen, schneller in die Zelle zu gelangen. Die Ceramid-Lipide begünstigen die Krümmung der Membran und damit die Bildung von Endosomen – Fettbläschen, die an der Zellmembran zum Zellplasma abknospen und Viren enthalten. Mit Hilfe der Ceramid-Lipide gelingt es dem Virus danach, die Membranwunden entscheidend zu vergrössern und das Endosom zu verlassen. Das Virus dringt so in die Zelle ein, vermehrt sich im Zellkern und infiziert daraufhin weitere Zellen.

«Es ist uns gelungen, bestimmte zelluläre Lipide als wichtige Komponenten für den Virus-Eintritt in die Zelle zu identifizieren, was überraschend ist, weil Lipide zwar vielfältige und wichtige Rollen in der Biologie spielen, aber schwierig zu erfassen sind», erklärt Stefania Luisoni, Studien-Erstautorin und Doktorandin am Institut für Molekulare Biologie.

Diese positive Rückkopplung zwischen der vom Virus induzierten Porenbildung in der Zellmembran und der zellulären Reparatur liefert eine Erklärung für die schon lange bekannte hohe Infektionseffizienz der Adenoviren. Die Forschenden haben zudem einen neuen Hemmstoff gegen die von ihnen untersuchte Klasse von Adenoviren identifiziert.

Dieser Stoff hemmt das Eiweiss «lysosomale saure Sphingomyelinase», welches die Ceramid-Lipide produziert. Der Wirkstoff unterdrückt damit die Bildung von Ceramid-Lipiden und verhindert zum Beispiel auch bakterielle Infektionen. «Unsere Resultate sind für die Entwicklung viraler Therapeutika, die beispielsweise bei Impfungen oder in der Gentherapie verwendet werden, von Bedeutung», schliesst Urs Greber.

Literatur:

Stefania Luisoni, Maarit Suomalainen, Karin Boucke, Lukas B. Tanner, Markus R. Wenk, Xue Li Guan, Michal Grzybek, Ünal Coskun, Urs F. Greber. Co-option of Membrane Wounding Enables Virus
Penetration into Cells. Cell Host & Microbe, July 8, 2015. http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1931312815002541

http://www.mediadesk.uzh.ch

Media Contact

Nathalie Huber Universität Zürich

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Größte bisher bekannte magnetische Anisotropie eines Moleküls gemessen

An der Berliner Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II ist es gelungen, die größte magnetische Anisotropie eines einzelnen Moleküls zu bestimmen, die jemals experimentell gemessen wurde. Je größer diese Anisotropie ist, desto besser…

Tsunami-Frühwarnsystem im Indischen Ozean

20 Jahre nach der Tsunami-Katastrophe… Dank des unter Federführung des GFZ von 2005 bis 2008 entwickelten Frühwarnsystems GITEWS ist heute nicht nur der Indische Ozean besser auf solche Naturgefahren vorbereitet….

Resistente Bakterien in der Ostsee

Greifswalder Publikation in npj Clean Water. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Instituts für One Health (HIOH) hat die Verbreitung und Eigenschaften von antibiotikaresistenten Bakterien in der Ostsee untersucht. Die Ergebnisse ihrer Arbeit…