Europäischer Forschungspreis für Bayreuther Meteorologen

Messeinrichtung aus optischen Glasfasern auf einer Forschungsfläche in Corvallis, Oregon/USA. Foto: Christoph Thomas; zur Veröffentlichung frei.

Energie und Luftströme in windschwachen Nächten

Wie sich Licht und Wärme sowie Wasserdampf, Kohlendioxid und auch Luftschadstoffe oberhalb der Erdoberfläche ausbreiten und vermischen, hat einen wesentlichen Einfluss auf die Lebensqualität von Menschen, Pflanzen und Tieren. Empirische Untersuchungen mit hochsensiblen Messtechniken, Datenmodelle und bewährte Theorien haben in den letzten Jahrzehnten wichtige Einblicke in die oberirdischen Transporte von Energie und Luftbestandteilen ermöglicht.

Gleichwohl beschränken sich diese Erkenntnisse weitgehend auf die ‚helle Tageshälfte‘, wenn die Sonneneinstrahlung und starke Winde meteorologische Prozesse in Gang setzen, antreiben und verstärken. Aber was geschieht nachts, wenn Wärme- und Luftströmungen schwächer werden und scheinbar zum Erliegen kommen?

„Diese ‚dunkle Seite‘ des meteorologischen Geschehens ist längst noch nicht zureichend erforscht“, meint Prof. Thomas, der 2014 nach einer zehnjährigen Forschungs- und Lehrtätigkeit in den USA an die Universität Bayreuth zurückgekehrt ist. In seinem neuen, vom ERC ausgezeichneten Projekt mit dem Titel ’DarkMix‘ will er genauer untersuchen, was sich in kühlen, windschwachen Nächten im, am und über dem Erdboden abspielt.

„Es bildet sich dann unmittelbar über dem Erdboden eine Schicht, in der sich Wärme, Luft und darin enthaltene Beimengungen fast nur noch horizontal bewegen, nicht aber vertikal in darüber liegende Schichten entweichen“, so der Bayreuther Wissenschaftler.

„Dadurch erreichen die bodennahen Konzentrationen Spitzenwerte, und wir Menschen, Tiere und Pflanzen sind mittendrin. Diese Schicht kann einen Zentimeter bis zehn Meter dick sein. Oftmals befinden sich mehrere solcher Schichten übereinander, ohne sich zu vermischen – wie bei einer Torte. Momentan wissen wir nur soviel, dass selbst unsere besten Transport- und Wettermodelle und die ihnen zugrundeliegenden Theorien hier versagen. Was wir brauchen sind neue Denkansätze und Ideen, die auf detaillierten räumlichen Beobachtungen beruhen. Dies ist der klassische Pfad der Wissenschaft.“

Neue Datenmodelle und eine technologische Innovation

Gemeinsam mit seiner Arbeitsgruppe will er daher einen meteorologischen Forschungsrahmen erarbeiten, der speziell auf die besonderen nächtlichen Gegebenheiten zugeschnitten ist. Dabei sollen erstmals auch diejenigen Luft- und Energietransporte voll einbezogen werden, die sich – was ihre Größenordnung betrifft – zwischen dem großräumigen Wettergeschehen der Wettervorhersage und kleinen Turbulenzwirbeln bewegen.

Neue computergestützte Datenmodelle werden dazu dienen, Hypothesen in Bezug auf Wärme- und Luftströmungen empirisch zu testen; sie sollen aber zugleich dabei helfen, Gesetzmäßigkeiten herauszufinden und Prognosen daraus abzuleiten.

Die technologische Schlüsselinnovation von DarkMix ist eine aus optischen Glasfasern bestehende Messeinrichtung. Hier kommen kilometerlange, aus der Datenübertragung bekannte dünne Glasfasern zum Einsatz. Wenn ein Laserstrahl durch sie hindurchgeleitet wird, sind die Fasern in der Lage, selbst schwache Energie- und Luftströmungen in der windschwachen Schicht am Boden zu registrieren.

Die Auflösung beträgt einige Zentimeter und ermöglicht somit Beobachtungen mit einer bislang unerreichten Detailgenauigkeit. Die neue Messanlage wird so konzipiert sein, dass sie nicht nur die Lufttemperatur und die Windgeschwindigkeit, sondern erstmals auch die häufig wechselnden Windrichtungen präzise erfassen kann.

„Falls diese Messtechnik funktioniert, würde dies eine messtechnische Revolution in der Meteorologie bedeuten“, meint Prof. Thomas, der die neue Anlage als Messharfe (‚sensing harp‘) bezeichnet.

Feldexperimente sind an drei Standorten geplant, die sich topographisch und klimatisch deutlich unterscheiden: auf Wiesen in einem Tal des Weißenstädter Beckens, am hochgelegenen Waldstein im Fichtelgebirge sowie auf einer großen unbebauten Fläche im Zentrum der Stadt Münster.

Immer im Blickfeld: aktuelle ökologische Herausforderungen

“DarkMix ist ein sehr ambitioniertes Vorhaben und wir können keineswegs mit Sicherheit sagen, ob wir alle Forschungsziele wie geplant erreichen werden. Unser Projekt bietet aber die große Chance, in einem bisher weitgehend unbeachteten Gebiet der Meteorologie neue Erkenntnisse zutage zu fördern, die für eine Vielzahl aktueller gesellschaftlicher und ökologischer Herausforderungen relevant sind. Es freut mich sehr, dass der ERC diese ‚High risk – High gain’-Forschung fördert,“ erklärt der preisgekrönte Wissenschaftler. Als Beispiele nennt er die urbane und ländliche Luftverschmutzung, den Austausch von Treibhausgasen in der Atmosphäre und sinkende Erträge in der Landwirtschaft, die durch extreme nächtliche Kälte verursacht werden. „Die vom ERC geförderten Forschungsarbeiten verstehen sich daher auch als Teil einer breit angelegten interdisziplinären und international ausgerichteten Forschung, die dem Klimawandel und seinen Folgen auf die Spur kommen will,“ fügt Prof. Thomas hinzu.

Zur Person

Prof. Dr. Christoph Thomas wurde 1974 in Detmold/ Lippe geboren. Nach dem Abitur in Bad Neuenahr-Ahrweiler machte er zunächst eine Ausbildung zum Sprachmittler und arbeitete im Bereich Landwirtschaft in verschiedenen Regionen der Russischen Föderation. 1996 nahm er das Diplomstudium der Geoökologie an der Universität Bayreuth auf. In dessen Verlauf absolvierte er ein einjähriges, vom DAAD gefördertes Auslandsstudium an der Irkutsker Landwirtschaftlichen Akademie und ein Forschungspraktikum am Limnologischen Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften am Baikalsee. 2005 wurde er an der Universität Bayreuth mit einer von Prof. Dr. Thomas Foken betreuten Forschungsarbeit über die Mechanismen des Luft- und Kohlenstoffaustauschs in Wäldern promoviert.

Anschließend wechselte er als Postdoktorand an die Oregon State University in Corvallis/USA. Hier war er ab 2008 zunächst als Assistant Professor, danach als Associate Professor am College of Earth, Ocean and Atmospheric Sciences tätig. Schwerpunkte in Forschung und Lehre waren die Meteorologie von Grenzschichten sowie die Wechselwirkungen zwischen Vegetation und Erdatmosphäre. Im Jahr 2010 erhielt Prof. Thomas den prestigereichen Nachwuchsforscherpreis ‚Career Award’ der National Science Foundation, der bedeutendsten US amerikanischen Organisation für Forschungsförderung. Im Oktober 2014 kehrte er an die Universität Bayreuth zurück und übernahm hier als Nachfolger seines früheren Doktorvaters die Professur für Mikrometeorologie.

Kontakt:

Prof. Dr. Christoph Thomas
Mikrometeorologie
Universität Bayreuth
95447 Bayreuth
Telefon: +49 (0)921 / 55-2293
E-Mail: christoph.thomas@uni-bayreuth.de

www.bayceer.uni-bayreuth.de/meteo 

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Christian Wißler Universität Bayreuth

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