Millionenförderung für die Neutronen- und Röntgenstrahlforschung an der FAU
Über einen finanziellen Förderregen freut sich die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU): Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert im Rahmen der Verbundforschung fünf Projekte der Neutronen- und Röntgenstrahlforschung mit insgesamt 2,5 Millionen Euro. Ziel ist es mit dem Know-how der FAU-Forscher Forschungsinfrastrukturen wie beispielsweise das Heinz Maier-Leibnitz Zentrum in Garching weiterzuentwickeln. Stefan Müller, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung, hat den Förderbescheid am heutigen Donnerstag an die beteiligten Wissenschaftler übergeben.
Mit Neutronen und Röntgenstrahlen erforschen Wissenschaftler auf atomarer Ebene Strukturen, Dynamik und Eigenschaften von Materialien. Dies ist nicht nur für die Grundlagenforschung von Bedeutung, sondern spielt auch in der Anwendung, beispielsweise in der Halbleiterindustrie, eine große Rolle. Dazu benötigt werden jedoch nationale und internationale Forschungszentren, die die entsprechende Infrastruktur zur Verfügung stellen. Das BMBF ermöglicht Forschergruppen über die Verbundforschung, innovative Beiträge zur Instrumentierung an diesen Einrichtungen umzusetzen.
„Wir wollen, dass universitäre Forschergruppen an der fortlaufenden Weiterentwicklung und Modernisierung von Forschungsinfrastrukturen beteiligt sind. Das gilt besonders für so herausragende Projekte wie die der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Die enge Zusammenarbeit mit Universitäten ist ein wesentlicher Innovationsmotor für Deutschland. Dies ist ein Alleinstellungsmerkmal der deutschen Forschung“, erklärt der Parlamentarische Staatssekretär Stefan Müller. „Die Vergabe von Projekten in der Verbundforschung ist ein hoch kompetitives Verfahren. Das erfolgreiche Abschneiden unserer Wissenschaftler beweist einmal mehr die hohe wissenschaftliche Expertise der FAU auf dem Gebiet der Forschung mit Neutronen und Röntgenstrahlung“, unterstreicht FAU-Präsident Prof. Dr. Joachim Hornegger den Erfolg.
An der FAU ist die Forschung in diesem Bereich bereits tief verankert und erstreckt sich über die Naturwissenschaftliche, Technische und Medizinische Fakultät. So bietet das Interdisziplinäre Zentrum für Elektronenmikroskopie und Nanoanalytik (CENEM), ein DFG-gefördertes Gerätezentrum, eine Plattform, um unter anderem Streumethoden in so unterschiedlichen Bereichen wie pharmazeutische Arzneistoffträgersysteme, dünne Filme für elektronische Anwendungen oder Charakterisierung von Nanostrukturen anzuwenden. „Die neue Förderung durch das BMBF stärkt diesen Bereich weiter und wird der Forschung an der FAU neue experimentelle Möglichkeiten eröffnen“, sagt Prof. Dr. Tobias Unruh vom Lehrstuhl für Kristallographie und Strukturphysik.
Die fünf Projekte im Detail:
Zwei in einem: gleichzeitiges Messen von Röntgen- und Neutronenstrahlung mit einem Gerät
Um kleinste Teilchen auf Nanoebene, wie sie beispielsweise in Arzneimitteln vorkommen, umfassend zu untersuchen – und anschließend zu modifizieren –, bedarf es verschiedener Methoden: auf der einen Seite Neutronen, mit deren Hilfe organische Moleküle an Partikeloberflächen analysiert werden können, auf der anderen Seite Röntgenstrahlung, mit der Größe und Form der Partikel bestimmt werden. Zurzeit funktionieren die beiden Methoden jedoch nur getrennt voneinander, was Zeit und Geld kostet. Ziel von Prof. Dr. Tobias Unruh vom Lehrstuhl für Kristallographie und Strukturphysik der FAU ist es, beide Techniken in ein einzelnes Gerät zu integrieren, so dass beide Methoden zeitgleich eingesetzt und dadurch zusätzliche Untersuchungen ermöglicht werden.
Dafür entwickelt und baut er zusammen mit seiner Arbeitsgruppe eine einzigartige Röntgenoption für das D11 Instrument des Hochflussreaktors (HFR) des Instituts Laue-Langevin (ILL) in Grenoble. Der HFR ist die stärkste kontinuierliche Neutronenquelle der Welt. Hier werden mit Hilfe von Neutronen der molekulare und atomare Aufbau von Materie erforscht. „Diese Methodenkombination wird neue Einblicke in den Zusammenhang zwischen dem inneren Aufbau und der Funktion von neuen Materialien gewähren – sei es für die Entwicklung neuer Arzneistoffträgersysteme in der Pharmazie, die Optimierung von Tinten für den Druck effizienter und preiswerter elektronischer Bauteile wie zum Beispiel organische Solarzellen oder die Herstellung von nanoskaligen Halbleiterpartikeln“, zeigt sich Unruh überzeugt.
Weitere Informationen zu dem Projekt: Prof. Dr. Tobias Unruh, Tel.: 09131/85-25189, tobias.unruh@fau.de
Kleinste Teilchen unter der Lupe: Software für die Analyse nanostrukturierter dünner Filme
Nanostrukturierten Materialien gehört die Zukunft. Sie vereinen nicht nur viele elektronische, optische und mechanische Eigenschaften, sie haben oftmals auch ganz andere Eigenschaften als natürliche Materialien – und sind damit auch leistungsfähiger. Um gezielt mechanisch flexible Solarzellen, Lichtquellen und Displays zu entwickeln, ist es daher nötig, die Struktur der Materialien auf Nanoebene zu verstehen. Mit Röntgenstrahlung lässt sich die Struktur genauestens untersuchen: Dabei wird ein sehr feiner Röntgenstrahl unter streifendem Einfall über die Oberfläche des Films geführt. Der Winkel zwischen Strahl und Oberfläche beträgt dabei lediglich einige Hundertstel bis zu wenigen Zehntel eines Grads. Der Informationsgehalt der Streubilder, die mit einem 2D-Röntgendetektor hinter der Probe aufgenommen werden, ist bezüglich der sehr komplexen inneren Struktur dieser Filme äußerst groß. Allerdings existiert zurzeit noch keine Software, mit der diese Bilder zuverlässig und umfassend ausgewertet werden können. Die Wissenschaftler vom Lehrstuhl für Kristallographie und Strukturphysik der FAU erweitern in diesem Projekt eine bereits bestehende Software, um zukünftig die 3D-Struktur dünner Filme sowie deren zeitliche Entstehung aus den Messdaten rekonstruieren zu können.
Auch hier bietet die Kombination von Röntgen- und Neutronenstreuung erhebliche Vorteile. Die Röntgenmessungen können weitgehend an dem hochmodernen Laborgerät der Arbeitsgruppe Unruh in Erlangen durchgeführt werden. Für die Neutronenmessungen bringt das Helmholtz-Zentrum Geesthacht die Nutzung des Neutronenreflektometers REFSANS am FRM II in Garching in diese Kooperation ein.
Weitere Informationen zu dem Projekt: Prof. Dr. Tobias Unruh, Tel.: 09131/85-25189, tobias.unruh@fau.de
Höhere Genauigkeit, breiteres Farbspektrum: Neutronenrückstreuspektroskopie
Brennstoffzellen, Batterien oder Solarzellen: Materialien für die Speicherung oder Erzeugung von Energie werden seit 50 Jahren mit der Neutronenrückstreuung untersucht. Mit ihr lassen sich atomare Bewegungsvorgänge im Inneren von festen Körpern erkennen. In zwei Teilprojekten entwickelt Prof. Dr. Andreas Magerl vom Lehrstuhl für Biophysik die Neutronenspektroskopie für weitere Anwendungen beispielsweise aus der Biologie oder den Materialwissenschaften weiter.
Zum einen will Magerl die Messgenauigkeit des Gerätes um das Zehnfache erhöhen. Dafür verwendet er statt der üblichen Siliziumkristalle Galliumarsenidkristalle für die Neutronenrückstreuspektroskopie. Die Herausforderung dabei ist, das Material optimal zu formen. Im Gegensatz zum Silizium besteht das neue Material aus zwei Elementen: Gallium und Arsen. Diese müssen während der Herstellung zu einem homogenen und defektfreiem Material geformt werden, damit sie optimal funktionieren.
Zum anderen wird der auswertbare Frequenzbereich zehnmal verbreitert. Neben dem roten Lichtspektrum sollen Forscher sozusagen zukünftig auch den blauen Frequenzbereich untersuchen können, aber eben für Neutronenlicht. Dafür entwickelt Magerl zusammen mit Partnern des Instituts Laue-Langevin in Grenoble und AIRBUS DS GmbH ein neuartiges Choppersystem: Solche Geräte bestehen aus vier sehr schnell rotierenden Scheiben, deren Ränder Geschwindigkeiten von bis zu 750 Metern pro Sekunde erreichen, also enormen mechanischen Belastungen ausgesetzt sind. Bisher bestehen die Scheiben aus Kohlenstoffmatten, deren Fasern auch quer zur Belastungsrichtung angeordnet sind, sodass nicht alle Fasern gleich belastet werden. In dem neuen Design werden die Fasern hingegen radial gewickelt und dadurch alle gleich belastet, so dass die Scheiben wesentlich höheren Belastungen ausgesetzt werden können.
Weitere Informationen zu dem Projekt: Prof. Dr. Andreas Magerl, Tel.: 09131/85-25181, andreas.magerl@fau.de
Klein, kleiner, am kleinsten: mikroskopische Röntgenuntersuchungen im Nanobereich
Bereits seit 2008 betreibt die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Rainer Fink in Kooperation mit dem Paul-Scherrer-Institut das Röntgenmikrospektroskop PolLux an der Schweizer Synchrotronstrahlungsquelle Swiss Light Source (SLS). Hier fokussieren die Wissenschaftler Röntgenstrahlen durch spezielle Optiken so stark, dass Objekte mit einer gegenüber der herkömmlichen Lichtmikroskopie zehnfach höheren Auflösung abgebildet werden.
Als Optiken dienen sogenannte Fresnel-Zonenplatten, die aus ringförmigen Metallstrukturen bestehen und die Beugung von Röntgenstrahlen auf einen winzigen Fokuspunkt (ähnlich wie bei einem Brennglas) erlauben. Durch solche Optiken lassen sich nicht nur Form und Beschaffenheit der Objekte abbilden, mit der Röntgenspektroskopie können auch Elemente analysiert und die elektronischen Eigenschaften erfasst werden. Mit Hilfe dieser Daten können die Wissenschaftler zum einen Rückschlüsse auf die Materialeigenschaften ziehen. Zum anderen können sie sehen, wie strukturelle und chemische Eigenschaften verknüpft sind, beispielsweise in Bauteilen der molekularen Elektronik, Polymermischungen und in Arzneimitteln.
Ziel von Professor Fink und seinem Team ist es nun, die Röntgenoptiken so zu verbessern, dass die Auflösung an die Grenzen des derzeit technologisch Machbaren reicht – also Auflösungen unter 10 Nanometern, was in etwa 1/6000 des Durchmessers eines Menschenhaares entspricht. Durch die Kombination der extrem hochauflösenden mikroskopischen Abbildung mit einer spektroskopischen Sonde kann der chemische Zustand auf kleinsten Längenskalen nachgewiesen werden, der bei anderen Sonden der Materialforschung meist verborgen bleibt.
Weitere Informationen zu dem Projekt: Prof. Dr. Rainer Fink, Tel.: 09131/85-27322, rainer.fink@fau.de
Teilchenbeschleuniger im Tischformat
Teilchenbeschleuniger sind für die Grundlagenforschung unabdingbar: Sie kommen von der Elementarteilchenphysik über die Atomphysik bis hin zur Biophysik zum Einsatz. Die Teilchen werden zur Erzeugung von Strahlung, unter anderem Röntgenstrahlung, benutzt oder als Sonde, um Proben zu untersuchen.
Um Elektronen auf die benötigte Geschwindigkeit zu beschleunigen, brauchen derzeitige Teilchenbeschleuniger eine mehrere Kilometer lange Strecke, wie beispielsweise am Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY in Hamburg. Daher steht die Technologie Wissenschaftlern bisher nur in eingeschränktem Maße zur Verfügung – für Slots in den Großanlagen müssen sie sich bewerben, die Zeit, um ihre Experimente durchzuführen, ist begrenzt.
Eine neue Technologie könnte die benötigte Größe der Beschleuniger nun auf Tischformat eindampfen: Wissenschaftler vom Lehrstuhl für Laserphysik an der FAU haben zusammen mit Kollegen der Universität Stanford gezeigt, dass Elektronen mit Hilfe von Laserstrahlung beschleunigt werden können – und das bis zu hundertmal schneller als in herkömmlichen Teilchenbeschleunigern.
Die Forscher bringen die Laserstrahlung mit Hilfe von transparenten Glaselementen in die benötigte Form, um kontinuierlich und effizient Elektronen zu beschleunigen. Die Glasröhren weisen in ihrem Inneren Zinnen auf, sodass die Elektronen weniger abgebremst werden.
In dem neuen Projekt wird Hommelhoff zusammen mit Kollegen der Technischen Universität Darmstadt die Technologie weiterentwickeln: Zunächst suchen die Darmstädter Kollegen mit Hilfe von Computersimulationen die optimale Struktur für die Glaskomponenten, sodass sie die optimale Umgebung für die Beschleunigung von Teilchen bieten. Am Lehrstuhl für Laserphysik der FAU werden die Strukturen in Experimenten auf ihre tatsächliche Funktionsweise überprüft. Zukünftig könnte dieser Ansatz auch zu neuen Geräten und Behandlungsmethoden in der Strahlenmedizin führen, wo Teilchenbeschleuniger ebenfalls eingesetzt werden.
Weitere Informationen zu dem Projekt: Prof. Dr. Peter Hommelhoff, Tel.: 09131/85-27090, peter.hommelhoff@fau.de
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