Ursache für erhöhte Infektionsanfälligkeit bei Rheuma geklärt
Rheuma zählt zu den Autoimmunkrankheiten; bei denen richtet sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper. Um den Krankheitsverlauf zu lindern, nehmen Rheumapatienten häufig Medikamente ein, die das Immunsystem drosseln und damit ist dann ebenfalls die Abwehr gegen Krankheitserreger geschwächt.
„Diese so genannten Immunsuppressiva können aber nicht der einzige Auslöser für die erhöhte Infektanfälligkeit von Rheumapatienten sein, denn auch Rheumapatienten, die nur Schmerzmittel einnehmen, leiden häufiger unter schweren Infekten“, sagt Dr. Theresa Frenz, Wissenschaftlerin am Institut für Experimentelle Infektionsforschung, „und wenn im Immunsystem etwas nicht rund läuft, muss man sich die Immunzellen der Patienten genauer anschauen.“
Gesagt, getan. Die Wissenschaftlerin und ihre Kolleginnen Dr. Elena Grabski und Dr. Daniela Buschjäger arbeiten eng mit der Klinik für Immunologie und Rheumatologie der MHH zusammen. Gemeinsam mit Prof. Dr. Torsten Witte haben sie Patienten der MHH mit zwei verschiedenen Rheumaerkrankungen für ihre Forschung gewinnen können: 30 Patienten mit Rheumatoider Arthritis und 30 Patienten mit Spondyloarthritis.
„Beide Rheumaformen befallen das Skelett, jedoch unterschiedliche Bereiche, und auch die Krankheitsverläufe sind unterschiedlich – die erhöhte Infektanfälligkeit der Patienten ist jedoch vergleichbar“, sagt der Rheumatologe Torsten Witte.
Eine zentrale Rolle im Immungeschehen spielen die CD4+ T-Helferzellen. Diese Immunzellen helfen bei der Infektionsabwehr, indem sie die zuständigen B-Zellen zur Produktion von Antikörpern anregen und andere T-Zellen unterstützen, und gleichzeitig können diese Helferzellen Mitverursacher der rheumatisch-entzündlichen Erkrankungen sein.
Aus dem Blut ihrer Studienteilnehmer haben die Forscher die T-Helferzellen isoliert. Auf der Oberfläche dieser Zellen gibt es unterschiedliche Bereiche: der Hauptrezeptor bindet normalerweise Teile von Krankheitserregern. Daneben gibt es noch Rezeptoren, die die Funktion der T-Helferzellen mitsteuern: Aktivierende Rezeptoren sorgen dafür, dass die T-Helferzellen sich teilen, Botenstoffe ausschütten und das restliche Immunsystem wachrütteln. Inhibierende Rezeptoren fahren dann später – wenn die Infektion überstanden ist – das aggressive Abwehrprogramm zurück und lassen die Zellen absterben.
„Bei den Rheumapatienten ist diese klare Trennung in Aktivierung und Inhibition aufgehoben. Die Zellen befinden sich in einem unklaren Zustand, gefangen zwischen Teilung und Tod, und können nur unzureichend für eine Abwehrreaktion gegen Krankheitserreger aktiviert werden. Aber sie können immer noch Schaden anrichten!“, hat Theresa Frenz beobachtet.
In diesem Zwischenzustand können sie noch einen Botenstoff ausschütten – den sogenannten Tumornekrosefaktor – der die Rheumasymptome auslöst. „Die Immunzellen sind schlicht erschöpft – wie bei einer chronischen Virusinfektion – und können schlechter auf angreifende Erreger reagieren als in gesunden Menschen.“
Die gute Nachricht: Unter den unterschiedlichen Rheumamedikamenten, die auf dem Markt sind, ist eines in der Lage, die Zellerschöpfung zu lindern – es bringt sozusagen die erschöpften T-Helferzellen wieder in ihr inneres Gleichgewicht zwischen Aktivierung und Inhibition. „Diesen Effekt werden wir in kommenden Studien weiter untersuchen“, sagt Prof. Dr. Ulrich Kalinke, Leiter des Instituts für Experimentelle Infektionsforschung. „Derartige Studien können helfen, Rheumapatienten hoffentlich künftig bei der Infektabwehr besser zu unterstützen“, schließt Torsten Witte.
http://dx.doi.org/10.1016/j.jaci.2016.04.013
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