Bundesregierung verabschiedet Deutsches Raumfahrtprogramm

Bulmahn: „Nutzen für den Menschen und wissenschaftliche Exzellenzsind die wichtigsten Ziele“

Die rot-grüne Bundesregierung hat in ihrer heutigen Kabinettssitzung das Deutsche Raumfahrtprogramm verabschiedet. Es ist das erste Deutsche Raumfahrtprogramm seit fast 20 Jahren. „Damit schaffen wir einen verlässlichen Rahmen und eine Planungssicherheit für Wissenschaft und Industrie, die sie für ihre Arbeit brauchen und die über Jahre gefehlt hat“, erklärte Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn heute in Berlin. Die Bundesregierung wird für die Raumfahrt in den kommenden vier Jahren rund 8 Milliarden Mark ausgeben. Der Löwenanteil von 7 Milliarden Mark wird von Seiten des BMBF finanziert. Das sind mehr als 10 % des Gesamthaushaltes des Forschungsministeriums.

„Wir stehen zu den von der Vorgängerregierung eingegangenen internationalen Verpflichtungen, sich mit 41 % am europäischen Anteil beim Aufbau der Internationalen Raumstation zu beteiligen“, erklärte Bulmahn. „Wir bleiben damit verlässlich für unsere Partner in Europa und Übersee. Mit dem neuen Raumfahrtprogramm werden wir allerdings die daraus entstandene Handlungsunfähigkeit auf den mehr anwendungsorientierten Gebieten überwinden.“

„Der Nutzen der Raumfahrt für den Menschen und wissenschaftliche Exzellenz stehen für die deutsche Raumfahrtpolitik an oberster Stelle“, sagte Bulmahn. Ergebnisse der Raumfahrtforschung seien in unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Für die Wetterbeobachtung, zur Kommunikation, für TV-Übertragungen und zur Navigation seien raumgestützte Infrastrukturen entstanden, ohne dass jedem Einzelnen der Bezug zur Raumfahrt noch bewusst sei.

„Jetzt geht es darum, neue Handlungsspielräume der Raumfahrttechnologie auf verschiedenen Gebieten der staatlichen Vorsorge und der kommerziellen Dienstleistung zu nutzen“, so Bulmahn. Wichtig für die Erfüllung staatlicher Aufgaben im Bereich des Umweltschutzes und für wirtschaftliche Zwecke sei z. B. die satellitengestützte Erdbeobachtung. Sie ermögliche es, die vielen weltweit begangenen Umweltverstöße mit ihren alarmierenden Folgen für unser globales Ökosystem frühzeitig zu erkennen.

„Ziel des Deutschen Raumfahrtprogramms ist es, den Anteil der deutschen Wirtschaft an den weltweiten kommerziellen Umsätzen in der Raumfahrt, u. a. im Rahmen von Public-Private-Partnership (PPP), deutlich auszuweiten. In der Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft gilt es, das Konzept der Public-Private-Partnership zur Erschließung und Absicherung kommerzieller Märkte zu entwickeln und konsequent anzuwenden“, erklärte Bulmahn. Sie betonte darüber hinaus, dass auch die Grundlagenforschung ein wichtiges Ziel der deutschen Raumfahrtpolitik sei. Hier habe Deutschland eine Spitzenposition. Die Erforschung des Weltraums ziele auf ein besseres Verständnis von Ursprung, Aufbau und Entwicklung des Kosmos und zugleich von Herkunft, Bedingungen und Zukunft unserer eigenen Existenz.

Ein wichtiges Anliegen von Bundesforschungsministerin Bulmahn ist es, den Wettbewerb und Marktmechanismus auch in der Raumfahrtindustrie zu stärken. „Dazu werden wir die Spezialisierung von Tochterfirmen europäischer Raumfahrtkonzerne in Deutschland unterstützen.“ Es gehe darum, die Besetzung attraktiver Nischenmärkte durch die Beteiligung von Zulieferern und KMU zu fördern.

„Mit dem Deutschen Raumfahrtprogramm hat sich die Bundesregierung ehrgeizige Ziele gesteckt. Wir setzen dabei nicht nur auf industrielle Eigenbeteiligung, sondern auch auf europäische Arbeitsteilung“, sagte Bulmahn. „Das Deutsche Raumfahrtprogramm ist in die europäischen Weltraumaktivitäten von der ESA eingebunden und eng abgestimmt. Im Rahmen der europäischen Zusammenarbeit wird die deutsche Raumfahrtforschung stärkere Schwerpunkte bilden, um die Leistungsfähigkeit von Industrie und Wissenschaft zu steigern.“

Ebenso wichtig wie die Verwirklichung neuer Raumfahrtprojekte in europäischer Zusammenarbeit ist die Schaffung und Erhaltung nationaler Kompetenz. Daher stellt das BMBF für das deutsche Nationale Programm jährlich Mittel in Höhe von 310 Millionen Mark zur Verfügung. Sie werden überwiegend für Projekte in der deutschen Industrie und Forschung eingesetzt. Bulmahn: „Erst hierdurch wird Deutschland zum leistungsfähigen Partner und respektierten Wettbewerber.“

Für die Zukunft gelte es, die nationalen Raumfahrtprogramme stärker zusammenzuführen. Dabei gehe es nicht nur um die gemeinsame Forschung, sondern um den europäischen Aufbau von Infrastrukturen. „Die Bundesregierung setzt sich vor dem Hintergrund der Effizienzsteigerung dafür ein, dass die Kommission der europäischen Union und die europäische Weltraumagentur ESA künftig enger zusammenwirken“, sagte die Forschungsministerin. Durch die beiderseitigen Beschlüsse über eine europäische Weltraumstrategie wurde hierfür ein vielversprechender Anfang geschaffen. Sie werde es als wichtige Aufgabe verstehen, als künftige ESA-Ratsvorsitzende diesen Rahmen durch die Formulierung und Verwirklichung konkreter Ziele auszufüllen, so Bulmahn. Die Nutzung von Weltraumtechnologien werde auch für die Sicherung der Wettbewerbssituation bestehende Leistungsschwerpunkte der deutschen-europäischen Wirtschaft eine immer wichtigere Rolle spielen. Bulmahn betonte, dass sie besonders hohe Erwartungen an das europäische Satellitennavigationsprojekt „Galileo“ knüpfe.

Bundesforschungsministerin Bulmahn wies abschließend darauf hin, dass aus dem Nationalen Programm in den vergangenen Jahren rund 10 % der Fördermittel in die neuen Bundesländer geflossen sei. Dieser Anteil soll in Zukunft noch weiter erhöht werden. Als Beispiel für das Raumfahrtengagement der neuen Bundesländer nannte sie den Start und die gelungene Inbetriebnahme des wissenschaftlichen Erdbeobachtungssatelliten CHAMP.

Das „Deutsche Raumfahrtprogramm“ können Sie unter ftp://ftp.bmbf.de/010516drp_www6.pdf abrufen.

Die acht Schwerpunkte des Deutschen Raumfahrtprogramms sind orientiert am Nutzen und dem Bedarf auf der Erde:

Programm Erdbeobachtung
Aus der Umlaufbahn ergeben sich neue und umfassende Beobachtungsmöglichkeiten für die Erde z. B. für einen vorausplanenden Umweltschutz. Der europäische Umweltsatellit ENVISAT, der mit maßgeblicher deutscher Beteiligung entwickelt wurde und im Herbst gestartet werden soll, ist ein gutes Beispiel dafür. Aus dem Orbit lässt sich nicht nur der Ozongehalt in der Atmosphäre oder unkontrolliertes Wachstum schädlicher Algen messen, sondern auch die illegale Entsorgung von Ölrückständen und Schadstoffen auf hoher See.

Programm Telekommunikation
Die Nutzung von Satelliten für Datenübertragung kann einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung z.B. für das Internet beisteuern. Ein Anwendungsbeispiel für Internet via Satellit wäre die Möglichkeit, das Internet auch im Flugzeug zu nutzen.

Programm Navigation
Aufbau und Nutzung eines zivilen europäischen Satellitennavigationssystems GALILEO ist das Ziel des Deutschen Raumfahrtprogramms. Anwendungsbeispiele für jeden Bereich des alltäglichen Lebens sind die weltweite Güterverfolgung, das Landen von Flugzeugen, die Lenkung von Rettungseinsätzen, sekundengenauer Zeitabgleich z. B. bei Mobilfunksystem oder bei Bankgeschäften und natürlich die exakte Steuerung von Schiffen und Autos – auch ein Schritt hin zur Stauvermeidung und Benzinverschwendung.

Programm Erforschung des Weltraums
Im Vordergrund steht die Erforschung des Ursprung des Universums und die Suche nach Leben auf Planeten außerhalb unseres Sonnensystems. Observatorien auf der Erde und in der Umlaufbahn eröffnen den ungetrübten Blick auf alles Wissenswerte und Bedrohliche jenseits unseres Planeten, wie z. B. die Entstehung ferner Galaxien oder auch der Lauf von Kometen. Die Erforschung der Planeten unseres Sonnensystems und der Vergleich mit anderen Planeten „gleicher Bauart“ erlaubt uns die Entwicklung der Erde besser zu verstehen. Sonnenforschung gibt Antworten auf die Wirkung von Sonnenstürmen auf Satelliten und Stromleitungen auf der Erde.

Programm Raumfahrt-Infrastrukturen
Aufbau und Betrieb der Internationalen Raumstation ISS bilden einen weiteren Schwerpunkt. Der Einfluss der Schwerkraft ist nicht nur für wissenschaftliche Grundlagenforschung, sondern auch für anwendungsnahe Industrieforschung im Labormaßstab eine Größe, welche den Verlauf eines Experiments entscheidend beeinflusst, z. B. zur Untersuchung von Schmelzen verschiedener Metalle. Auf der ISS finden wir die hervorragenden Bedingungen für die Beantwortung vieler wissenschaftlicher Fragen, bei denen wir auf der Erde an Grenzen stoßen.

Programm Forschung unter Weltraumbedingungen
Die Forschung unter Weltraumbedingungen, also vorwiegend unter Schwerelosigkeit, konzentriert sich auf Lebenswissenschaften und Materialforschung. Neben dem Design neuer Werkstoffe mit erstaunlichen neuen Eigenschaften steht der Einfluss der Schwerkraft auf alle Prozesse des Lebens, wie z. B. das Zellwachstum, im Vordergrund.

Raumtransport
Das ARIANE-Programm garantiert den europäischen Zugang zum Weltall, ASTRA ist ein international viel beachteter Schwerpunkt zur Entwicklung von Technologien für wiederverwendbare Träger. Langfristig sollen diese Träger zur deutlichen Senkung von Transportkosten beitragen.

Technik für Raumfahrtsysteme
Die Erforschung und Erschließung von fremden Planetenoberflächen, gefährliche Weltraumspaziergänge und Routineaufgaben sollen durch den Einsatz intelligenter, selbstständig arbeitender Roboter vorbereitet und kostengünstiger durchgeführt werden. Die Entwicklung solcher Systeme verspricht eine gute Übertragbarkeit zur Nutzung auch auf der Erde.

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Iris Marzian idw

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